Leitsatz (amtlich)

Mieteinnahmen in DM (West), über die ein in der sowjetischen Besatzungszone oder im Sowjetsektor von Berlin wohnender Abgabeschuldner auf Grund der in Berlin (West) geltenden Währungsvorschriften nur nach Umtausch in DM (Ost) verfügen kann, sind in die Ertragsberechnung nach § 129 LAG nur mit dem DM(West)-Betrag einzusetzen, der wertmäßig dem umgetauschten DM(Ost)-Betrag entspricht.

 

Normenkette

LAG § 129; 17. AbgabenDV-LA §§ 4-5

 

Tatbestand

Streitig ist der Erlaß eines Teilbetrages der HGA nach § 129 LAG.

Die Revisionsklägerin, die früher in der Sowjetzone wohnte, ist Eigentümerin eines in Berlin (West) belegenen Grundstücks. Das FA (Revisionsbeklagter) zog die Revisionsklägerin durch unangefochtenen HGA-Bescheid zu Abgabeleistungen heran. Die Revisonsklägerin beantragte, ihr einen Teilbetrag der im Erlaßzeitraum 1956 bis 1958 fällig gewordenen Abgabeleistungen wegen ungünstiger Ertragslage zu erlassen. Das FA lehnte den begehrten Erlaß ab.

Mit dem Einspruch machte die Revisionsklägerin geltend, es seien auch die in ihrer Ertragsberechnung aufgeführten, vom FA jedoch nicht anerkannten Verluste durch Zwangsumtausch bei der Währungsüberwachungsstelle als erweiterte Verwaltungskosten im Sinne von § 9 der 17. AbgabenDV-LA anzusehen. Der zwangsweise Mindestumtausch von 5 v. H. des Mietsolls im Verhältnis 1 DM (West) : 1 DM (Ost) sei Voraussetzung dafür, daß aus den Mieteinnahmen Beträge in das Gebäude hätten investiert werden können.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der Berufung trug die Revisionsklägerin vor, entweder sei bei ihren Grundstückserträgen nur der wirtschaftliche Wert der ihr in DM (Ost) zugeflossenen Einnahmen anzusetzen oder die Verluste müßten durch den Zwangsumtausch als Ausgaben für das Grundstück berücksichtigt werden. Die Währungsbestimmungen, die einen Zwangsumtausch vorsähen, seien verfassungswidrig. Der Gleichheitssatz sei verletzt, weil Bewohner der Sowjetzone diskriminiert würden. Ein Bewohner der Sowjetzone, der in Berlin (West) ein Grundstück habe, werde schlechter gestellt als jeder Ausländer, der an gleicher Stelle ein Grundstück besitze.

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wiederholte die Revisionsklägerin im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Sie betonte noch, in Höhe des Währungsverlustes läge eine Einnahme im Sinne der Steuergesetze nicht vor. Der Verlust durch Zwangsumtausch sei zumindest insofern objektgebunden, als der Zwangsumtausch durch das Bestreben des Grundstückseigentümers verursacht worden sei, das Haus instandzusetzen bzw. instandzuhalten; denn ohne den Zwangsumtausch von 5 v. H. der Bruttomiete habe dem Grundstückseigentümer nicht das Recht zugestanden, irgendwelche Mieteinnahmen für die Instandsetzung bzw. Instandhaltung des Hauses auszugeben. Wenn man dennoch von einer Einnahme ausgehen wolle, so sei es jedenfalls vertretbar, den Währungsverlust durch Zwangsumtausch im Rahmen des § 129 LAG in der Ausgabenseite einzusetzen.

Sie beantragte, die Vorentscheidungen aufzuheben und die HGA für den Erlaßzeitraum 1956 bis 1958 in der beantragten Höhe zu erlassen.

Das FA beantragte, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. ...

2. Grundlage für die Erlaßentscheidung nach § 129 LAG ist die Ertragsberechnung nach der 17. AbgabenDV-LA, die auf der Ermächtigung des § 129 Abs. 3 LAG beruht. Die Ertragsberechnung ist grundsätzlich, wie sich aus §§ 4 Abs. 1 bis 3, 5 Abs. 1, 6, 8 der 17. AbgabenDV-LA ergibt, eine Geldrechnung in der Form der Ist-Rechnung. Es sind folglich die tatsächlich zugeflossenen Grundstückserträge und die tatsächlich abgeflossenen Kosten für das Grundstück der Ertragsberechnung zugrunde zu legen. In die Ertragsberechnung sind grundsätzlich nicht aufzunehmen die Grundstückserträge, die dem Eigentümer des Grundstücks nicht zugeflossen sind, und solche Kosten, die nicht im Zusammenhang mit dem Grundstück stehen oder die noch nicht abgeflossen sind.

Danach ist es für den Streitfall nicht entscheidungserheblich, ob die im einzelnen noch darzustellenden Währungsumtauschbestimmungen der Militärregierung, des Magistrats der Stadt Berlin und der Währungsüberwachungsstelle verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sind. Es ist vielmehr nur darauf abzustellen, ob und in welcher Höhe einem Abgabeschuldner tatsächlich Grundstückserträge zugeflossen oder ob und in welcher Höhe Kosten für das mit HGA belastete Grundstück tatsächlich abgeflossen sind.

3. Das Grundstück der Revisionsklägerin stand im Erlaßzeitraum unter der Aufsicht der Währungsüberwachungsstelle, weil die Revisionsklägerin damals in der Sowjetzone wohnte und das Grundstück in Berlin (West) liegt (Durchführungsbestimmung Nr. 14 zur Zweiten Verordnung zur Neuordnung des Geldwesens - Umstellungsverordnung - vom 4. Juli 1948 - Verordnungsblatt für Groß-Berlin I 1949 S. 165 [VOBl für Groß-Berlin I 1949, 165]; im folgenden: DB Nr. 14 -). Die Revisionsklägerin war - wie alle Eigentümer von Grundstücken in Berlin (West), die ihren Wohnsitz im Sojwetsektor von Berlin oder in der Sowjetzone hatten - verpflichtet, sämtliche Miet- und Pachteinnahmen nach Abzug von im einzelnen aufgeführten zulässigen Ausgaben (Nr. 5 der DB Nr. 14) an die Währungsüberwachungsstelle abzuführen (Nr. 3b der DB Nr. 14 und Art. 1 Abs. 1 der DB Nr. 20 zur Zweiten Verordnung zur Neuordnung des Geldwesens, VOBl für Groß-Berlin I 1950, 14; im folgenden: DB Nr. 20). Nach Art. 2 Abs. 1 der DB Nr. 20 hatte die Währungsüberwachungsstelle die abgeführten Beträge im Verhältnis 1 DM (West) : 1 DM (Ost) umzutauschen. Über den umgetauschten Betrag konnten die Grundstückseigentümer frei verfügen (Art. 2 Abs. 2 der DB Nr. 20 und § 6 der Ersten Durchführungsverordnung zur DB Nr. 20 vom 9. Januar 1950, VOBl für Groß-Berlin I 1950, 33). Nr. IV der Ausführungsvorschrift zur DB Nr. 20 vom 18. Januar 1950 (VOBl für Groß-Berlin I 1950, 35) bestimmt schließlich, die Währungsüberwachungsstelle könne genehmigen, daß Ausgaben für die Instandhaltung eines überwachten Gebäudes - über die nach Nr. 5 der DB Nr. 14 zulässigen Instandhaltungskosten hinaus - ohne Beschränkung aus den Miet- oder Pachteinnahmen geleistet werden könnten, wenn der Grundstückseigentümer vorher 5 v. H. des Miet- oder Pachtsolls im Verhältnis 1 DM (West) : 1 DM (Ost) eintausche.

In Übereinstimmung mit dem VI. Senat, der einen gleichliegenden Sachverhalt einkommensteuerrechtlich zu beurteilen hatte (Urteil VI 35/55 vom 8. März 1957, veröffentlicht in "Das Grundeigentum" 1957, 454), geht der erkennende Senat davon aus, daß der Revisionsklägerin die Mieterträge, auch soweit sie diese zwangsweise umtauschen mußte und dadurch einen Vermögensverlust erlitt, zugeflossen sind. Der VI. Senat führte hierzu a. a. O. wörtlich aus: "Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein 'Zufließen' dann anzunehmen, wenn Geld oder ein anderes Wirtschaftsgut in die Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen gelangt (Urteil des RFH VI A 1105/33 vom 7. November 1934, RStBl 1935 S. 698). Die Vorinstanzen haben angenommen, daß dies hinsichtlich der Mieteinnahmen der Bfin. in dem Zeitpunkt der Fall ist, in dem der für die Bfin. tätige Treuhänder die Mieten in bar oder durch Gutschrift auf einem Bankkonto erhalten hat. Gegen diese Auffassung bestehen keine Bedenken. Daß die Bfin. in diesem Zeitpunkt noch nicht die volle Verfügungsmöglichkeit über diese Beträge hatte, weil sie gewissen Beschränkungen der Währungsgesetzgebung in Berlin-West unterlag, steht der Annahme des Zufließens im Sinne des § 11 EStG nicht entgegen (vgl. Urteil des RFH VI A 474/34 vom 29. Mai 1935, Slg. Bd. 38 S. 69, RStBl 1935 S. 1173). Die Bfin. bzw. der für die Verwaltung der Mieten bestellte Treuhänder konnte diese Geldbeträge zur Bezahlung der öffentlichen Grundstückslasten und zum Teil auch für die Instandhaltung des Grundstücks verwenden. Die nach Deckung dieser Ausgaben verbleibenden Beträge standen der Bfin. nach Umtausch in DM (Ost) durch die Währungsüberwachungsstelle zur freien Verfügung. Die Bfin. hatte also mindestens hinsichtlich eines Teils der Beträge sofort eine Verfügungsmöglichkeit, hinsichtlich der Restbeträge allerdings erst nach Umtausch in DM (Ost). Diese durch die Währungsverhältnisse in Berlin (West) bedingten Erschwerungen sind jedoch ... nicht derart, daß sie die Annahme des 'Zufließens' der Mieteinnahmen im Sinne des § 11 EStG ausschließen. Dem Verwaltungsgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, wenn es die von den Mietern in DM (West) gezahlten Mieten bei der Besteuerung der Bfin. in der vollen Höhe des DM(West)-Betrages als Einnahmen im Sinne des § 8 EStG der Besteuerung zugrunde legt."

Der VI. Senat führte sodann a. a. O. weiter aus, daß der Bfin. erst der in DM (Ost) umgetauschte Grundstücksüberschuß zur freien Verfügung stand. Der Umstand, daß die Bfin. durch den Umtausch nur einen Betrag zur freien Verfügung erhalten habe, der einen geringeren Wert hatte als die in DM (West) gezahlten Mieten, könne nach den in § 8 EStG niedergelegten Grundsätzen über die Bewertung von Einnahmen nicht unberücksichtigt bleiben. Es heißt dann wörtlich weiter: "Wie der Reichsfinanzhof in dem bereits angeführten Urteil VI A 474/34 ausgeführt hat, kann bei derartigen Verfügungsbeschränkungen aus Währungsgründen nur der unter Berücksichtigung aller Umstände festgestellte gemeine Wert der Einnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Der Senat tritt dieser Auffassung bei. Hinsichtlich der Mieteinnahmen, die der Bfin. in Berlin (West) zwar in DM (West) zugeflossen sind, über die sie aber erst nach Umtausch in DM (Ost) verfügen konnte, kann demnach gemäß § 8 EStG nur der DM(West)-Betrag bei der Besteuerung angesetzt werden, über den die Bfin. tatsächlich verfügen konnte...."

Diese Auslegung wird auch §§ 4, 5 der 17. Abgaben-DV-LA gerecht. Sie berücksichtigt insbesondere, daß die in § 129 LAG vorgesehene Berechnung eine wirtschaftliche Ertragsberechnung des Grundstücks ist, mit der festgestellt werden soll, ob und in welcher Höhe der Eigentümer aus einem Grundstücksüberschuß die HGA begleichen kann. Wo ein Zwangsumtausch erfolgt und dadurch ein Vermögensverlust eintritt, mindert sich in Höhe des Umtauschverlustes der Wert der Mittel, die dem Grundstückseigentümer sowohl tatsächlich als auch wirtschaftlich zur Aufbringung der Leistungen auf die HGA zur Verfügung stehen.

Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das VG, jetzt FG, zurückverwiesen. In der Ertragsberechnung der Revisionsklägerin für den Erlaßzeitraum dürfen nur Einnahmen und Ausgaben in DM(West)-Währung aufgeführt werden. Das FG wird deshalb festzustellen haben, in welcher Höhe im Erlaßzeitraum ein Währungsverlust der Revisionsklägerin eingetreten ist. Es wird dabei zunächst von den der Revisionsklägerin nach dem jeweiligen Zwangsumtausch verbliebenen DM(Ost)-Beträgen auszugehen haben. An Hand der am jeweiligen Umtauschtag geltenden Kurstabelle wird das FG sodann zu ermitteln haben, welchem DM(West)-Betrag die Summe entspricht, die der Revisionsklägerin von der Währungsüberwachungsstelle in DM (Ost) zugeteilt wurde. Der so festgestellte DM (West)-Betrag ist in die Ertragsberechnung einzusetzen. Dem Senat erscheint es allerdings auch vertretbar, daß - falls der Zwangsumtausch an mehreren Stichtagen eines Kalenderjahres erfolgte und der Umtauschkurs an den verschiedenen Umtauschterminen nicht allzu stark schwankte - das FG einen Jahresdurchschnittskurs feststellt und diesen Kurs der Umtauschberechnung zugrunde legt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424550

BStBl II 1968, 229

BFHE 1968, 117

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