Leitsatz (amtlich)

Gekaufte Waren gehören wirtschaftlich zum Vermögen des Kaufmanns, sobald er die Verfügungsmacht in Gestalt des unmittelbaren oder mittelbaren Besitzes an ihnen erlangt hat.

 

Orientierungssatz

Bestandteil des Vermögens des Kaufmanns (§ 39 Abs. 1, 2 HGB a.F.; §§ 240, 242 HGB) sind die ihm zivilrechtlich gehörenden Vermögensgegenstände sowie solche, die zivilrechtlich zwar einer anderen Person gehören, die aber nach der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu dem zivilrechtlichen Rechtsinhaber und nach den tatsächlichen Verhältnissen wirtschaftlich Bestandteil seines Vermögens sind (vgl. BFH-Urteil vom 26.1.1970 IV R 144/66; Literatur).

 

Normenkette

AO 1977 § 39; EStDV § 74; EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5; HGB § 39 Abs. 1-2, §§ 240, 242; StAnpG § 11

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 08.06.1984; Aktenzeichen II 219/81)

 

Tatbestand

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schwimmende Ware aktivieren und für die Ware eine Preissteigerungsrücklage nach § 74 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) bilden durfte.

1. Die Klägerin ist eine in Liquidation befindliche GmbH, deren Geschäftsgegenstand den Handel mit Rohkaffee umfaßt. Das Wirtschaftsjahr der GmbH endete jeweils am 30.Juni.

2. a) Die Klägerin kaufte am 10.Mai 1976 631 Sack abessinischen Rohkaffee für 112 822,80 Dollar (im Wert von 289 954,59 DM)"FOB Djibuti, netto Verschiffungsgewicht" (Partie I). Am 26.Mai 1976 verkaufte sie die Ware "FOB Djibuti oder Assab, Abladegewicht" an die Firma A in Bremen weiter. In der hierüber ausgestellten Verkaufsbestätigung heißt es u.a. "Die Partie wird von den Verkäufern als Bestand per 30.6.76 im Sinne der steuerlichen Abschreibungsgesetze geführt".

Die Partie I wurde am 5.Juni 1976 in Assab auf M.S. ... nach Hamburg, Option Bremen, verladen. Das darüber ausgestellte Konnossement lautet auf die Commercial Bank of Ethiopia S.C. und wurde von dieser blanko indossiert. Als zu benachrichtigende Adresse (notify address) ist die Klägerin angegeben. Die Ware traf am 6.Juli 1976 in Bremen ein und wurde dort eingelagert.

Mit Schreiben vom 2.August 1976 erhielt die Klägerin von dem Bankhaus C, bei dem sie für die Bezahlung der Warenschuld ein Akkreditiv hatte eröffnen lassen, drei Handelsrechnungen, zwei Ursprungszeugnisse und zwei der drei Ausfertigungen des Konnossements blanco indossiert von der Commercial Bank of Ethiopia S.C. zu treuen Händen mit der Bitte um Entscheidung, ob aus dem Akkreditiv gezahlt werden könne.

Die Klägerin gab die Unterlagen an die Firma A mit der Bitte weiter, sich der Dokumente erst nach Zahlung des Rechnungsbetrags zu bedienen. Die Klägerin teilte der Firma A ferner mit, daß bezüglich der dritten Ausfertigung des Konnossements die Übersendung der Ware aus Äthiopien bereits angezeigt sei und daß es nach Erhalt sofort übersandt werden werde.

b) Die Klägerin kaufte am 18.Juni 1976 von der Firma B, Hamburg, 750 Sack brasilianischen Rohkaffee für 137 700 Dollar (im Werte von 353 889 DM) "CIF Hamburg, Hamburger Kaineugewicht" (Partie II). In dem Vertrag heißt es u.a. "Die Herren Verkäufer bestätigen, daß alle Dokumente (Rechnung, Konnossemente, etc.) ein Juni 1976 Datum tragen werden." Die gekaufte Ware war Teil einer Gesamtpartie von 12 500 Sack Rohkaffee, die am 22.Juni 1976 von Santos auf der M.S. ... verschifft wurde. Das darüber ausgestellte Konnossement Nr.7 lautet auf das Instituto Brasileiro do Cafe to order und wurde von diesem blanco indossiert.

Die Ware traf am 8.Juli 1976 in Hamburg ein und wurde bis zum 23.Juli 1976 gelöscht. Auf Grund eines auf das Konnossement Nr.7 bezogenen Auslieferungsauftrags vom 8.Juli 1976 wurden die gekauften 750 Sack Rohkaffee aus der Gesamtpartie an die Klägerin geliefert.

3. In der Bilanz zum 30.Juni 1976 wies die Klägerin die Partien I und II als Warenbestand und die noch nicht beglichenen Kaufpreise als Verbindlichkeiten aus. Sie bildete Preissteigerungsrücklagen

von 148 045,84 DM für die Partie I und

von 209 646,-- DM für die Partie II.

4. Die Klägerin wurde zunächst für 1976 nach § 164 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer veranlagt. Nach einer Betriebsprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, die Voraussetzungen für die Aktivierung der Partien I und II hätten am 30.Juni 1976 nicht vorgelegen. Statt der Partie I sei die Kaufpreisforderung gegen die Firma A zu aktivieren, und hinsichtlich der Partie II liege ein schwebendes Geschäft vor.

Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit der Begründung ab, schwimmende Ware könne erst bilanziert werden, wenn am Bilanzstichtag wenigstens die Konnossemente in den Machtbereich des Käufers gelangt seien. Dies sei bei beiden Partien nicht der Fall gewesen. Auf Grund der geänderten Beurteilung in der Einspruchsentscheidung ergab sich eine um 1 551 DM auf 28 881 DM erhöhte Körperschaftsteuer.

Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) einen Verlust des Jahres 1977 --wie vom FA bei der Körperschaftsteuerveranlagung für 1977 ermittelt-- mit 74 356 DM statt wie in der Einspruchsentscheidung mit 74 306 DM berücksichtigte. Im übrigen wies das FG die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1985, 65). Die Klägerin habe die schwimmende Ware weder aktivieren noch dafür eine Preissteigerungsrücklage bilden dürfen, da die Klägerin weder Eigentümerin der gekauften Ware geworden sei noch vor dem Bilanzstichtag die Verfügungsmacht darüber erlangt habe.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Für die Zugehörigkeit der schwimmenden Ware zum Betriebsvermögen der Klägerin sei die durch den Besitz an den Konnossementen vermittelte Verfügungsmacht nicht entscheidungserheblich. Dies zeige sich an der Beurteilung ähnlicher bereits entschiedener Fälle. Sicherungsübereignete Sachen würden als Bestandteil des Vermögens des Sicherungsgebers angesehen, die der Sicherungsgeber verkaufen und gemäß § 931 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) übereignen könne, auch wenn dies dem Vertrag mit dem Sicherungsgeber widerspreche. Entsprechend würden auch Leasingsachen bei hinreichend langer vertraglicher Nutzungsdauer dem Leasingnehmer zugerechnet, obwohl der Leasinggeber die Sache verkaufen und gemäß § 931 BGB übereignen könne. Entscheidend sei nicht, ob der zivilrechtlich Verfügungsberechtigte die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit habe, abredewidrig die wirtschaftliche Nutzung der Sache zu beenden oder zu verhindern. Entscheidend sei vielmehr der nach dem Vertragsinhalt typische Geschehensablauf. Für die Zurechnung gekaufter Ware sei also von einem vertragstreuen Verhalten der Partner auszugehen. Dabei gehe im Zeitpunkt des Gefahrübergangs das Risiko des zufälligen Untergangs auf den Käufer über, während der Verkäufer den Anspruch auf den Kaufpreis behalte. Dies sei für die Zurechnung der Ware zum Vermögen des Käufers entscheidend. Denn aus den grundsätzlich auch für das geltende Recht zutreffenden Rechtssatz casum sentit dominus folge, daß, wer den Schaden zu tragen habe, auch der "dominus", also der wirtschaftliche Eigentümer sein müsse. Für den Verkäufer (Ablader) sei das Geschäft mit der Verschiffung unter gleichzeitigem Gefahrübergang wirtschaftlich abgeschlossen. Regelmäßig könne er sich ab diesem Zeitpunkt auch des Akkreditivs bedienen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 8.Juni 1984 aufzuheben und den Bescheid des FA vom 9.April 1980 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung des FA vom 8.Juli 1981 dahin zu ändern, daß die Körperschaftsteuer 1976 auf null DM festgesetzt werde.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet; sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die Aktivierung der Warenpartien I und II abgelehnt und die Bildung einer Preissteigerungsrücklage dafür nicht zugelassen.

1. Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, können für Waren und andere Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, deren Wiederbeschaffungspreis seit dem letzten Bilanzstichtag um mehr als 10 v.H. gestiegen ist, eine den steuerlichen Gewinn mindernde Preissteigerungsrücklage bilden (§ 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.b EStG 1975, § 74 EStDV). Die Bildung der Preissteigerungsrücklage setzt die Aktivierung der Wirtschaftsgüter in der Bilanz des Steuerpflichtigen voraus (§ 74 Abs.3 EStDV; s. auch § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.b EStG).

Die Klägerin erfüllt die persönlichen Voraussetzungen für die Bildung der Preissteigerungsrücklage. Sie gehört als inländische GmbH zu den nach § 1 Abs.1 Nr.1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1975 subjektiv unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften. Ihr Einkommen ist nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln (§ 6 Abs.1 KStG 1975). Für die Gewinnermittlung der Klägerin gilt § 5 EStG; denn die Klägerin war als GmbH eine Handelsgesellschaft (§ 13 Abs.3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--), auf die die Kaufleute betreffenden Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) Anwendung finden (§ 6 Abs.1 HGB). Die Klägerin war deshalb --wie in § 74 Abs.1 EStDV vorausgesetzt-- nach § 38 Abs.1, § 39 Abs.2 HGB in der für das Streitjahr geltenden früheren Fassung --a.F.-- (s. nunmehr § 238 Abs.1 Satz 1, § 242 Abs.1 HGB) verpflichtet, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen.

3. Die gekauften Warenpartien I und II gehörten am Bilanzstichtag des Streitjahres nicht zu dem von der Klägerin auszuweisenden Vermögen und durften daher von ihr nicht aktiviert werden, so daß auch eine Preissteigerungsrücklage nicht gebildet werden durfte.

a) aa) Bei G ewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs.1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs.1 EStG). Handelsrechtlich hat der Kaufmann nur "seine" Vermögensgegenstände auszuweisen (§ 39 Abs.1, Abs.2 HGB a.F.; §§ 240, 242 HGB). Bestandteil des Vermögens des Kaufmanns sind die ihm zivilrechtlich gehörenden Vermögensgegenstände sowie solche, die zivilrechtlich zwar einer anderen Person gehören, die aber nach der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu dem zivilrechtlichen Rechtsinhaber und nach den tatsächlichen Verhältnissen wirtschaftlich Bestandteil seines Vermögens sind; sog. wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit (s. dazu Adler/Düring/Schmaltz, Rechtsauslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, Bd.I, 4.Aufl., 1968, § 149 Rz.31; Kropff in Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, Kommentar zum Aktiengesetz, Bd.III, 1973, § 149 Rz.52; Gördeler/Müller in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7.Aufl., Bd.II, 1979, § 42 Rz.55/56; Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 2.Aufl., 1987, II., Rz.172; Roland, Der Begriff des Vermögensgegenstandes im Sinne der handels- und aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften, Dissertation Göttingen 1979, S.115 bis 119, m.w.N.; WP-Handbuch 1985/86, Bd.I, S.537, Bd.II, S.36 f.; dasselbe ergibt sich auch aus § 11 des Steueranpassungsgesetzes --StAnpG-- bzw. § 39 AO 1977; vgl. BFH-Urteil vom 26.Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264, 272 zum Finanzierungs-Leasing; s. ferner L.Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7.Aufl., § 5 Anm.19, m.w.N.; Budde/Karig in Beck'scher Bilanzkommentar, 1986, § 246 Rz.4 ff.).

bb) Gekaufte Waren gehören wirtschaftlich zum Vermögen des Kaufmanns, sobald er die Verfügungsmacht darüber erlangt hat (BFH-Urteil vom 9.Februar 1972 I R 23/69, BFHE 105, 344, BStBl II 1972, 563; Urteil des FG Düsseldorf vom 25.Mai 1982 VII (XI) 133/79 F, EFG 1983, 13; Kropff, a.a.O., § 149 Rz.53,70/71; Gördeler/Müller in Hachenburg, a.a.O., § 42 Rz.80). Verfügungsmacht über Sachen (§ 90 BGB) bedeutet --unmittelbaren oder mittelbaren-- Besitz an ihnen.

Durch die Erlangung des Besitzes wird gekaufte Ware wirtschaftlich dem Vermögen des Kaufmanns zugeordnet, wenn der Eigentumserwerb noch aussteht; denn durch den Besitz in Verbindung mit der vertraglichen Berechtigung zur Benutzung oder Weiterveräußerung der Sachen ist der Kaufmann instand gesetzt, darüber unter Ausschluß des Eigentümers zu verfügen oder sie ungestört zu nutzen. Der Verkäufer kann die Ware vor dem Rücktritt nicht zurückfordern (§ 986 Abs.1, §§ 433, 455, 346 BGB). Gegenüber Dritten, die ihr Eigentum nach der Besitzerlangung des Käufers gemäß § 931 BGB vom Verkäufer erworben haben, kann der Käufer die Herausgabe nach § 986 Abs.2 BGB verweigern. Im übrigen ist er gegen Besitzverlust durch § 1007 BGB geschützt. Gegen Pfändungen durch Gläubiger des Verkäufers kann er sich nach § 771 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verteidigen (vgl. Thomas/Putzo, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 15.Aufl. 1987, § 809 Anm.3 b).

b) aa) Im Streitfall sind die gekauften Waren der Klägerin nicht vor dem Bilanzstichtag übereignet worden, wie das FG zutreffend dargelegt hat. Insoweit erhebt die Klägerin mit der Revision keine Bedenken.

bb) Die Klägerin hat auch vor dem Bilanzstichtag nicht den Besitz an den gekauften Warenpartien erlangt.

Die Konnossemente über die Partie I erhielt sie nach dem Bilanzstichtag. Erst dadurch wurde der Anspruch auf Herausgabe der eingelagerten Warenpartie und der mittelbare Besitz daran übertragen (§ 650 HGB; vgl. Schaps/Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4.Aufl., 1.Teil --Seehandelsrecht--, 1978, § 650 Rz.2; zur Abgrenzung gegenüber der Abtretung des mittelbaren Besitzes nach § 870 BGB s. K.Schmidt, Handelsrecht, 2.Aufl., 1982, § 23 III.2.b, dd, S.528).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels dagegen erhobener Rügen gebunden ist (§ 118 Abs.2 FGO), hat die Klägerin ein Konnossement über die Warenpartie II nicht erhalten, sondern die Ware wurde ihr nach dem Bilanzstichtag aufgrund des am 8.Juli 1976 ausgestellten Auslieferungsscheins ausgehändigt. Die Klägerin erlangte deshalb die Verfügungsmacht über die Partie II erst nach dem Bilanzstichtag, ohne daß es wegen der Ausstellung des Auslieferungsscheins nach dem Bilanzstichtag weiterer Feststellungen über die Art des Auslieferungsscheins bedarf (vgl. zu den verschiedenen Arten von Auslieferungsscheinen und ihrer Rechtswirkungen Schaps/Abraham, a.a.O., § 648 Rz.9 bis 12).

cc) Aus dem Umstand, daß die Warenpartien schon vor dem Bilanzstichtag verschifft wurden, so daß die Preisgefahr (§ 446 BGB) hinsichtlich der Partie I nach Art.A.4 der vereinbarten FOB-Klausel der Incoterms 1953 und hinsichtlich der Partie II nach Art.A.6 der vereinbarten cif-Klausel der Incoterms 1953 mit der Verbringung an Bord des Schiffes auf die Klägerin überging, folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nichts anderes; denn bis zum Erhalt des Konnossements bzw. des Auslieferungsscheins war der Ablader bzw. der jeweilige berechtigte Inhaber des Konnossements noch hinsichtlich der Ware verfügungsbefugt, wie sich aus § 654 HGB ergibt (vgl. auch §§ 408, 433 HGB). Wegen des Fortbestehens der Verfügungsbefugnis des Verkäufers beim Versendungskauf vermag der Senat auch nicht Adler/Düring/Schmaltz (a.a.O., § 149 Rz.41) und dem WP-Handbuch 1985/86 (Bd.I, S.596, Bd.II, S.161) darin zu folgen, gekaufte Waren könnten ab dem Übergang der Preisgefahr vom Käufer aktiviert werden. Mit der Absendung der Waren (so Schäfer, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Forderungen, 1971, S.17 ff.; Leffson, Die Grundsätze 7.Aufl. 1987, S.267, mit dem zutreffenden Hinweis, daß im Überseehandel der Zeitpunkt des Gefahrübergangs meist nicht mit dem Zeitpunkt des Ausgangs des Gutes aus dem Bereich der Unternehmung zusammenfalle) oder mit dem Gefahrübergang (§ 447 BGB; s. dazu Lüders, Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung im Handels- und Steuerbilanzrecht, Dissertation Bonn 1987, S.82 f.; Woerner, Betriebs-Berater --BB-- 1988, 769, 773, 775) mag bei regelmäßiger Abwicklung das Schweben des Verkaufsgeschäfts für den Verkäufer beendet sein. Mit dem Übergang der Preisgefahr verliert der Käufer die Einrede aus § 323 Abs.1 BGB (vgl. Jauernig/Vollkommer, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4.Aufl. 1987, § 447 Anm.1 a, dd). Daraus folgt aber nicht die Zugehörigkeit der Kaufsache zu seinem Vermögen. Auch berechtigt das Gebot, das Vermögen in der Bilanz nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen, nicht dazu, von der sowohl handelsrechtlich (§§ 38, 39 HGB a.F., §§ 238, 242 HGB) als auch steuerrechtlich (§ 4 Abs.1 Satz 1, § 5 Abs.1 EStG) bestehenden Voraussetzung abzusehen, nur das dem Kaufmann gehörende Vermögen bzw. Betriebsvermögen (s. dazu Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Anm.30; Schmidt, a.a.O., § 5Anm.19) in seiner Jahresschlußbilanz zu aktivieren.

dd) Soweit die Klägerin meint, die Aktivierung von unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sachen beim Käufer und sicherungsübereigneten Sachen beim Sicherungsgeber und die nach der Rechtsprechung (BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264) gebotene Aktivierung von Finanzierungs-Leasing-Sachen beim Leasingnehmer sei mit dem Streitfall vergleichbar, verkennt sie, daß in diesen Fällen die Aktivierung der Sache beim Vorbehaltskäufer, Sicherungsgeber bzw. Leasingnehmer davon abhängt, daß die Sachen sich im Besitz des Vorbehaltskäufers, des Sicherungsgebers bzw. des Leasingnehmers befinden. Der Senat vermag der Klägerin auch nicht darin zuzustimmen, die Erwägungen des BFH-Urteils vom 9.Februar 1978 IV R 201/74 (BFHE 124, 520, BStBl II 1978, 370), mit dem die Aktivierbarkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursachter künftiger Ansprüche (Umsatzprämien) bejaht wurde, sprächen im Streitfall für die Aktivierung der gekauften aber noch nicht gelieferten Waren. Denn unbeschadet der Problematik der Aktivierung künftiger Ansprüche (s. dazu Knobbe/Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 6.Aufl., 1987, § 4 III.4., S.64; ablehnend Lüders, a.a.O., S.95 ff.) fehlt es an einer Vergleichbarkeit mit dem Streitfall deshalb, weil einerseits die Nichtaktivierbarkeit einer Sachleistungsforderung aus einem schwebenden Liefergeschäft nicht zweifelhaft sein kann und weil andererseits die Wahrscheinlichkeit der Vertragserfüllung durch den Verkäufer kein hinreichender Grund für die Aktivierung der künftig zu liefernden Kaufsache ist, da diese --wie dargelegt-- noch nicht zum Vermögen des Käufers gehört.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62112

BFH/NV 1988, 2

BStBl II 1989, 21

BFHE 154, 321

BFHE 1989, 321

BB 1988, 2350-2352 (LT)

DB 1988, 2604-2605 (LT)

DStR 1988, 777 (KT)

HFR 1989, 237 (LT)

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