Leitsatz (amtlich)

Die Befreiungsvorschrift des § 11 des Abschlußgesetzes zum Art. 41 der hessischen Verfassung vom 6. Juli 1954 (GVBl. 1954 S. 126) über Befreiung von Kapitalverkehrsteuern ist nur auf Rechtsvorgänge anwendbar, die das Abschlußgesetz selbst zur überführung eines Bergbaubetriebes usw. in Gemeineigentum vorsieht.

Derartige steuerbefreite Rechtsvorgänge sieht das Abschlußgesetz nur bei den selbständigen Rechtsträgern des Gemeineigentums vor, auf welche die von Art. 41 Abs. 1 Ziff. 1 der hessischen Verfassung erfaßten Vermögensgegenstände zu übertragen sind, nicht dagegen für Rechtsvorgänge bei den früheren Eigentümern dieser Gegenstände.

Verfassung des Landes Hessen Art. 41 Abs. 1 Ziff. 1; Abschlußgesetz zum Art. 41 der hessischen

 

Normenkette

VerfHE 41/1/1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Kapitalerhöhung, die mit der Veräußerung aller Gesellschaftsrechte verbunden ist, nach § 11 Abs. 1 des Abschlußgesetzes zum Art. 41 der hessischen Verfassung vom 6. Juli 1954 (GVBl 1954 S. 126) - Abschlußgesetz - von der Gesellschaftsteuer befreit ist.

Durch Vertrag vom 25. November 1954 hat das Land Hessen auf Grund einer Vollmacht der ehemaligen Gesellschafterin der Bfin. - der X.-AG - deren sämtliche Geschäftsanteile an die Y.-AG abgetreten. In dem gleichen Vertrag sagte die Y.-AG, nachdem sie diese Abtretung angenommen hatte, zu, das Stammkapital der Bfin. um ... DM zu erhöhen. Das Land Hessen verpflichtete sich, die neu zu bildende Stammeinlage durch Einbringen seiner ihm gegen die Bfin. zustehenden Darlehnsforderung zu übernehmen und der Y.-AG diesen zu bildenden Geschäftsanteil auf deren Verlangen, jedoch frühestens am 1. Januar 1960, abzutreten. Entsprechend dieser Vereinbarung wurde in einer späteren Gesellschafterversammlung das Stammkapital der Bfin. um ... DM erhöht.

Das Finanzamt sah hierin einen steuerpflichtigen Rechtsvorgang im Sinne von § 2 Ziff. 1 KVStG 1934; es setzte dementsprechend die Gesellschaftsteuer fest.

Die Bfin. wandte sich unter Berufung auf § 11 Abs. 1 des Abschlußgesetzes gegen die Steueranforderung mit der Begründung, die Erhöhung ihres Stammkapitals sei im Hinblick auf § 1 Nr. 2 letzter Halbsatz des Gesetzes eine zur Durchführung der Sozialisierung gebotene Maßnahme.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat entschieden, daß der Anspruch der Bfin. auf Freistellung von der Steuer aus keinem der in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte gerechtfertigt sei. Fordere man eine unmittelbare Beteiligung der öffentlichen Hand an den selbständigen Rechtsträgern nach § 1 des Abschlußgesetzes, so scheitere das Begehren der Bfin. daran, daß diese Beteiligung nicht erreicht werde. Sei man dagegen der Ansicht, daß auch eine mittelbare Beteiligung der öffentlichen Hand genüge, so sei eine Beteiligung des Landes Hessen nicht erforderlich gewesen, da die Gesellschaftsanteile der Y.-AG sich bereits zu ... v. H. unmittelbar und zu ... v. H. mittelbar im öffentlichen Besitz befunden hätten und das Abschlußgesetz nicht zwingend die Beteiligung des Landes Hessen an dem Rechtsträger vorschreibe. Schließlich spreche auch der Umstand, daß das Land Hessen lediglich seine Gläubigerrechte für eine begrenzte Zeit durch Gesellschaftsrechte ersetzt habe, nicht dafür, daß die Kapitalerhöhung der Beteiligung der öffentlichen Hand an einem Rechtsträger des Gemeineigentums gedient habe.

In der Rb. macht die Bfin. geltend, die Vorinstanz habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Beteiligten bei der Spezialisierung im Rahmen des Abschlußgesetzes Gestaltungsfreiheit zur überführung des Bergbauvermögens auf die neuen Rechtsträger des Gemeineigentums gehabt hätten. Alle Abmachungen hätten sich in diesem Rahmen bewegt, um unter Mitbeteiligung des Landes Hessen das Bergbauvermögen stufenweise auf Rechtsträger des Gemeineigentums zu übertragen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Nach § 11 Abs. 1 des Abschlußgesetzes sind Rechtsgeschäfte und sonstige Rechtsvorgänge zur Durchführung des Gesetzes von der Grunderwerbsteuer und den Kapitalverkehrsteuern frei. Wie sich der Gesetzgeber die Durchführung des Gesetzes vorgestellt hat, geht aus § 1 des Gesetzes hervor. Er besagt:

"Rechtsinhaber der von Artikel 41 Absatz 1 Ziffer 1 der hessischen Verfassung erfaßten Vermögensgegenstände ist das Land. Es hat die Vermögensgegenstände innerhalb eines Jahres auf selbständige Rechtsträger des Gemeineigentums durch Rechtsgeschäft zu übertragen. Als solche sind anzusehen:

Juristische Personen des öffentlichen Rechts.

Gesellschaften des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, wenn die öffentliche Hand, insbesondere das Land, mehr als die Hälfte der Gesellschaftsanteile bereits innehat oder bei der übertragung erwirbt."

Hieraus folgt, wie die Bfin. in ihrer Einspruchsbegründung gegen eine andere, auf § 2 Ziff. 3 b KVStG 1934 gestützte Steuerfestsetzung zutreffend bemerkt hat, daß durch Art. 41 Abs. 1 Ziff. 1 der Verfassung des Landes Hessen den bisherigen Rechtsträgern nur das Eigentum an den dem Bergbau dienenden Gegenständen des Betriebsvermögens entzogen worden ist (vgl. auch das Urteil des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen P. St. 76 vom 6. Juni 1952, Staatsanzeiger für das Land Hessen 1952 S. 516, Ziff. I des Urteilstenors und Abschn. IX der Gründe; Zinn-Stein, Die Verfassung des Landes Hessen, 1. Band 1954, Art. 41 Anm. 5, Art. 37 Anm. 6). Dagegen sieht das Gesetz nicht vor, die Unternehmen als solche in Gemeineigentum zu überführen. Verfügte ein betroffenes Unternehmen ausschließlich über einen Betrieb, der durch Art. 41 Abs. 1 der hessischen Verfassung in Gemeineigentum überführt worden ist, also über die personellen, sachlichen und immateriellen Mittel zur Erreichung eines in der Verfassung näher bestimmten technischen Zwecks, so besaß der Inhaber des Unternehmens, mag er eine natürliche oder juristische Person sein, nur noch einen Entschädigungsanspruch gemäß §§ 6 bis 10 des Abschlußgesetzes. Das Unternehmen als solches und die Gesellschaft, der es gegebenenfalls gehörte, blieben aber von der Sozialisierung unberührt. Wurde diesen Rechtsträgern das Eigentum entzogen, so mußte es notwendigerweise auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Diese Regelung findet sich im § 1 des Abschlußgesetzes. Eine andere Regelung, etwa die übertragung der Gesellschaftsanteile, sieht das Gesetz zur Durchführung der Sozialisierung nicht vor.

Wenn § 11 Abs. 1 des Abschlußgesetzes besagt, daß Rechtsgeschäfte und sonstige Rechtsvorgänge zur Durchführung des Gesetzes von den Kapitalverkehrsteuern frei sind, so können darunter nur Rechtsgeschäfte verstanden werden, die das Gesetz als Weg zur überführung von Privateigentum in Gemeineigentum vorgesehen hat. Ist aber nach § 1 des Gesetzes die übertragung des Eigentums an bestimmten Vermögensgegenständen auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eine Gesellschaft des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit vorgeschrieben, so kann sich die Befreiungsvorschrift nur auf Rechtsvorgänge bei der Gesellschaft beziehen, die das in Gemeineigentum überführte Betriebsvermögen aufnimmt. Derartige Rechtsvorgänge können zum Beispiel sein der Ersterwerb von Gesellschaftsrechten aus Anlaß der Gründung einer Auffanggesellschaft oder aus Anlaß einer durch die überführung in Gemeineigentum bedingten Kapitalerhöhung bei dieser Gesellschaft oder die Veräußerung von Geschäftsanteilen an die öffentliche Hand zur Erreichung der vorgesehenen - mehr als fünfzigprozentigen - Beteiligung. Weitere, nur bei dieser Gelegenheit getätigte Rechtsvorgänge sind nicht von der Steuer befreit, da es sich bei ihnen nicht mehr um Rechtsvorgänge "zur" Durchführung des Gesetzes handelt. Es gelten hier die gleichen Grundsätze, die der erkennende Senat bei der Steuerbefreiung aus Anlaß der Rückerstattung aufgestellt hat. Dort werden private Vereinbarungen nur dann als steuerfrei anerkannt, wenn die vereinbarte Regelung im Gesetz selbst als Maßnahme der Rückerstattung vorgesehen ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 154/52 U vom 24. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 225, Slg. Bd. 57 S. 587, und II 175/58 vom 26. Oktober 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 Nr. 62 S. 67).

Entgegen der im Abschlußgesetz vorgesehenen übertragung der Vermögensgegenstände des Bergbaubetriebes der Bfin. auf einen Rechtsträger des Gemeineigentums hat die Gesellschafterin der Bfin. ihre Geschäftsanteile an eine Gesellschaft des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit veräußert, deren Anteile sich überdies nur mittelbar zu über 50 v. H. im Besitz der öffentlichen Hand befanden. Eine derartige Maßnahme zur Durchführung der Sozialisierung sieht das Abschlußgesetz nicht vor. Diese Maßnahme hält sich insbesondere, entgegen der von der Bfin. vertretenen Meinung, nicht im Rahmen der durch das Abschlußgesetz eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Das hat zur Folge, daß auch die Befreiungsvorschrift auf diese Gestaltung der Rechtsvorgänge nicht angewandt werden kann. Ist hiernach schon die übertragung der Gesellschaftsanteile selbst steuerpflichtig, löst die Erhöhung des Stammkapitals bei der Bfin. als der übergehenden, nicht das Vermögen des Bergbaubetriebes aufnehmenden Gesellschaft erst recht die Gesellschaftsteuerpflicht aus. Daher hat das Finanzgericht im Ergebnis zu Recht die Steuerpflicht des mit der Kapitalerhöhung verbundenen Rechtsvorganges bejaht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410816

BStBl III 1963, 364

BFHE 1964, 129

BFHE 77, 129

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