Leitsatz (amtlich)

1. Der III. Senat schließt sich der in der Entscheidung des IV. Senats vom 2. März 1951 IV 16/51 S (BStBl. 1951 III S. 81) vertretenen Auffassung über die Bedeutung der Mitwirkung der Steuerausschüsse im Einspruchsverfahren an.

2. Die Steuerausschüsse haben nach § 24 Absatz 3 in Verbindung mit § 24 Absatz 1 Ziffer 1 FVG auch über Einsprüche gegen Fortschreibungsbescheide (Wert-, Artund Zurechnungsfortschreibung) und gegen Bescheide, die eine beantragte Fortschreibung ablehnen, zu entscheiden.

 

Tatbestand

I.

Sachlich geht der Streit darum, wem das Mietwohngrundstück H auf den Stichtag der Soforthilfeabgabe (21. Juni 1948) zuzurechnen ist. Das Finanzamt steht auf dem Standpunkt, daß das Grundstück, das durch Zurechnungsfortschreibungsbescheid vom 25. Februar 1939 der Witwe des 1937 verstorbenen Dr. Z zugeschrieben worden war, der -- inzwischen am 8. September 1948 verstorbenen -- Witwe allein zuzurechnen sei. Demgegenüber vertreten die auf Ableben ihrer Mutter in Erbengemeinschaft handelnden sechs Kinder der Eheleute Z die nunmehr auf Grund Erbfolge gegebenenfalls die Soforthilfeabgabe aus dem Grundstück zu entrichten hätten, die Auffassung, das strittige Grundstück sei schon mit seinem Erwerb aus Mitteln des Nachlasses des Vaters zu 3/4 auf die Kinder und nur zu 1/4 auf die Mutter übergegangen, so daß am 21. Juni 1948, an dem diese Eigentumsverhältnisse noch bestanden hätten, die einzelnen Grundstücksanteile unter die Freigrenze des § 15 Absatz 1 Soforthilfegesetz (SHG) gefallen seien.

Um eine ihrem Vorbringen entsprechende Zurechnung des Grundstücks zu erreichen, hat die Erbengemeinschaft Antrag auf entsprechende Zurechnungsfortschreibung zum 21. Juni 1948 gestellt. Gegen den diesen Antrag ablehnenden Bescheid des Finanzamts legte die Erbengemeinschaft Einspruch ein. Der Einspruch wurde durch Bescheid vom 13. Oktober 1950 durch das Finanzamt -- ohne Mitwirkung des Steuerausschusses -- als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung der Erbengemeinschaft hat das Finanzgericht die Einspruchsentscheidung, ohne sachlich auf den Streit einzugehen, wegen Nichtmitwirkung des Steuerausschusses aufgehoben und die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Sie muß, wenn auch aus anderen als den vorgebrachten Gründen, zur Aufhebung der Finanzgerichts-Entscheidung führen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Nach § 23 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) vom 6. September 1950 (Bundesgesetzblatt -- BGBl. -- S. 448) sind bei den Finanzämtern, die Steuern vom Einkommen oder vom Vermögen verwalten, ein oder mehrere Steuerausschüsse zu bilden, die unter anderem nach § 24 Absatz 3 FVG über Einsprüche gegen bestimmte Steuerfeststellungen oder Steuerfestsetzungen entscheiden. Nach § 41 FVG ist dieses Gesetz am Tage nach seiner Verkündung, die am 8. September 1950 erfolgte, mithin am 9. September 1950 in Kraft getreten. Hiernach ist zu untersuchen, welche Rechtsfolgen die Nichtbeiziehung des Steuerausschusses bei der Einspruchentscheidung vom 13. Oktober 1950 hat.

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat zunächst ausgeführt, Einsprüche, die nicht die Einheits wert feststellung, sondern lediglich die Zurechnung zum Gegenstand hätten, unterlägen überhaupt nicht der Zuständigkeit des Steuerausschusses nach § 24 Absatz 3 in Verbindung mit Absatz 1 FVG. Die Frage, wem eine wirtschaftliche Einheit zuzurechnen sei, habe gegenüber der Feststellung des Wertes der Einheit nur sekundäre und mehr formale Bedeutung und liege zudem im wesentlichen auf rein rechtlichem Gebiet. Es sei daher nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber den Steuerausschuß im Einspruchsverfahren obligatorisch an Zurechnungsfortschreibungen habe beteiligen wollen. Dieser Einwand des Bf. geht fehl. Nach § 24 Absatz 3 in Verbindung mit § 24 Absatz 1 FVG entscheidet der Steuerausschuß unter anderem über die Einsprüche, die sich gegen die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 214 der Reichsabgabenordnung (AO) richten. Dieser gesonderten Feststellung unterliegt der der Besteuerung zugrunde zu legende Einheitswert für die wirtschaftlichen Einheiten, so auch der Einheitswert für nicht zu einem Gewerbebetrieb gehörige Grundstücke (§ 214 Ziffer 1 AO). Der Feststellung des Einheitswerts nach § 214 AO, die eine wirtschaftliche Einheit nach Wert, Art und Zurechnung festlegt, sind nach § 225a AO gleichgestellt die sogenannten Fortschreibungen, die nichts anderes bedeuten als den Ersatz eines Feststellungsbescheids im Sinne des § 214 AO (bzw. § 215 Absatz 1 AO) durch einen neuen Feststellungsbescheid, wobei es sich um Änderungen im Wert, in der Art und in der Zurechnung des Gegenstandes handeln kann. Alle diese Fortschreibungen sind den ursprünglichen Feststellungen bezüglich des Rechtsschutzes gleichzustellen und daher im Einspruchsverfahren durch den Steuerausschuß nach § 24 Absatz 3 FVG zu bescheiden, wobei kein Unterschied zwischen einem Fortschreibungsbescheid und einem eine beantragte Fortschreibung ablehnenden Bescheid zu machen ist (§ 225a Absatz 2 in Verbindung mit § 235 Ziffer 1 AO).

Oblag hiernach die Entscheidung über den Einspruch grundsätzlich nach § 24 Absatz 3 FVG dem Steuerausschuß, so fragt sich nur noch, ob die Beiziehung des Ausschusses, wie der Bf. meint, solange ohne weiteres unterbleiben könnte, als die Steuerausschüsse noch nicht gebildet waren, oder ob eine Nichtbeiziehung das Fehlen einer Verfahrungsvoraussetzung darstellt mit der Folge, daß die Angelegenheit an das Finanzamt bzw. den Steuerausschuß zurückzuverweisen ist (so Auffassung des Finanzgerichts), oder ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, der unter Umständen durch das Finanzgericht selbst geheilt werden kann.

Der IV. Senat, dem die gleiche Frage zur Entscheidung vorlag, hat in dem veröffentlichten Urteil vom 2. März 1951 IV 16/51 S (BStBl. 1951 III S. 81) ausgeführt, die auf Grund des Gesetzes über die Finanzverwaltung vom 6. September 1950 (FVG) zu bildenden Steuerausschüsse seien für die ihnen zugewiesenen Aufgaben mit dem Inkrafttreten des Gesetzes (9. September 1950) zuständig geworden. Die Steuerausschüsse stellten jedoch keine besonderen Rechtsmittelbehörden dar, so daß bei einer Entscheidung allein durch das Finanzamt -- entgegen dem § 24 Absatz 3 FVG -- keine Verletzung des Instanzenzuges, sondern ein wesentlicher Verfahrensmangel mit den sich aus §§ 284 Absatz 1, 288 Ziffer 2 AO ergebenden Folgen vorliege.

Der erkennende Senat tritt diesen Ausführungen bei. Hiernach war die Vorentscheidung aufzuheben. Grundsätzlich hat, wenn das Verfahren des Finanzamts an wesentlichen Mängeln leidet, das Finanzgericht nach § 284 Absatz 1 Satz 1 AO gleichwohl in der Sache zu entscheiden. Eine Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt ist nur aus besonderen Gründen zulässig (§ 284 Absatz 1 Satz 2 AO). Bei Anwendung des § 284 Absatz 1 AO auf einen Fall, in dem wie hier bei Nichtzurückverweisung der Steuerpflichtige der Mitwirkung des Steuerausschusses verlustig geht, wird man allerdings grundsätzlich anzunehmen haben, daß eine Zurückverweisung mindestens dann geboten ist, wenn der Steuerpflichtige (Stpfl.) auf eine Entscheidung durch den Steuerausschuß besonderen Wert legt. Im vorliegenden Fall hat jedoch der Stpfl. eindeutig zu erkennen gegeben, daß er auf eine Zurückverweisung an das Finanzamt und amit auf eine Mitwirkung des Steuerausschusses keinen Wert legt, vielmehr im Interesse einer beschleunigten Entscheidung über die strittige Rechtsfrage nunmehr alsbald ein Urteil des Finanzgerichts erwartet.

Die Sache war daher unter Aufhebung der Vorentscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen, das nunmehr den Streitfall sachlich zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407209

BStBl III 1951, 103

BFHE 1952, 267

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