Leitsatz (amtlich)

1. Besteht der Erbbauzins in der Einräumung eines Dauerwohnrechts, so liegen bei Verzicht auf die Eigennutzung der Räume zwecks Vermietung zur Erzielung von Einkünften Werbungskosten vor.

2. Negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fallen nicht an, wenn der erzielte Mietzins in Erfüllung des Satzungszweckes des Vermieters hinter den Selbstkosten zurückbleibt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 21; KStG § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (Kläger) - ein eingetragener Verein - ist Eigentümer eines ehemals kriegszerstörten Grundstücks, an dem er mangels der zum Wiederaufbau erforderlichen Mittel einem Dritten ein auf 99 Jahre befristetes Erbbaurecht bestellt hat. Als Gegenleistung hat er an den Räumen des 4. und 5. Obergeschosses des vom Erbbauberechtigten errichteten Gebäudes ein Dauernutzungsrecht gem. den Vorschriften der §§ 31 und 42 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) vom 15. März 1951 (BGBl I 1951, 175) eingeräumt erhalten. Die Zahlung eines weiteren Erbbauzinses ist ausgeschlossen worden.

Das vom Erbbauberechtigten errichtete Gebäude wurde am 1. August 1968 bezugsfertig. Die Räume des 4. Obergeschosses (mit insgesamt 196,48 qm) nutzt der Kläger selbst; die Räume des 5. Obergeschosses (mit insgesamt 139,91 qm) vermietet er zum Teil als Wohnheimplätze an vereinsangehörige Studenten.

Streitig ist die steuerrechtlich zutreffende Behandlung der vom Kläger aus der Nutzung des 5. Obergeschosses erzielten Einkünfte. Während der Kläger allein die tatsächlich erzielten Einnahmen abzüglich der sie erheblich übersteigenden Ausgaben (ohne Berücksichtigung des auf das 5. Obergeschoß entfallenden - anteiligen - Erbbauzinses) berücksichtigt wissen will, setzte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (das FA) den Nutzungswert der Räume in Höhe von (inzwischen unstreitigen) 6 DM je qm als Erbbauzins an. Die nach erfolglosem Einspruch zum FG erhobene Klage wurde abgewiesen. Das FG führte aus:

Der Erbbauzins zähle beim Grundstückseigentümer zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, gleichgültig, ob er als laufende Zahlung oder als Einmalzahlung erbracht werde (Urteil des BFH vom 4. Juli 1969 VI R 259/67, BFHE 96, 506, BStBl II 1969, 724). Der Kläger habe danach zutreffend den Geldwert der laufenden Nutzungsmöglichkeit des 4. Obergeschosses als Erbbauzins als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung erfaßt. Dasselbe habe aber auch hinsichtlich der laufenden Nutzungsmöglichkeit des 5. Obergeschosses zu gelten; hier als Erbbauzins (nur) die aus der Nutzung des 5. Obergeschosses tatsächlich erzielten Einnahmen (abzüglich der Ausgaben) anzusetzen, fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Dagegen bejahe das Gericht - entgegen dem FA - die Berücksichtigung des auf das 5. Obergeschoß entfallenden anteiligen Erbbauzinses als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Wohnheimplätze. Dadurch sei jedoch für den Kläger im Ergebnis nichts gewonnen, da berücksichtigt werden müsse, daß der Kläger die Wohnheimplätze zu einem unter den Selbstkosten liegenden Mietzins vermiete. Da nicht anzunehmen sei, daß er auch vereinsfremden Mietern einen Wohnheimplatz für 60 DM monatlich überlassen würde, bedeute der Verzicht auf einen kostendekkenden Mietzins (von 6 DM je qm zuzüglich der Umlagen) eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG). Der Einwand des Klägers, daß er seinen Mietzins an den Mietzins der mit öffentlichen Mitteln gebauten Studentenwohnheime angleichen müsse, gehe fehl, da der Kläger öffentliche Mittel nicht empfangen habe und deshalb auch nicht so kalkulieren dürfe, als ob dies der Fall sei. Auch seien der Kläger und der Erbbauberechtigte in ihren Vereinbarungen von der Erzielung eines marktgerechten Mietzinses durch den Kläger ausgegangen, wie der Abschluß einer Mietausfallversicherung in Höhe des jeweils angemessenen Mietzinses durch den Erbbauberechtigten für den Fall erweise, daß ein Schaden zur Unbenutzbarkeit der im 4. und 5. Obergeschoß gelegenen Räume führe.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger form- und fristgerecht Revision eingelegt. Das FA hat sich der Revision des Klägers mit (unselbständiger) Anschlußrevision angeschlossen.

Der Kläger beantragt, seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 1968 mit 3 761,80 DM und für das Jahr 1969 mit 10 231,68 DM anzusetzen. Zur Begründung läßt er vortragen:

Das FG habe bei der Feststellung des streitigen Tatbestandes übersehen, daß der Kläger über die Vergabe von Wohnheimplätzen die Wohngemeinschaft, d. h. die Mieter selbst, entscheiden lasse. Es könnten deshalb sowohl vereinsangehörige als auch vereinsfremde Studenten einen Wohnheimplatz erhalten (was ab dem 1. Januar 1972 hinsichtlich eines Mieters auch der Fall sei); von Anfang an seien indes die in den Sommerferien benötigten Räume ausländischen Studenten überlassen worden. Darüber hinaus würde nach den Wertansätzen des FA und des FG die Miete für einen Wohnheimplatz bei rd. 12 qm Größe 250 DM monatlich betragen müssen, was einfach unhaltbar wäre. Der vom Kläger erhobene Mietzins sei auf Kostendeckung abgestellt, wobei der Verzicht auf die Eigennutzung des 5. Obergeschosses als Kostenfaktor nicht mitgerechnet worden sei. Schließlich erziele der Kläger nach den Ausführungen des FG keinen Gewinn (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 EStG), so daß eine verdeckte Gewinnausschüttung begrifflich nicht möglich sei.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und die angefochtenen Steuerbescheide zu bestätigen. Sein Revisionsangriff richtet sich gegen die Anerkennung des Erbbauzinses als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger habe auf der Einnahmeseite aus dem Erbbauvertrag den Erbbauzins, aus den Mietverträgen den Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erfassen. Den Werbungskosten könnten fiktive Ausgaben, wie hier der Erbbauzins, nicht zugerechnet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet; die Anschlußrevision des Beklagten ist unzulässig, da es dem Beklagten an einer Beschwer fehlt.

1. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß der Kläger für die Bestellung des Erbbaurechts an seinem Grundstück als Gegenleistung vom Erbbauberechtigten ein Dauernutzungsrecht an den Räumen des 4. und 5. Obergeschosses des vom Erbbauberechtigten errichteten Hauses eingeräumt erhalten hat, das als Erbbauzins zu verstehen und mit 6 DM je qm monatlich zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 KStG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Was die Räume des 4. Obergeschosses betrifft, ist die Besteuerung des Klägers auf dieser Grundlage unstreitig. Über die Anwendung dieser Betrachtung auch auf das 5. Obergeschoß besteht Streit.

Der erkennende Senat kann dem Kläger nicht darin zustimmen, daß der von ihm als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassende Erbbauzins (das Dauernutzungsrecht an den Räumen des 4. und 5. Obergeschosses) für die beiden Geschosse unterschiedlich berechnet werden könne. Es kann im Streitfalle - nur wegen der besonderen vom Kläger gewählten Gestaltung des Erbbauzinses - nichts anderes gelten, als wenn der Erbbauzins vom Erbbauberechtigten in monatlichen Raten mit einem bestimmten, ggf. mit Hilfe einer Anpassungsklausel zu steigernden Geldbetrag zu entrichten wäre. Der Kläger hat somit auf der Einnahmeseite monatlich 2 018,34 DM (336,39 qm mal 6 DM) zu verbuchen. Dafür stehen ihm im 4. Obergeschoß ein Zeichensaal, ein Bühnenraum, ein Musikraum, ein Bibliotheksraum, ein Clubraum mit Bar, ein Nebenraum sowie Garderobe und Toiletten, im 5. Obergeschoß zwei Arbeitsräume, sechs Studentenzimmer, eine Dunkelkammer, ein Eßraum, eine Küche sowie Flur, Dusche und Toiletten zur Verfügung.

Soweit der Kläger aus der Vermietung der Studentenzimmer Einnahmen zu verzeichnen hat, sind auch diese - daneben - auf der Einnahmeseite seiner Überschußrechnung zu verbuchen. Ihnen sind die Werbungskosten gegenüberzustellen, die mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusammenhängen, zu denen - entgegen der Auffassung des FA - auch die anteiligen Erbbauzinsen gehören. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen; mögen das im wesentlichen auch Ausgaben im geldverkehrstechnistechnischen Sinne sein, so zeigt doch § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG, daß die Vorschrift des § 9 EStG auch andere Vermögensopfer umfaßt. Bleibt der erzielte Mietzins deshalb unter dem Satz, den der Kläger - durch Verzicht auf die Eigennutzung seines Dauerwohnrechts an Räumen des 5. Obergeschosses - zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufwendet, stellt der Unterschiedsbetrag Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen dar.

Dennoch können sich im Streitfalle negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht ergeben, da die Aufwendungen des Klägers nach § 12 Nr. 1 KStG insoweit nicht abzugsfähig sind, als sie der Erfüllung seiner Satzungszwecke dienen. Das ist hier der Fall, da der Kläger zwecks wirtschaftlicher Förderung seiner Mitglieder auf einen kostendeckenden Mietzins verzichtete.

2. Ob - wie das FG meint - eine Lösung des Rechtsstreits auch über die Anwendung des Begriffs der verdeckten Gewinnausschüttung möglich wäre, kann der Senat danach dahingestellt lassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70953

BStBl II 1974, 549

BFHE 1974, 359

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge