Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Kinderermäßigung steht dem Steuerpflichtigen nur für Kinder zu, die im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate gelebt haben.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Ziff. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer (Bf.) bei der Einkommensteuerveranlagung 1949 für seinen am 18. Oktober 1949 geborenen ehelichen Sohn Franz die Kinderermäßigung zusteht.

Das Finanzamt hat die Kinderermäßigung versagt, weil das Kind im Veranlagungszeitraum nicht mindestens vier Monate gelebt hat. Es beruft sich auf den Abschnitt 196 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) für die Zeit vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1948 und für das Kalenderjahr 1949 vom 5. Juli 1950 - EStR II/1948 und 1949 - (Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen - MinBlFin - S. 349, 403, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - S. 305, 365).

Das Finanzgericht hat die Sprungberufung als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Rechtsbeschwerde wird Aufhebung der Vorentscheidungen beantragt. Es wird ausgeführt: Das im Abschnitt 196 EStR II/1948 und 1949 unter A angeführte Beispiel, wonach für ein am 1. September 1949 geborenes Kind dem Steuerpflichtigen (Stpfl.) für das Kalenderjahr 1949 eine Kinderermäßigung nicht zustehe, "weil das Kind noch keine vollen vier Monate unter 18 Jahre alt" gewesen sei, widerspreche dem Wortlaut des § 32 Absatz 4 Ziffer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung vom 10. August 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl. - S. 266, Amtliches Mitteilungsblatt der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - Amtl. MittBl. - S. 198, Bay. FMBl. S. 325) und sei daher unrichtig. Auch die amtlichen Vordrucke für die Einkommensteuer-Erklärungen 1949, in denen gesagt sei, daß dem Stpfl. Kinderermäßigung nur für die vor dem 1. September 1949 geborenen Kinder zustehe, seien unrichtig. Im übrigen sei es auch wirtschaftlich berechtigt, für alle Kinder, die im Veranlagungszeitraum geboren werden, die Kinderermäßigung zu gewähren, weil bereits vor der Geburt eines Kindes Aufwendungen entstünden, die höher seien als die Kinderermäßigung für ein Jahr.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.

Die Einteilung in die Steuerklassen ist durch Artikel II des Kontrollratgesetzes (KontrRG) Nr. 12 vom 11. Februar 1946 (abgedruckt im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl. - 1946 S. 65) neu geregelt worden. Nach Artikel II Absatz 1 Buchstabe c KontrRG Nr. 12 hat der Stpfl. ein Anrecht auf Kinderermäßigung, falls die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:

Die Kinder müssen mindestens vier Monate im Steuerjahr zu dem Haushalt des Stpfl. gehört haben oder in diesem Jahre hauptsächlich auf seine Kosten unterhalten und erzogen worden sein. Im letzteren Falle muß der Stpfl. die Kosten für ihren Unterhalt und ihre Erziehung mindestens vier Monate getragen haben.

Die Kinder dürfen während dieses Zeitraumes das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben.

Die Bestimmungen des Artikels II KontrRG Nr. 12 sind an die Stelle des § 32 EStG 1939 sowie aller diesen Paragraphen abändernden gesetzlichen Bestimmungen getreten. Die Vorschrift des § 5 der Steuervereinfachungsverordnung vom 14. September 1944 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 202, Reichssteuerblatt - RStBl. - S. 577) ist danach durch den Artikel II KontrRG Nr. 12 geändert worden.

Durch Artikel I Ziffer 8 des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 22. Juni 1948 (Amtl. MittBl. 1948 S. 3, Bay. FMBl. 1948 S. 129) ist der § 32 EStG, der die Einreihung in die Steuerklassen behandelt, neu gefaßt worden. Diese Neufassung des § 32 EStG bildet die Rechtsgrundlage für die Einkommensteuer-Veranlagung 1949. Die einschlägige Vorschrift des § 32 Absatz 4 Ziffer 2 EStG 1949 lautet: "Kinderermäßigung steht dem Stpfl. für Kinder zu, die im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten". Das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit oder der Unterhaltsgewährung ist weggefallen. Die Kinderermäßigung ist auch auf Kinder ausgedehnt worden, die im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate unter 18 Jahre alt waren.

Der Bf. vertritt den Standpunkt, daß sich nach dem Wortlaute des § 32 Absatz 4 Ziffer 2 EStG 1949 die Rechtslage gegenüber dem Artikel II KontrRG Nr. 12 auch insofern geändert habe, als für das Jahr der Geburt eines Kindes dem Stpfl. die Kinderermäßigung in jedem Falle zustehe, gleichgültig, ob zwischen dem Zeitpunkte der Geburt und dem Ende des Veranlagungszeitraumes die Viermonatsfrist abgelaufen war oder nicht. Die Viermonatsfrist habe nur bei der Vollendung des 18. Lebensjahres Bedeutung. Nach der Auffassung des Bf. würde beispielsweise einem Stpfl., dessen Kind am 31. Dezember 1949 geboren ist, die Kinderermäßigung für das ganze Kalenderjahr 1949 zustehen. Desgleichen würde nach dieser Auffassung dem Stpfl. die Kinderermäßigung für das ganze Jahr 1949 zustehen, wenn ein in diesem Jahr geborenes Kind wenige Stunden nach der Geburt wieder gestorben ist. Der Senat kann sich diesem Standpunkt nicht anschließen. Es ist dem Bf. darin beizupflichten, daß die Fassung des § 32 Absatz 4 Ziffer 2 EStG 1949 in ihrer Kürze zu Mißverständnissen führen kann. Voraussetzung dafür, daß dem Stpfl. die Kinderermäßigung zusteht, ist, daß das Kind "im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte". Diese Formulierung bedeutet ein Doppeltes: nämlich einmal, daß das Kind im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate gelebt haben muß, und sodann, daß das Kind im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate unter 18 Jahren alt gewesen sein muß. Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, deckt der Wortlaut des § 32 Absatz 4 Ziffer 2 EStG 1949 auch den Fall der Geburt eines Kindes im Veranlagungszeitraum. Im übrigen entsprach eine Aufhebung der Viermonatsfrist im Falle der Geburt oder des Todes eines Kindes innerhalb des Veranlagungszeitraumes auch nicht der Absicht des Gesetzgebers. Dies ergibt sich auch aus dem § 3 der Dritten Verordnung zur Durchführung der Steuerüberleitung (Dritte StüDV) vom 14. Februar 1949 (WiGBl. S. 27, Bay. FMBl. 1949 S. 73). Diese Verordnung regelt die Einkommensteuerveranlagung für das erste Kalenderhalbjahr 1948. Der erwähnte § 3 StüDV besagt, daß es für die Anwendung des § 32 Absatz 4 Ziffer 2 EStG genügt, wenn die dort vorgesehenen Voraussetzungen im Kalenderjahr 1948 mindestens vier Monate bestanden haben.

Da das Kind des Bf. im Veranlagungszeitraum 1949 noch nicht vier Monate gelebt hat, steht dem Bf. die Kinderermäßigung für dieses Kind nicht zu.

Die wirtschaftlichen Erwägungen, die der Bf. anführt, um darzutun, daß die Kinderermäßigung auch für solche Kinder gewährt werden soll, die im Veranlagungszeitraum noch nicht vier Monate gelebt haben, können vom Senat nicht berücksichtigt werden. Der Senat hat lediglich zu entscheiden, ob nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften dem Bf. für sein am 18. Oktober 1949 geborenes Kind bei der Einkommensteuerveranlagung für 1949 die Kinderermäßigung zusteht.

Die Rechtsbeschwerde muß danach als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407230

BStBl III 1951, 127

BFHE 1952, 332

BFHE 55, 332

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