Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält daran fest, daß eine Teilwertabschreibung auf den - insgesamt nicht geminderten - Geschäfts- oder Firmenwert nicht damit begründet werden kann, daß geschäftswertbildende Umstände (z. B. Kundenkreis), die bei dem Erwerb des Unternehmens vorgelegen hatten, inzwischen weggefallen sind.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Abschreibung des Geschäftswerts eines Friseurbetriebs auf den niedrigeren Teilwert.

Der Steuerpflichtige ist Friseurmeister. Er wurde im Streitjahr 1967 mit seiner Ehefrau, die bei ihm als Friseuse angestellt war, zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Das Friseurgeschäft hatte er im Jahre 1956 auf Rentenbasis erworben. Von dem Kaufpreis entfiel ein Betrag von 16 247 DM auf den vorhandenen Kundenstamm, den Goodwill aus den Leistungen des Veräußerers und auf das Vorhandensein eines Ladenlokals. Der Steuerpflichtige aktivierte diesen Betrag in seiner Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 1957 als Geschäftswert. In der Einkommensteuererklärung 1967 schrieb er mit Wirkung für die Schlußbilanz auf den 31. Dezember 1967 den Geschäftswert in voller Höhe ab.

Das FA erkannte die Abschreibung nicht an. Im Einspruchsverfahren begehrte der Steuerpflichtige eine Abschreibung von jährlich 20 v. H. des Bilanzansatzes des Geschäftswerts, beginnend mit dem Streitjahr. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG gab der Klage statt (EFG 1970, 331). Es führte aus, daß zwar AfA nach § 7 EStG für den entgeltlich erworbenen Firmenwert nicht zulässig seien (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Wohl aber sei - trotz der seit der Übernahme des Geschäftes gestiegenen Rentabilität - eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) gerechtfertigt, da der übernommene Kundenstamm in der Zeit von 1956 bis 1967 nach und nach durch eigene Kunden ersetzt worden sei. Der Verlust des alten Kundenstammes habe bei einem Friseurgeschäft der vorliegenden Art zu einer Verflüchtigung des entgeltlich erworbenen Firmenwerts geführt. Das FG teile nicht die vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung, daß der entgeltlich erworbene Geschäftswert, auch wenn er sich ganz oder teilweise verflüchtigt habe, nicht abgeschrieben werden dürfe, falls der Unternehmer durch seine Leistung einen neuen (originären) Geschäftswert geschaffen habe, der die Verflüchtigung des erworbenen (derivativen) Firmenwerts auffange (Hinweis auf BFH-Urteil I 61/57 U vom 15. April 1958, BFH 67, 151, BStBl III 1958, 330). Diese Auffassung führe zu einer unzulässigen Aktivierung eines originären Geschäftswerts. Dieser müsse von dem ursprünglichen Geschäftswert getrennt behandelt werden. Daher könne der Wert neu hinzugekommener Kundschaft dem vom Vorgänger erworbenen Unternehmenswert nicht hinzugerechnet werden. Die sogenannte Einheitstheorie sei daher abzulehnen (vgl. EFG 1968, 400; Littmann, Die Information, Ausgabe A, 1968, S. 441 [445]; Gnam, Handbuch des Steuerbilanzrechts, Freiburg 1960, Stichwort "Geschäftswert", unter 2 b; Falk, Die Steuerbilanz, 2. Aufl. 1959, S. 58; Thomfohrde, Die dynamische Bilanzauffassung und das Bilanzsteuerrecht, Düsseldorf 1959, insbesondere S. 106 ff.; Blencke, Steuerberater-Jahrbuch 1968/69 S. 253 [272]). Auch wenn man der Einheitstheorie folge, sei im Streitfall das Begehren auf Minderung des Geschäftswerts begründet. Der Senat wende die Grundsätze an, die die Rechtsprechung des BFH für die Behandlung des Praxiswerts eines Freiberuflers entwickelt habe (vgl. BFH-Urteil I 61/57 U, a. a. O.). Diese Rechtsprechung sei auf bestimmte Handwerksbetriebe, so auf Friseurbetriebe der vorliegenden Art, auszudehnen. Denn ein kleiner oder mittlerer Friseurbetrieb, in dem Chef und Chefin maßgeblich mitarbeiten, sei in besonderer Weise von dem Fleiß, der Tüchtigkeit, dem Können und Eingehen auf Kundenwünsche abhängig. Es sei gerichtsbekannt, in welchem Maße Kunden auf solche persönliche Bedienung Wert legten und diese Geschäftsbeziehung dann auch jahrelang pflegten. Der Zeitraum, in dem sich der entgeltlich erworbene Geschäftswert in solchen Fällen verflüchtige, richte sich nach den Umständen des einzelnen Falles (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG in EFG 1966, 319, 2 1/2 Jahre - Tanzschule). Für den Streitfall bestünden keine Bedenken, davon auszugehen, daß in den Jahren von 1956 bis 1967 eine Verflüchtigung des entgeltlich erworbenen Firmenwerts eingetreten sei, die erheblich über dem geltend gemachten Satz von 20 v. H. liege, so daß dem Klagebegehren (Abschreibung von 20 v. H.) zu entsprechen sei.

Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung sachlichen Rechts. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG komme eine Abschreibung des Geschäftswerts nur in Frage, wenn der Mehrwert des Unternehmens nachweislich eine Minderung erfahren habe. Dieser Mehrwert sei aber ein einheitliches Wirtschaftsgut, das nicht zerlegt werden könne, auch wenn die Umstände, auf denen es beruhe, im Laufe der Zeit gewechselt hätten (BFH-Urteil I 61/57 U, a. a. O.).

Der Steuerpflichtige beantragt die Abweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann der für einen erworbenen Geschäftswert gezahlte und aktivierte Betrag nur dann abgeschrieben werden, wenn sich entweder die Zahlung als eine Fehlmaßnahme erweist oder wenn der Geschäftswert unter den seinerzeit gezahlten und noch aktivierten Betrag sinkt (vgl. BFH-Urteil I 77/64 vom 18. Januar 1967, BFH 88, 198, BStBl III 1967, 334). Keine dieser Voraussetzungen ist im Streitfall erfüllt. Von einer Fehlmaßnahme kann angesichts der vom FG festgestellten günstigen Entwicklung des Geschäfts nicht die Rede sein. Diese Entwicklung hat nicht zu einem Sinken, sondern zu einer Mehrung des Geschäftswerts geführt. Die - gestiegene - Rentabilität des Betriebs gehört wesentlich zu den geschäftswertbildenden Faktoren (vgl. BFH-Urteil I 33/60 S vom 2. Mai 1961, BFH 73, 267, BStBl III 1961, 365).

Die Vorinstanz ging zu Unrecht von der Auffassung aus, daß es sich bei dem aktivierten Geschäftswert nicht mehr um ein einheitliches Wirtschaftsgut (Geschäftswert) handle, sondern daß in Wahrheit zwei Wirtschaftsgüter vorlägen, nämlich ein für sich zu behandelnder erworbener (derivativer), sich verflüchtigender Geschäftswert einerseits und ein vom Unternehmer neugeschaffener (originärer), nicht aktivierungsfähiger Geschäftswert andererseits. Das FG befindet sich damit zwar in Übereinstimmung mit mehreren Entscheidungen anderer FG (vgl. EFG 1963, 105 - FG Hamburg -; EFG 1968, 400 - FG Baden-Württemberg -; EFG 1970, 115 - FG Rheinland-Pfalz -) und mit der Kritik, die im Schrifttum an der Rechtsprechung des BFH geübt wird (vgl. dazu die Übersicht bei Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 97b zu § 6 EStG; neuestens Gräber, Deutsches Steuerrecht 1971 S. 429). Eine solche Aufspaltung läßt sich aber mit der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht in Einklang bringen. Das Gesetz versteht, wie der BFH wiederholt ausgeführt hat (vgl. Urteile I 61/57 U, a. a. O.; I 77/64, a. a. O.; I R 196/67 vom 16. September 1970, BFH 101, 76, BStBl II 1971, 175), den Geschäftswert als ein einheitliches Wirtschaftsgut, das nicht zerlegt werden kann, auch wenn die Umstände, auf denen es beruht, im Laufe der Zeit wechseln. Das Gesetz rechnet den Geschäftswert eindeutig zu den nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Da die Umstände (Komponenten), die den übernommenen Geschäftswert gebildet haben, für sich gesehen nach einiger Zeit an Bedeutung verlieren, ihre Wirkung sich in der Regel allmählich verflüchtigt (vgl. BFH-Urteil II 165/59 vom 28. November 1962, HFR 1963, 170), so daß diese Komponenten in ähnlicher Weise abnutzbar sind wie vergleichbare immaterielle Einzelwirtschaftsgüter, so kann das Gesetz mit der Anführung des "Geschäfts- oder Firmenwerts" in § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der Reihe der nichtabnutzbaren Wirtschaftsgüter den Geschäftswert nicht als den Inbegriff nur jener Faktoren gemeint haben. Der Gesetzgeber hätte den Geschäfts- oder Firmenwert andernfalls den abnutzbaren Wirtschaftsgütern im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG zurechnen oder seine Erwähnung unterlassen müssen. Die gesetzliche Regelung läßt sich daher sinnvoll nur so verstehen, wie dies in der bisherigen Rechtsprechung des BFH zum Ausdruck gekommen ist. Erworbener und erneuerter, nur insofern neugeschaffener Geschäftswert durchdringen sich und bilden eine Einheit. Für die Annahme zweier Teilgeschäftswerte mit verschiedenem bilanzrechtlichem Schicksal ist kein Raum. Daher können auch die Grundsätze keine Anwendung finden, die der Große Senat des BFH in der Entscheidung Gr. S. 7/67 vom 16. Juli 1968 (BFH 94, 124, BStBl II 1969, 108) für das Verhältnis der Teilwerte von Grund und Boden einerseits, aufstehendem Gebäude andererseits dargelegt hat. Die dort ausgesprochene Ablehnung einer Bewertungseinheit beruht darauf, daß es sich bei einem bebauten Grundstück um zwei selbständige Wirtschaftsgüter handelt, für die je der Grundsatz der Einzelbewertung gilt. Der Geschäftswert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG hingegen stellt ein einziges, einheitliches Wirtschaftsgut dar, das im ganzen zu bewerten ist.

Nach alledem kommen in bezug auf den Geschäftswert weder laufende AfA im Sinn des § 7 Abs. 1 EStG in Betracht - was das FG nicht verkannt hat - noch kann eine Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert wegen der Entwertung einzelner geschäftswertbildender Umstände zugelassen werden, solange nicht der Geschäftswert im ganzen gesunken ist. Es mag dahinstehen, ob der Geschäftswert eines kleinen oder mittleren Friseurbetriebes in ähnlicher Weise "personenbezogen" sein kann wie der Praxiswert bei einem Angehörigen eines freien Berufs. Denn angesichts der für den Bereich der gewerblichen Gewinnermittlung eindeutigen Gesetzeslage können die für den Praxiswert im Wege der Ausfüllung einer Gesetzeslücke entwickelten Rechtsgrundsätze nicht entsprechend angewendet werden.

Der erkennende Senat hat in der Entscheidung I R 196/67 a. a. O. eine Teilwertabschreibung auf ein Wirtschaftsgut "Kundschaft" zugelassen. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Steuerpflichtige einen bestimmten Betrag ausschließlich für die Einführung in den Kundenkreis bezahlt. Die Kunden (Abnehmer) mußten jedoch bald ausgewechselt werden. Der Senat führte aus, daß das Vorhandensein eines Kundenkreises meist untrennbar zum Geschäftswert gehöre. Der Ansatz eines erworbenen Geschäftswerts - statt eines immateriellen Einzelwirtschaftsgutes - sei stets geboten, wenn der Kaufpreis nicht nachweislich für bestimmte einzelne Wirtschaftsgüter bezahlt sei. So aber liegt die Sache im Streitfall nicht. Der Steuerpflichtige hat hier die Zahlung nicht nur für den Wert einer bestimmten Stammkundschaft, sondern zugleich zur Abgeltung des gesamten, auf der Leistung des Vorgängers beruhenden Goodwill und für das Vorhandensein eines günstig gelegenen Geschäftslokals erbracht. Es handelt sich daher um einen typischen, aus mehreren Faktoren gebildeten Geschäftswert und nicht um ein immaterielles Einzelwirtschaftsgut wie in der Entscheidung I R 196/67 a. a. O.

Die Vorentscheidung ist wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat weist die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA als unbegründet ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413136

BStBl II 1972, 381

BFHE 1972, 442

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