Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfungsanordnung für ,,nichtverjährten Zeitraum"; zulassungsfreie Revision (Urteil in Zolltarifsachen)

 

Leitsatz (NV)

1. Die Zulässigkeit einer zulassungsfreien Revision gegen ein Urteil in einer Zolltarifsache hängt nicht davon ab, daß es tatsächlich zu einer Überprüfung des Urteils in zolltariflicher Hinsicht kommt.

2. Zur Auslegung einer Prüfungsanordnung für den ,,nichtverjährten Zeitraum" (Prüfung wegen Eingangsabgaben).

3. Der ,,nichtverjährte Zeitraum" (2.) ist unter Berücksichtigung der bei Ergehen der Prüfungsanordnung geltenden normalen - kurzen - Verjährungsfrist zu bestimmen, nicht nach einer später in Kraft getretenen Verährungsregelung mit längerer Verjährungsfrist.

4. Ohne eine insoweit vorliegende Prüfungsanordnung getroffene Prüfungsfeststellungen dürfen nicht verwertet werden. Dem Verwertungsverbot steht Gemeinschaftsrecht nicht entgegen.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 2; AO 1977 §§ 196, 4, 169 Abs. 2 Nr. 1, § 170 Abs. 1; EWGV 1697/79 Art. 4, 5 Abs. 2

 

Tatbestand

Mit Prüfungsanordnung vom April 1980 ordnete das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die seit Jahren ,,V"-Dichtungen (Fluorkautschuk, Fluorelastoner) unter der Tarifnr. 40.14 des damaligen Gemeinsamen Zolltarifs (andere Weichkautschukwaren) im Sammelzollverfahren zum freien Verkehr hatte abfertigen lassen, für den ,,nichtverjährten Zeitraum" eine Außenprüfung durch die Betriebsprüfungsstelle Zoll der Oberfinanzdirektion mit dem Hinweis an, der voraussichtliche Prüfungsbeginn werde angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung bekanntgegeben. Mit der Prüfung wurde erst im Oktober 1984 begonnen. Kurz zuvor war die Prüfungsanordnung auf Antrag der Klägerin erweitert worden (,,EDV-Grundlagenprüfung"). Aufgrund während der Prüfung getroffener Feststellungen über die Beschaffenheit der Dichtungen erhob das HZA mit Steueränderungsbescheid vom November 1984 (in der Fassung der Bescheide vom . . .) für Einfuhren im Oktober 1981 Zoll nach, weil es die Dichtungen nunmehr als Kunststofferzeugnisse des Kapitels 39, zuletzt als Erzeugnisse der Tarifst. 39.07 B Vd ansah. Mit weiterem Steueränderungsbescheid vom Februar 1985 wurde für Einfuhren im Jahre 1982 Zoll in Höhe des sich aus der Anwendung dieser Zolltarifstelle ergebenden Unterschieds nachgefordert.

Die nach im wesentlichen erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klagen wurden abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Beauftragung der Betriebsprüfungsstelle Zoll hätte allenfalls zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung geführt. Da die Prüfungsanordnung nicht angefochten worden sei, könne die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts nicht geltend gemacht werden. Ein Verwertungsverbot ergebe sich auch nicht aus der Angabe des Prüfungszeitraums mit ,,nichtverjährter Zeitraum". Diese Umschreibung sei hinreichend genau. Zwar sei der Prüfungszeitraum in dem Sinne variabel und disponibel, als Betriebsprüfungsstelle und Prüfer ihn nach ihrem Ermessen zeitlich fixieren könnten. Dadurch werde der Prüfungszeitraum aber nicht unbestimmt. Es genüge, daß der Prüfungszeitraum der Disposition der Prüfer in dem Sinne entzogen sei, daß sie die Länge des Prüfungszeitraums nicht nach Gutdünken bestimmen könnten. Die Prüfungsanordnung sei dahin auszulegen, daß sich die Prüfung auf den bei Prüfungsbeginn unverjährten Zeitraum erstrecke. Beginne die Prüfung, was zulässig sei, später als im Jahre des Erlasses der Prüfungsanordnung, so werde damit die bei ihrer Bekanntgabe hinreichend bestimmte Anordnung nicht nachträglich unbestimmt. Es verschiebe sich lediglich der Prüfungszeitraum entsprechend dem Fortschreiten der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung bis zum Prüfungsbeginn fortlaufend in die Zukunft. Die Verjährung sei nach der am 1. Juli 1980 in Kraft getretenen Gemeinschaftsregelung über die Zollnacherhebung (Verordnung - EWG - Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 197/1, NacherhVO) mit längeren Verjährungsfristen zu bestimmen. Ein Verwertungsverbot ergebe sich nicht aus einer Verwirkung des Prüfungsrechts. Art. 5 Abs. 2 NacherhVO stehe der Zollnachforderung nicht entgegen. Die geänderte Tarifierung (Tarifst. 39. 07 B Vd) sei zutreffend.

Mit der Revision, die die Klägerin für zulassungsfrei statthaft hält, wird gerügt, das FG habe die Prüfungsanordnung zu Unrecht nicht als nichtig angesehen und dem gemäß, ebenfalls zu Unrecht, die aufgrund dieser Prüfungsanordnung getroffenen Prüfungsfeststellungen verwertet. Die Anordnung sei unbestimmt und unbestimmbar, insbesondere, weil das Verjährungsrecht knapp drei Monate später grundlegend geändert worden und der für die Lage des Prüfungszeitraums allein entscheidende Beginn der Prüfung unbekannt gewesen sei. Sowohl die Länge als auch die zeitliche Lage des Prüfungszeitraums müßten jedoch ermittelbar sein. Es sei nicht angängig, die Prüfungsanordnung mit Hilfe eines weiteren, von ihr unabhängigen Verwaltungsakts - Festsetzung des Prüfungszeitpunkts - bestimmbar zu machen. Dadurch könne die Prüfungsbehörde den Prüfungszeitraum nach ihrem Gutdünken und für den Abgabepflichtigen unberechenbar bestimmen. Aus sich selbst heraus sei die Prüfungsanordnung allenfalls in dem Sinne bestimmbar, daß der vor ihrem Erlaß liegende Zeitraum erfaßt sei (1979). In diesem Falle wären die für spätere Jahre getroffenen Feststellungen ohne Prüfungsanordnung erhoben und dürften gleichfalls nicht verwertet werden. Im übrigen seien die Rechte aus der Prüfungsanordnung verwirkt.

Das HZA führt aus, die Revision sei unzulässig, weil ein Urteil in einer Zolltarifsache nicht vorliege. Jedenfalls sei das Rechtsmittel unbegründet. Die Prüfungsanordnung sei hinreichend bestimmt gewesen; die Klägerin habe klar ersehen können, daß die zum Zeitpunkt des Beginns der Prüfung maßgebenden Verjährungsregelungen heranzuziehen seien. Die Rechte aus der Prüfungsanordnung seien nicht verwirkt. Im übrigen würde ein etwaiges Verwertungsverbot nicht greifen, da 1984 der Erlaß einer Prüfungsanordnung mit dem tatsächlich geprüften Zeitraum möglich gewesen wäre. Ein Verwertungsverbot stände ferner mit der NacherhVO möglicherweise nicht in Einklang.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulassungsfrei statthaft, da sie sich gegen ein Urteil in einer Zolltarifsache richtet. Das FG hat u. a. über die zolltarifliche Einordnung der eingeführten Dichtungen entschieden; von dieser zolltariflichen Entscheidung hängt das Urteil ab. Damit ist die Voraussetzung von § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt (zu ihr zuletzt Senat, Urteil vom 5. November 1991 VII R 64/90, BFHE 166, 415f., BStBl II 1992, 425; Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 13. Februar 1992 V R 140/90, BFHE 167, 232f., BStBl II 1992, 573, je m. w. H. auf die Rechtsprechung des Senats). Ohne Bedeutung ist, daß die Vorentscheidung sich hauptsächlich mit der Frage der Zulässigkeit der Nacherhebung befaßt. Anders als in dem Beschluß des Senats vom 10. August 1992 VII R 24/92, BFH/NV 1993, 337 entschiedenen Fall ist diese Frage nicht der alleinige Gegenstand der Vorentscheidung. Unerheblich ist auch, entgegen der Ansicht des HZA, daß die Klägerin die zolltarifliche Entscheidung des FG nicht ausdrücklich angefochten hat. Da sie die Sachrüge erhoben hat, ist das Revisionsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO). Es kann mithin auch die zolltarifliche Entscheidung des FG überprüfen. Allein auf diese Möglichkeit kommt es an. Ob es tatsächlich zu einer Überprüfung in zolltariflicher Hinsicht kommt, ist ohne Belang. Von einem ungewissen Umstand kann die Zulässigkeit der Revision nicht abhängen.

2. Die Revision ist begründet.

Die angefochtenen Nacherhebungen sind rechtswidrig, weil die ihnen zugrunde liegenden Prüfungsfeststellungen über die Beschaffenheit der V-Dichtungen mangels einer für die maßgebenden Prüfungszeiträume vorliegenden Prüfungsanordnung nicht verwertet werden durften. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist somit zusammen mit den Änderungsbescheiden, soweit diese angefochten sind, aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Damit entfallen, entsprechend dem Revisionsantrag der Klägerin, die Nachforderungen in Höhe von DM und ... DM.

a) Der Senat kann die Frage der zolltariflichen Einordnung der Dichtungen unentschieden lassen (vorstehend Nr. 1). Auch wenn sie, wie vom FG erkannt, im Sinne der zuletzt vom HZA vertretenen Tarifauffassung zu entscheiden wäre, dürfen die Prüfungsfeststellungen über die eine höhere Zollbelastung begründende Beschaffenheit der Waren - Feststellungen, die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegen -, nicht herangezogen werden, weil eine Prüfungsanordnung für die geprüften Zeiträume, die hier in Betracht kommen (Oktober 1981; Jahr 1982), nicht vorlag.

Die Prüfungsanordnung legt den Umfang der Außenprüfung fest ( 196 der Abgabenordnung - AO 1977 -); zu ihm rechnet auch der Umfang in zeitlicher Hinsicht (Senat, Urteil vom 3. Dezember 1985 VII R 17/84, BFHE 145, 492f., BStBl II 1986, 439). Er ist hier in der Prüfungsanordnung vom April 1980 mit ,,nichtverjährter Zeit- raum" angegeben. Ob diese Angabe, wie die Klägerin in erster Linie meint, derart unbestimmt ist, daß sich der Verwaltungsakt als nichtig und damit unwirksam erweist (§ 119 Abs. 1, § 125 Abs. 2 Nr. 2, § 124 Abs. 3 AO 1977), kann offenbleiben. Denn bei Annahme der Wirksamkeit der Prüfungsanordnung muß die darin enthaltene Angabe des Prüfungszeitraums jedenfalls dahin verstanden werden, daß sie lediglich einen Verjährungszeitraum erfaßt, der nach den bei Zugang der Prüfungsanordnung am 11. April 1980 geltenden - allgemeinen - Verjährungsvorschriften des innerstaatlichen Rechts (§ 169 Abs. 2 Nr. 1, § 170 Abs. 1 AO 1977) zu bestimmen ist. Die Zeit, für die die hier maßgebenden Prüfungsfeststellungen getroffen wurden, scheidet damit aus.

In BFHE 145, 492 hat der Senat erkannt, daß bei einer Einfuhrhandelsprüfung nach den Umständen des Einzelfalles die Angabe des Prüfungszeitraums mit ,,nichtverjährter Zeitraum" hinreichend bestimmt sein kann. Er hat zugleich ausgesprochen, daß eine Prüfungsanordnung mit dieser Angabe so auszulegen ist, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Inhalt des Verwaltungsakts nach Treu und Glauben (vgl. § 4 AO 1977) verstehen konnte. Bei Fehlen besonderer Zusätze muß die Angabe im Interesse des Betroffenen, der sich auf die Prüfung einzurichten hat (vgl. § 200 AO 1977), stets einengend dahin verstanden werden, daß der derart bezeichnete Prüfungszeitraum allein nach der ,,normalen kurzen Verjährungsfrist" zu bemessen ist.

Dementsprechend hat der Senat die in einer am 5. Dezember 1980 erlassenen Prüfungsanordnung enthaltene Angabe ,,nichtverjährter Zeitraum" auf die Zeit vom 1. Januar 1979 bis zum Beginn der noch im Jahre 1980 erwarteten Prüfung bezogen (und die Angabe im damaligen Streitfall, nach den Umständen dieses Falles, für hinreichend bestimmt erachtet).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läßt sich die vom FG vertretene Auslegung nicht halten. Der Senat, der die Auslegung der Prüfungsanordnung aufgrund ihres festgestellten Inhalts in vollem Umfang nachprüfen kann (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 118 Anm. 18, vgl. auch BFH, Urteil vom 29. August 1985 IV R 154/84, BFH/NV 1987, 7), gelangt vielmehr zu dem Ergebnis, daß die Zeitraumangabe in der Prüfungsanordnung nicht auf die Zeiten zu beziehen ist, für die die hier maßgebenden Prüfungsfeststellungen getroffen wurden. Dem FG könnte zwar grundsätzlich noch darin gefolgt werden, daß sich dann, wenn die für den nichtverjährten Zeitraum vorgesehene Prüfung später als im Jahre ihrer Anordnung beginnt, die Prüfung auf den bei Prüfungsbeginn unverjährten Zeitraum erstreckt (vgl. auch - im Zusammenhang mit der Frage der Bestimmtheit - BFHE 145, 492, 495). Das bedeutet indessen nicht, daß hinsichtlich der Verjährungsvorschriften, auf die die Prüfungsanordnung mit der Angabe ,,nichtverjährter Zeitraum" Bezug nimmt, ohne weiteres auf eine zwischenzeitlich in Kraft getretene Neuregelung mit längerer Verjährungsfrist abgestellt werden darf. Einer solchen Auslegung steht vielmehr die gebotene Bedachtnahme auf das Interesse des Betroffenen (vgl. BFHE 145, 492, 494) entgegen.

Eine zwischenzeitliche Änderung des Verjährungsrechts war im Streitfall erfolgt, und zwar hinsichtlich der Zollnacherhebung durch die am 1. Juli 1980 in Kraft getretene NacherhVO, die mit Geltung für die buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben ab diesem Zeitpunkt (Art. 11; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 12. November 1981 Rs. 212-217/80, EuGHE 981, 2735, 2752) eine allgemeine Nacherhebungsfrist vorsieht (Ausschluß der Nacherhebung tagesgenau drei Jahre ab buchmäßiger Erfassung; Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 2 Buchst. c), die im Sammelzollverfahren an die buchmäßige Erfassung nach Abschluß eines Monats anknüpft. Die NacherhVO verdrängt seither die für die Zölle geltende innerstaatliche Regelung über die Festsetzungsverjährung mit wesentlich kürzerer Frist und besonderem Fristbeginn (§ 170 Abs. 1 AO 1977).

Wie der Senat (a. a. O.) bereits entschieden hat, läßt sich die Angabe ,,nichtverjährter Zeitraum" grundsätzlich nur auf die normale Verjährungsfrist beziehen, nicht auf die besonderen Festsetzungsfristen nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977. Unklarheiten eines Verwaltungsakts, der diese Angabe enthält, gehen zu Lasten der Verwaltung. Dieser Auslegungsgrundsatz ist auch bei zwischenzeitlicher Änderung des Verjährungsrechts zu beachten. Seine Anwendung führt dazu, daß die schlichte Angabe ,,nichtverjährter Zeitraum" auf die bei Ergehen der so lautenden Prüfungsanordnung geltende normale einjährige Festsetzungsfrist zu beziehen ist, nicht auf eine längere Verjährungsfrist, die aus einer zwar bereits erlassenen, jedoch noch nicht in Kraft getretenen neuen Regelung folgt. Bei Prüfungsbeginn im Jahre 1984 war damit die Zeit ab 1. Januar 1983 als Prüfungszeitraum anzusehen, unbeschadet dessen, daß zwischen dem Zugang der Prüfungsanordnung und dem Beginn des Prüfungszeitraums eine neue Verjährungsregelung in Kraft getreten war, nach der, für sich gesehen, die Abgabenansprüche unverjährt gewesen wären. Die neue längere Verjährungsfrist wäre für die Bestimmung des Prüfungszeitraums nur in Betracht gekommen, wenn auf sie (in Erwartung eines entsprechend späten Prüfungsbeginns) in der Prüfungsanordnung ausdrücklich abgestellt worden wäre. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche Bezugnahme bereits in der Prüfungsanordnung vom April 1980 - vor Inkrafttreten der Neuregelung - ausgereicht oder ob es einer neuen (ggf. erweiterten) Prüfungsanordnung nach dem 1. Juli 1980 bedurft hätte. Die Prüfungsanordnung vom April 1980 enthält jedenfalls keine Bezugnahme auf das neue Verjährungsrecht. Eine neue (erweiterte) Anordnung ist nur in bezug auf ,,EDV-Grundlagenprüfung", nicht aber hinsichtlich des Prüfungszeitraums erlassen worden.

b) Die den Nachforderungen zugrunde liegenden Prüfungsfeststellungen für Einfuhren der Jahre 1981/82 sind, da als Prüfungszeitraum erst die Zeit ab 1. Januar 1983 anzusehen ist (vorstehend Buchst. a), ohne dafür gültige Prüfungsanordnung getroffen worden. Damit unterliegen diese Feststellungen einem Verwertungsverbot, das, da sie nicht auf einem Verwaltungsakt beruhen, unmittelbar gegen die Änderungsbescheide geltend gemacht werden kann (BFH, Urteile vom 20. Februar 1990 IX R 83/88, BFHE 160, 391, 394, BStBl II 1990, 789, und vom 14. August 1985 I R 188/82, BFHE 144, 339, 341, BStBl II 1986, 2, je m. w N.). Dieses Verwertungsverbot bedeutet, daß in den Änderungsbescheiden die bei der Prüfung bekanntgewordenen Tatsachen nicht berücksichtigt werden dürfen. Insoweit gilt dasselbe wie nach festgestellter Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung (zu diesem Fall BFH, Urteil vom 10. Mai 1991 V R 51/90, BFHE 164, 495, 497, BStBl II 1991, 825).

Entgegen der Ansicht des HZA ist das sich hiernach ergebende Verwertungsverbot, das der Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen über die Beschaffenheit der 1981/82 eingeführten Dichtungen entgegensteht, nicht unbeachtlich. Der Auffassung, daß es bei Fehlen einer Prüfungsanordnung nur darauf ankomme, ob eine Anordnung - hier: für 1981/82 - hätte erlassen werden dürfen (so Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 196 AO 1977, Tz. 9b), kann nicht gefolgt werden. Sie vernachlässigt, daß gerade mit der Prüfungsanordnung der Umfang der Außenprüfung bestimmt wird; fehlt es an der Anordnung, sei es auch lediglich im Hinblick auf bestimmte Prüfungszeiträume, so fehlt eine wesentliche Prüfungsgrundlage. Diese muß aber im Interesse des Schutzes des Steuerpflichtigen tatsächlich vorliegen; eine hypothetische Betrachtung vermag sie nicht zu ersetzen.

Es kann auch nicht anerkannt werden, daß das Gemeinschaftsrecht die Nacherhebung ohne Rücksicht auf ein nach innerstaatlichem Recht bestehendes Verwertungsverbot gebietet. Art. 5 NacherhVO, auf den das HZA sich insoweit bezieht, regelt als gemeinschaftsrechtliche Ausprägung des Vertrauensschutzes lediglich die Fälle des Ausschlusses der Nacherhebung bzw. des Absehens von ihr. Die Nachforderung selbst bestimmt sich nach innerstaatlichem Recht (Art. 4 NacherhVO; dazu Senat, Urteil vom 22. Oktober 1991 VII R 24/90, BFHE 166, 511, 514). Dieses bestimmt auch die Grenzen, innerhalb derer behördliche Feststellungen über unerhoben gebliebene Abgaben (vgl. Art. 2 Abs. 1 NacherhVO) zu treffen sind.

3. Ob die Rechte aus der Prüfungsanordnung, hätte der in ihr festgelegte Prüfungszeitraum sich auch auf die Jahre 1981/82 bezogen, als verwirkt anzusehen wären, braucht nicht entschieden zu werden. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob Art. 5 Abs. 2 NacherhVO den Nacherhebungen entgegengestanden hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418875

BFH/NV 1993, 515

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