Leitsatz (amtlich)

1. Setzt eine Kapitalgesellschaft, deren Gesellschafter nur eine einzige Person oder nur nahe Angehörige sind, ihr Gesellschaftskapital handelsrechtlich wirksam herab, so ist diese Herabsetzung auch steuerlich anzuerkennen, wenn die Herabsetzung im Interesse der Gesellschaft vorgenommen worden ist.

2. Liegt die Kapitalherabsetzung nicht im Interesse der Gesellschaft, sondern wird das Kapital herabgesetzt, um den Gesellschaftern Beträge zur Erfüllung privater Verbindlichkeiten zuwenden zu können, so kann in den Zahlungen eine verdeckte Gewinnausschüttung liegen, vor allem, wenn die offenen Reserven höher sind als der Betrag der Kapitalherabsetzung und wenn das Kapital verhältnismäßig kurze Zeit nach der Herabsetzung aus Gesellschaftsmitteln wieder aufgestockt wird.

2. Zur rechsverbindlichen Zusage des FA über eine künftige Sachbehandlung.

2. Zur Erhebung eines angebotenen Zeugenbeweises.

 

Normenkette

EStG §§ 17, 20; AO § 222 Abs. 1 Nr. 1; StAnpG § 1 Abs. 3, § 6; FGO § 76

 

Tatbestand

Die Stpfl. ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH, an deren Stammkapital sie zunächst mit 8 400 DM und ihr Ehemann mit 243 600 DM beteiligt waren. Sie erbte den Anteil ihres Mannes im März 1960. Die Erbschaftsteuer nach ihrem Mann betrug rund 115 000 DM. Da die Stpfl. keine flüssigen Mittel besaß, beschloß die GmbH, nachdem die Stpfl. zunächst mit mehreren Banken über einen Kredit zur Bezahlung der Erbschaftsteuer verhandelt hatte, auf Rat ihres Steuerberaters am 6. Mai 1961, ihr Stammkapital von 252 000 DM auf 100 000 DM herabzusetzen. Die GmbH zahlte im Jahre 1962 den Herabsetzungsbetrag von 152 000 DM an die Stpfl. aus. Am 30. Juli 1964 beschloß die GmbH, wie es bereits bei der Kapitalherabsetzung in Aussicht genommen war, aus Gesellschaftsmitteln das Stammkapital von 100 000 DM um 700 000 DM auf 800 000 DM zu erhöhen.

Das FA sah in der Kapitalherabsetzung einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (§ 6 Abs. 1 StAnpG) und behandelte die Auszahlung der 152 000 DM als verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an die Stpfl. Es stellte fest, die GmbH habe erst nach dem Tode des Ehemanns damit begonnen, Gewinne auszuschütten; die Gewinnvorträge seien trotz dieser Ausschüttungen doch noch gestiegen, und zwar von rund 680 000 DM am 31. Dezember 1960 auf rund 900 000 DM am 31. Dezember 1961 und auf rund 1,1 Millionen DM am 31. Dezember 1962. Die GmbH habe den Weg der Kapitalherabsetzung nur gewählt, um gehortete frühere Gewinne einkommensteuerfrei an die Stpfl. auskehren zu können. Das FA berichtigte deshalb, nachdem es von den Vorgängen durch ein Schreiben der für die Veranlagung der GmbH zuständigen Dienststelle vom 8. Mai 1964 Kenntnis erhalten hatte, den unanfechtbar gewordenen Einkommensteuerbescheid 1962 nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO und zog den Betrag von 152 000 DM bei der Stpfl. als Einkünfte aus Kapitalvermögen zur Einkommensteuer heran.

Die Stpfl. meint, die Ausschüttung der 152 000 DM sei nach § 5 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennbetrages aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer vom 30. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 834, BStBl I 1960, 14) steuerfrei; denn im Jahr 1962 seien mehr als fünf Jahre seit der letzten Kapitalerhöhung in der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) verstrichen gewesen. Das habe auch vor der Kapitalherabsetzung der für ihre Einkommensteuer zuständige, inzwischen gestorbene Sachgebietsleiter des FA erklärt, der ihrem Berater bei der Vorsprache am 14. Dezember 1960 die Zusage gegeben habe, daß sie bei einer Kapitalherabsetzung die zur Zahlung der Erbschaftsteuer benötigten Beträge steuerfrei dem GmbH-Vermögen entnehmen könne; eine schriftliche Anfrage an das FA sei wegen der eindeutigen Gesetzeslage nicht erforderlich. Ihr Berater habe über die Unterredung eine Aktennotiz gefertigt, die er allerdings dem FA damals nicht zugeleitet habe. Das FA sei an diese Zusage gebunden, da sie - die Stpfl. - nur im Vertrauen auf die Zusage des FA den jetzt beanstandeten Weg der Kapitalherabsetzung gewählt habe. Die Berichtigung der Einkommensteuerveranlagung 1962 sei im übrigen auch unzulässig, weil der Vorgang der Kapitalherabsetzung für das FA nicht "neu" im Sinne von § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gewesen sei; denn das Registergericht habe die Herabsetzung des Stammkapitals im Bundesanzeiger veröffentlicht und am 12. September 1962 dem FA mitgeteilt. Die Vorgänge seien auch der Erbschaftsteuerstelle bekannt gewesen. Es sei ein Mangel der innerdienstlichen Organisation, wenn unter diesen Umständen die Kapitalherabsetzung nicht zur Kenntnis der für die Veranlagung der Einkommensteuer zuständigen Stelle des FA gelangt sei.

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus: Rückzahlungen einer GmbH aus dem Stammkapital seien keine Gewinnausschüttungen, solange kein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vorliege. Ein Mißbrauch sei es aber, wenn eine Einmann- oder Familien-GmbH ihr Stammkapital herabsetze, nur um Ausschüttungen an ihre Gesellschafter machen zu können, obwohl erhebliche offene Reserven vorhanden seien, die ausgeschüttet werden könnten. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Ausschüttung falle auch nicht unter das Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln vom 30. Dezember 1959 (a. a. O.); denn die GmbH habe ihr Kapital nicht zuvor nach den Vorschriften dieses Gesetzes erhöht. Die Stpfl. könne sich auch nicht auf die angebliche Zusage des FA, die nicht schriftlich niedergelegt sei, berufen. Die Aktennotiz eines Beteiligten sei im allgemeinen nur von Bedeutung, wenn sie den anderen Beteiligten zugeleitet worden sei. Da der Sachgebietsleiter gestorben sei, könne nicht mehr geklärt werden, wie dieser den vorgetragenen Sachverhalt aufgefaßt, welche Erklärungen er abgegeben und ob ihn der Berater nicht mißverstanden habe. Diese Unklarheiten gingen zu Lasten der Stpfl. Die Tatsachen seien dem FA auch "neu" im Sinne von § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gewesen, da die Einkommensteuerstelle erst nach der Einkommensteuerveranlagung davon erfahren habe.

Die Stpfl. rügt unrichtige Anwendung von Bundesrecht und Verfahrensmängel. Sie rügt besonders, das FG habe es versäumt, ihren Berater und einen Angestellten der GmbH, die die Verhandlungen mit dem verstorbenen Sachgebietsleiter geführt hätten, als Auskunftspersonen über die Zusage zu hören. Sie habe im übrigen mit der Kapitalherabsetzung einen rechtlich zulässigen Weg gewählt, der auch im eigenen Interesse der GmbH gelegen habe, die so am besten ihre flüssigen Mittel habe schonen können. Hätte die GmbH die früheren Gewinne offen an sie ausgeschüttet, so hätte sie, da die Gewinnausschüttung der Einkommensteuer unterlegen hätte, zur Zahlung der Erbschaftsteuer einen erheblich höheren Betrag an sie - die Stpfl. - ausschütten müssen.

Der BdF, der gemäß § 122 Abs. 2 FGO dem Verfahren beigetreten war, hält es für unerheblich, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 StAnpG erfüllt sind. Eine Kapitalherabsetzung sei steuerlich anzuerkennen, wenn eine Kapitalgesellschaft ihr Kapital herabsetze, weil ihr Kapltalbedarf geringer geworden sei. Es sei aber eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn eine Kapitalherabsetzung nur den Zweck verfolge, bei unverändertem oder gar erhöhtem Kapitalbedarf die Ausschüttung von Rücklagen zu ersetzen. Es liege im Interesse der Gesellschaft, in erster Linie Rücklagen auszuschütten, wenn ihre Gesellschafter Mittel aus dem Gesellschaftsvermögen benötigten; denn dieser Weg sei einfacher und mache der Gesellschaft keine Kosten; soweit es sich um sog. berücksichtigungsfähige Ausschüttungen handle, komme auch ein geringerer Körperschaftsteuersatz in Betracht. Werde das Gesellschaftskapital herabgesetzt, obwohl hohe Reserven vorhanden seien, so sei die Kapitalherabsetzung steuerlich nur anzuerkennen, wenn die Gesellschafter dem FA wirtschaftlich vernünftige Gründe für den gewählten Weg darlegten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Senat hat im Urteil VI 72/60 U vom 9. August 1963 (BFH 77, 366, BStBl III 1963, 454) die Frage offengelassen, unter welchen Voraussetzungen die Auszahlung der durch eine Kapitalherabsetzung freigewordenen Mittel an die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG sein kann. Das FG hat seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des RFH gestützt, besonders auf die Urteile VI A 865/34 vom 27. März 1935 (RStBl 1935, 650), VIA 617/35 vom 27. Januar 1937 (RStBl 1937, 434), und I 113/37 vom 21. Juni 1938 (RStBl 1938, 941). Der RFH hat eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen, wenn in der Kapitalherabsetzung ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 Abs. 1 StAnpG liegt. Das konnte nach der Auffassung des RFH vor allem bei Einmann- oder Familiengesellschaften der Fall sein, wenn sie das Gesellschaftskapital nur zu dem Zweck herabsetzten, um gehortete Gewinne steuerfrei an ihre Gesellschafter ausschütten zu können. Der RFH stellte dabei vor allem darauf ab, ob die offenen Reserven der Gesellschaft nach der Kapitalherabsetzung noch höher blieben als der Herabsetzungsbetrag. Anders sah der RFH die Fälle, in denen beachtliche wirtschaftliche Gründe für die Kapitalherabsetzung dargetan werden konnten, z. B. wenn das bisherige Gesellschaftskapital im Betrieb nicht mehr benötigt wurde.

Die Rechtsauslegung des RFH ist im Schrifttum umstritten. Es wird hingewiesen auf die Ausführungen z. B. von Ranft (Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 20, Rechtsspruch 53); Grothus (Mitteilungsblatt der Steuerberater 1959 S. 45); Weissenborn (Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 4 S. 377); Mies (Die steuerliche Betriebsprüfung 1965 S. 231); Sambo (Der Betriebs-Berater 1966 S. 204); Littmann (Kurze Steuer- und Rechts-Nachrichten, Abteilung 10b S. 155); Börnstein (Der Betrieb 1960 S. 960); Schneider (Der Betrieb 1961 S. 824); Birkholz (Steuer und Wirtschaft, Kurzpost Gr. 5/533).

Es kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen in einer Kapitalherabsetzung ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne von § 6 Abs. 1 StAnpG liegen kann; denn es bedarf der Heranziehung des § 6 StAnpG nicht, wenn die rechtliche Form der Herabsetzung des Gesellschaftskapitals der wirtschaftlichen Bedeutung des Vorgangs nicht entspricht. Nach der Rechtsprechung des BFH sind gesellschaftsrechtlich einwandfreie Tatbestände, sofern sie vollzogen worden sind, grundsätzlich auch der steuerlichen Beurteilung zugrunde zu legen, und zwar auch dann, wenn die Beteiligten von mehreren möglichen Wegen den Weg gewählt haben, der für sie steuerlich am günstigsten ist. So hat der BFH z. B. Darlehen und stille Beteiligungen der Gesellschafter an ihrer GmbH als solche anerkannt, selbst wenn die GmbH unterkapitalisiert war oder die Gesellschafter nur 25 % ihrer Gesellschaftseinlagen eingezahlt hatten. Er betrachtet solche Darlehen und stille Beteiligungen nur dann als verdecktes Stammkapital der GmbH, wenn eine Zuführung von gesellschaftlich gebundenem Kapital zwingend notwendig gewesen wäre (BFH-Urteile I 130/55 U vom 20. August 1954, BFH 59, 329, BStBl III 1954, 336; I 136/59. U vom 6. Oktober 1959, BFH 70, 24, BStBl III 1960, 10; I 198/62 U vom 28. Oktober 1964, BFH 81, 329, BStBl III 1965, 119; IV 218/65 vom 18. März 1966, BFH 84, 539, BStBl III 1966, 197).

Auch bei der steuerrechtlichen Beurteilung von Kapitalherabsetzungen ist grundsätzlich vom Handelsrecht auszugehen.

Die Rückzahlung von Gesellschaftskapital an einen Gesellschafter ist darum im allgemeinen kein Kapitalertrag im Sinne von § 20 EStG, sondern ein einkommensteuerlich neutraler Vorgang im Vermögensbereich. Thiel (Der Betrieb 1967 S. 309) will allerdings die steuerrechtliche Beurteilung von den handelsrechtlichen Vorgängen lösen und Gewinnausschüttungen und Kapitalrückzahlungen steuerlich ohne Rücksicht auf ihre handelsrechtliche Form wirtschaftlich beurteilen. Er hält es steuerrechtlich für ausschlaggebend, ob ein Ausschüttungsvorgang dazu führt, daß das Buchvermögen laut Handelsbilanz die Summe der der Gesellschaft seit ihrer Entstehung zugeführten Einlagen (Nennbetrag des Kapitals zuzüglich Ausgabeaufgeld und sonstiger Einlagen) unterschritten wird. Andernfalls will er die Ausschüttungen als Kapitaleinkünfte behandelt wissen. Der Senat hält diesen Gedanken als Vorschlag an den Gesetzgeber für beachtlich, ist aber der Auffassung, daß er mit dem geltenden Gesetz und der ständigen Rechtsprechung des RFH und des BFH unvereinbar ist. Die §§ 17 und 20 EStG knüpfen eindeutig an handelsrechtliche Begriffe an. Es bedeutete auch einen Bruch mit der Tendenz der Rechtsprechung des BFH, die zunehmend klarer hervorgetreten ist, wenn man aus steuerlichen Überlegungen eine ernsthaft getroffene und durchgeführte bürgerlich-rechtliche Gestaltung nicht anerkennen wollte. Einschränkungen dieses Grundsatzes können im Steuerrecht nur gelten, wenn das Steuergesetz selbst eine klare Grundlage dafür bietet. Eine Rückzahlung von Gesellschaftskapital auf Grund einer Kapitalherabsetzung kann darum nicht schon zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag nach § 20 EStG führen, weil das Buchvermögen nach der Handelsbilanz die Summe der Einlagen noch übersteigt.

Allerdings können bürgerlich-rechtliche Gestaltungen steuerlich nur anerkannt werden, soweit sie ernstlich sind. Daran fehlt es oft bei Kapitalgesellschaften, die von einem Gesellschafter allein oder zusammen mit nahen Familienangehörigen beherrscht werden. Solche Gesellschaften werden steuerlich als echte Kapitalgesellschaften behandelt. Die Gesellschafter können z. B. mit ihrer Gesellschaft Dienstverträge schließen, Gegenstände kaufen und verkaufen, Mietverträge vereinbaren, Darlehen geben usw. Es muß aber stets beachtet werden, daß Gesellschaft und Gesellschafter rechtlich getrennte Personen mit eigenen Interessen sind. Tritt ein Gesellschafter also mit seiner Gesellschaft in Geschäftsverbindung, so müssen die Finanzbehörden prüfen, ob der Gesellschafter die Eigenpersönlichkeit der Kapitalgesellschaft, die er in das Rechtsleben eingeführt hat, auch wirklich respektiert hat. Der Gesellschafter darf bei Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft nicht seine Stellung als beherrschender Gesellschafter dazu benutzen, sich aus der Gesellschaft Vorteile zu verschaffen, die er nur als Geselischafter erlangen kann. Nutzt ein Gesellschafter seine Machtstellung im Verhältnis zur Gesellschaft dazu aus, sich solche Vorteile zu verschaffen, so liegt darin eine verdeckte Gewinnausschüttung. Maßstab ist dabei, ob eine der Gesellschaft fremde Person für die gleiche Leistung den gleichen Vorteil hätte erlangen können.

Darin liegt nicht etwa eine dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Schlechterstellung von personen- oder familienbezogenen Kapitalgesellschaften. Die Rechtsprechung behandelt solche Kapitalgesellschaften grundsätzlich nicht anders als Fremdgesellschaften. Nur wenn solche Gesellschaften ihren Gesellschaftern ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen suchen, tritt die Rechtsprechung dem mit dem Institut der verdeckten Gewinnausschüttung entgegen. Sie benachteiligt damit nicht die personen- und familienbezogenen Kapitalgesellschaften, sondern verhindert nur, daß sich solche Gesellschaften ungerechtfertigte Vorteile gegenüber anderen Kapitalgesellschaften verschaffen. Von diesen Erwägungen ist auch die Entscheidung des BVerfG 1 BvR 495/63 und 325/66 vom 11. Juli 1967 (BVerfGE 22, 156, HFR 1967, 465) betreffend die Nichtanerkennung nachträglich festgesetzter Vergütungen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer getragen.

Jemand, der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist oder zusammen mit seinen nahen Angehörigen mehr als 75 % des Gesellschaftskapitals hält, kann jederzeit die Herabsetzung des Gesellschaftskapitals nach § 222 AktG n. F., § 53 Abs. 2 GmbHG beschließen. Steuerlich kann aber ein solcher Beschluß nur beachtet werden, wenn die Gesellschafter bei der Beschlußfassung sich von den Interessen der Gesellschaft haben leiten lassen. Wenn ein Gesellschafter seine Machtstellung dazu benutzt, eine Kapitalherabsetzung zu beschließen und durchzuführen, ohne daß das im Interesse der Gesellschaft liegt oder obwohl das gar die Interessen der Gesellschaft schädigt, etwa weil die Kapitalherabsetzung das Ansehen und die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft beeinträchtigt oder die Auszahlung die Liquidität des Betriebs schwächt, so ist offensichtlich, daß der Gesellschafter bei seinen Maßnahmen die Eigenpersönlichkeit der Gesellschaft nicht respektiert und seine Interessen als Gesellschafter an die Stelle des Interesses der Gesellschaft gesetzt hat. Kapitalherabsetzungen, die nicht den Interessen der Gesellschaft entsprechen, sind in solchen Fällen steuerlich nicht anzuerkennen, weil der Gesellschafter zu seinem eigenen steuerhchen Vorteil die wirtschaftlichen Interessen der Kapitalgesellschaft hintangesetzt und so gehandelt hat, wie ein fremder Geschäftsführer nicht handeln würde und dürfte.

Setzt eine solche Kapitalgesellschaft trotz hoher Rücklagen ihr Kapital herab, um ihren Gesellschaftern die Möglichkeit zu verschaffen, aus dem zurückgezahlten Kapital eine private Schuld - hier die Erbschaftsteuer - zu bezahlen, und stockt sie dann nach einiger Zeit aus den offenen Rücklagen das Gesellschaftskapital auf den ursprünglichen Umfang oder sogar über die ursprüngliche Summe hinaus auf, so liegt die Annahme nahe, daß die betrieblichen Belange der Kapitalgesellschaft von vornherein eine Kapitalherabsetzung verboten hätten. Liegen zwischen einer derartigen zusammenhängenden Herabsetzung und Heraufsetzung des Gesellschaftskapitals nur wenige Jahre, so kann man in der Regel annehmen, daß nicht ernsthafte wirtschaftliche Interessen der Kapitalgesellschaft die Maßnahmen beeinflußt haben, sondern nur das steuerliche Eigeninteresse der beherrschenden Gesellschafter. Allerdings steht den Beteiligten der Nachweis offen, daß die Herabsetzung doch vorwiegend oder ausschließlich dem Interesse der Gesellschaft entsprochen hat.

Daß die Konstruktion einer verdeckten Gewinnausschüttung in Fällen der vorliegenden Art den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich aus der Systematik des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts. Dafür spricht aber auch § 5 des erwähnten Gesetzes vom 30. Dezember 1959 über steuerliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln. Nach dieser Vorschrift werden nämlich Rückzahlungen aus dem Gesellschaftskapital der Gesellschaft an ihre Gesellschafter bei diesen zur Einkommensteuer herangezogen, soweit sie aus einer Erhöhung des Gesellschaftskapitals aus eigenen Mitteln der Gesellschaft innerhalb der letzten fünf Jahre stammen. In solchen Fällen wird der Auszahlungsbetrag als Gewinnausschüttung behandelt, wobei es nicht der Feststellung eines beabsichtigten Mißbrauchs bedarf. In die gleiche Richtung weist auch § 17 Abs. 4 EStG 1965, wonach bei wesentlichen Beteiligungen ein dem Veräußerungsgewinn gleichstehender steuerpflichtiger Gewinn darin liegen kann, daß die Kapitalgesellschaft ihr Kapital herabsetzt und an die Anteilseigner zurückzahlt, soweit - und diesen Vorbehalt macht das Gesetz ausdrücklich - die Rückzahlung nicht als Gewinnanteil (Dividende) gilt. Der Gesetzgeber geht also unverkennbar davon aus, daß Fälle möglich sind, in denen die Rückzahlung von Gesellschaftskapital als Gewinnanteil zu behandeln ist.

Das FG konnte nach diesen Grundsätzen zu Recht den streitigen Betrag von 152 000 DM als verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an die Stpfl. behandeln (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Die GmbH war durch den Tod des Ehemannes und durch den Erbgang zur sogenannten Einmann-Gesellschaft geworden. Die Kapitalherabsetzung um 152 000 DM und die Auszahlung dieses Betrages dienten allein dem Interesse der Stpfl., die dadurch in die Lage gesetzt werden sollte und gesetzt wurde, zur Bezahlung der Erbschaftsteuer die mit einer Zinsverpflichtung belastete Kreditaufnahme bei einer Bank zu vermeiden. Die Zahlung der Erbschaftsteuer aus Mitteln der GmbH lag auch nicht etwa deshalb im Interesse der GmbH, weil die Erbschaftsteuer im wesentlichen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Geschäftsanteils an der GmbH entstanden war; denn ein Wechsel der Gesellschafter berührt die Gesellschaft als solche nicht. Daß die Herabsetzung des Gesellschaftskapitals dem Interesse der Gesellschaft nicht entsprach, war den Beteiligten auch bewußt; denn sie planten bereits bei der Kapitalherabsetzung eine erhebliche Erhöhung des Gesellschaftskapitals aus Mitteln der Gesellschaft in absehbarer Zeit; sie haben diese Erhöhung im Jahr 1964 auch tatsächlich vorgenommen. Die Stpfl. kann sich auch nicht darauf berufen, daß eine Kapitalherabsetzung für die GmbH vorteilhafter war als eine offene Gewinnausschüttung, da die GmbH, weil die Ausschüttungen an die Stpfl. bei dieser die Einkommensteuer ausgelöst hätten, sonst mehr an die Stpfl. hätte auszahlen müssen. Auch diese Erwägung berührt nicht das Interesse der GmbH, sondern das ihrer Gesellschafterin.

Das FG konnte auch ohne Rechtsverstoß annehmen, daß der Einkommensteuerveranlagungsstelle eine neue Tatsache im Sinn von § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO bekanntgeworden sei. Der zuständige Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter der Einkommensteuerveranlagungsstelle haben nach den Feststellungen des FG den für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung maßgebenden Sachverhalt erst durch das Schreiben des Körperschaftsteuerbezirks desselben FA vom 8. Mai 1964 erfahren. Dem steht nicht entgegen, daß das Amtsgericht schon zuvor die Kapitalherabsetzung im Bundesanzeiger veröffentlicht und einen Registerauszug dem FA übersandt hatte. Den Bearbeitern der Einkommensteuer könnte die fehlende Kenntnis nur zugerechnet werden, wenn ihre Unkenntnis auf einem schuldhaften Verhalten beruht hätte. Davon kann hier nicht die Rede sein. Die von der Stpfl. vorgetragenen Tatsachen ergeben sich nicht aus den in der Einkommensteuerdienststelle geführten Akten, da der Registerauszug nicht dem Einkommensteuer-, sondern dem Körperschaftsteuerbezirk zugeleitet worden war. Wie der BFH insbesondere in den Urteilen IV 143/56 U vom 10. Juli 1958 (BFH 67, 239, BStBl III 1958, 365) und IV 111/63 vom 3. August 1967 (BFH 90, 6, BStBl III 1967, 766) ausgeführt hat, kommt es für die Anwendung des § 222 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht auf die Kenntnis des FA oder der Finanzverwaltung als Einheit an, sondern auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Streitfalls berufenen Dienststelle des zuständigen FA. Es ist daher nicht von Bedeutung, ob die Körperschaftsteuerstelle desselben FA oder die Erbschaftsteuerstelle bei einem anderen FA von den Vorgängen um die Kapitalherabsetzung Kenntnis gehabt hat oder hätte haben müssen.

Wenn so auch dem FG in den wesentlichen Punkten zuzustimmen ist, so muß doch die Rüge mangelnder Sachaufklärung im Zusammenhang mit der behaupteten Zusage des inzwischen gestorbenen Sachgebietsleiters zur Aufhebung der Vorentscheidung führen. Nach der Grundsatzentscheidung des Senats VI 269/60 S vom 4. August 1961 (BFH 73, 813, BStBl III 1961, 562) kann das FA einem Steuerpflichtigen rechtsverbindlich zusagen, bei der späteren Veranlagung einen Sachverhalt im bestimmten Sinn rechtlich zu behandeln. Hat der Steuerpflichtige auf Grund einer solchen Zusage wirtschaftlich disponiert, so ist das FA nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes für den Bürger an seine Erklärung gebunden. Die durch eine Zusage eintretende Selbstbindung der Verwaltung setzt jedoch voraus, daß der Steuerpflichtige dem FA den Sachverhalt vollständig unterbreitet hat, daß der zuständige Sachgebietsleiter die Zusage erteilt hat und daß er das FA durch die Zusage binden wollte. Das Ersuchen des Steuerpflichtigen und die Zusage des FA brauchen nicht unbedingt schriftlich gestellt und erteilt zu werden; auch mündliche Zusagen auf Grund eines mündlich vorgetragenen Sachverhalts sind nicht ausgeschlossen (BFH-Urteil II 176/63 vom 9. Mai 1967, BFH 89, 20, BStBl III 1967, 522). Andererseits werden, wie der Senat in der Entscheidung VI 269/60 S (a. a. O.) hervorgehoben hat, Ersuchen der Steuerpflichtigen und Zusicherungen des FA, die ernsthaft als solche gemeint sind, wegen ihrer rechtlichen Tragweite nach der Übung im Rechtsverkehr in der Regel schriftlich gestellt und gegeben. Wird über eine so wichtige Frage nur mündlich verhandelt, so liegt die Annahme nahe, daß nur eine unverbindliche Meinungsäußerung des befragten Beamten erstrebt und gegeben wurde.

Im Streitfall hat die Stpfl. sich auf das Zeugnis ihres Beraters und eines Angestellten der GmbH zum Beweis dafür berufen, daß der verstorbene Sachgebietsleiter klar und eindeutig die mündliche Zusage gegeben habe, den aus der Kapitalherabsetzung frei werdenden Betrag von 152 000 DM bei der Stpfl. einkommensteuerfrei zu lassen, wie es sich aus der von ihrem Berater gefertigten Aktennotiz, die dem FG eingereicht wurde, ergebe. Bei dieser Sachlage hätte das FG auf die Vernehmung der beiden Zeugen nicht zum Nachteil der Stpfl. verzichten dürfen, auch wenn der verstorbene Sachgebietsleiter keinen Vermerk in den Einkommensteuerakten gefertigt und der Berater seine Aktennotiz nicht zu den Einkommensteuerakten der Stpfl. gegeben hatte. Das FG muß nach § 76 FGO den Sachverhalt unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel bis zur Grenze des Zumutbaren so vollständig wie möglich aufklären. Es darf von der Vernehmung von Zeugen, die ein Steuerpflichtiger benannt hat, nur absehen, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen rechtsunerheblich sind oder wenn es die Richtigkeit der zu bekundenden Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen als wahr unterstellt (BFH-Urteil II 120/63 vom 30. Mai 1967, BFH 89, 65, BStBl III 1967, 520). Hier hat das FG offenbar, ohne die Zeugen zu hören, die unter Beweis gestellten Tatsachen für nicht bewiesen gehalten. Eine solche vorweggenommene Würdigung eines angebotenen Beweises widerspricht prozessualen Grundsätzen. Hat das FG im weiteren Verfahren die benannten Zeugen gehört, so muß es nochmals würdigen, ob der verstorbene Beamte, der zur Vertretung des FA berechtigt war, der Stpfl. ausnahmsweise trotz fehlender Schriftform eine das FA bindende Zusage hat geben wollen. Wie das FG zutreffend bemerkt, gehen Unklarheiten in der Feststellung der Bindungswirkung zu Lasten der Stpfl., die es versäumt hat, die Zusage schriftlich fixieren zu lassen.

Das angefochtene Urteil war aus diesem Grund aufzuheben. Die nichtspruchreife Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es über die behauptete Zusage Beweis erhebt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412876

BStBl II 1968, 145

BFHE 1968, 485

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