Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerpflichtiger, der in seinem Gewerbebetrieb Verlust erlitten hat und der auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, muß zur Wahrung der Vergünstigung des Verlustabzugs Veranlagung beantragen.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 4, § 46 Abs. 1 Ziff. 4, § 10d

 

Tatbestand

Strittig ist der Abzug von gewerblichen Verlusten aus den Veranlagungszeiträumen II/1948 und 1949 von den Einkünften des Jahres 1950.

Der Beschwerdeführer (Bf.) hatte in den Veranlagungszeiträumen II/1948 und 1949 folgende Einkünfte (Verluste):

II/1948 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit --------------- 9.218 DM Einkünfte aus Landwirtschaft, Kapitalvermögen und Vermietung insgesamt ------------------------------- 516 DM Verlust aus Gewerbebetrieb ------------------------- - 17.090 DM 1949 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit -------------- 17.688 DM Einkünfte aus Landwirtschaft, Kapitalvermögen und Vermietung insgesamt ------------------------------- 758 DM Verlust aus Gewerbebetrieb ------------------------- - 34.180 DM Von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit war die Lohnsteuer einbehalten worden. Eine Veranlagung für II/1948 und 1949 war nicht vorgenommen worden, weil der Bf. eine Veranlagung wegen berechtigten Interesses nicht beantragt hatte (ß 46 Abs. 1 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Im Veranlagungszeitraum 1950 hatte der Bf. Einkünfte im Gesamtbetrag von 129.902 DM. Das Finanzamt berücksichtigte als Verlustabzug 23.090 DM. Es ging davon aus, daß die Verluste aus Gewerbebetrieb der Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 zunächst mit den Einkünften dieser Veranlagungszeiträume ausgeglichen werden müssen. Die Verluste für II/1948 und 1949 von (17.090 DM + 34.180 DM =) 51.270 DM müßten zunächst mit den Einkünften des Bf. in diesem Zeitraum in Höhe von (9.734 DM + 18.446 DM =) 28.180 DM verrechnet werden. Nur der überschießende Betrag des Verlustes von (51.270 DM - 28.180 DM =) 23.090 DM könne von den Einkünften des Jahres 1950 abgezogen werden (ß 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1950).

Der Bf. hält einen Ausgleich von Verlusten mit seinen früheren Einkünften nur insofern für zulässig, als diese nicht der Lohnsteuer unterworfen waren. Er beantragt einen Verlustabzug in Höhe von 51.270 DM - (516 DM + 758 DM) = 49.996 DM.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Auch das Finanzgericht vertrat die Ansicht, daß ein Verlustausgleich insoweit nicht in Betracht komme, als die Verluste in den Vorjahren und insbesondere auch im Jahr der Entstehung hätten ausgeglichen oder abgezogen werden können. Wenn eine Veranlagung für die Vorjahre mangels eines entsprechenden Antrags des Bf. unterblieben sei und damit weder ein Verlustausgleich noch ein Verlustabzug stattgefunden habe, so könne der Bf. daraus keinerlei Rechte herleiten. Er habe die Möglichkeit gehabt, einen Antrag auf Veranlagung zu stellen und hätte dies tun müssen, um den Verlustausgleich oder Verlustabzug zu erreichen. Die Möglichkeit der Antragstellung begründe nicht etwa ein Wahlrecht in dem Sinne, daß sich der Steuerpflichtige das jeweils Günstigste aussuchen könne. Die Nichtausnutzung führe daher zum Verbrauch des Verlustes insoweit, als dieser in den Vorjahren weder ausgeglichen noch abgezogen worden sei. Wenn der Reichsfinanzhof seinerzeit eine Auswirkung des Verlustes dort nicht angenommen habe, wo der Steuerpflichtige im Verlustjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gehabt habe, so beruhe dies auf der damaligen Regelung der Einkommensteuer, nach der es eine Veranlagung wegen berechtigten Interesses und eine Erstattungsmöglichkeit für die bezahlte Lohnsteuer nicht gegeben habe. Bei der heutigen Regelung der Lohnsteuer sei die Entscheidung überholt.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Bf. die Anerkennung des Verlustabzugs in der von ihm von vornherein geltend gemachten Höhe von 49.996 DM. Er ist der Meinung, daß es seinem freien Belieben überlassen gewesen sei, den Antrag auf Veranlagung wegen berechtigten Interesses zu stellen. Wenn er ihn nicht gestellt habe, so könne daraus kein Verbrauch des Verlustes hergeleitet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1950 können die Verluste der drei Vorjahre auf Antrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, aber nur insoweit, als "sie nicht bei der Veranlagung für die vorausgegangenen Kalenderjahre ausgeglichen oder abgezogen worden sind". Der Steuerpflichtige soll zwar, soweit nicht die zeitliche Beschränkung eingreift, nicht nach dem Periodengewinn, sondern nach dem Gesamtgewinn besteuert werden. Es soll ihm jedoch nicht überlassen sein, den Verlust willkürlich von den Einkünften der begünstigten Jahre abzuziehen. Hätte der Verlust bereits in einem der Vorjahre ausgeglichen oder abgezogen werden können, so hat der Steuerpflichtige für das spätere Jahr sein Antragsrecht (die Abzugsmöglichkeit) verloren.

Ob sich das für den Steuerpflichtigen im Einzelfall günstig oder ungünstig auswirkt, ist ohne Bedeutung. Es widerspricht dem Wesen des Verlustabzugs, die Beträge, die im Verlustjahr bereits bei der Festsetzung der Einkommensteuer berücksichtigt werden können, auf spätere Jahre zu übertragen (vgl. die Entscheidung des erkennenden Senats IV 44/50 S vom 2. Februar 1951, Slg. Bd. 55 S. 141, Bundessteuerblatt 1951 III S. 55).

Der Verbrauch des Verlustes ist in den Fällen zweifelsfrei, in denen ein Steuerpflichtiger positive Einkünfte gehabt hat und wegen des Verlustausgleichs oder Verlustabzugs zu einer niedrigeren Einkommensteuer veranlagt ist, als er ohne den Verlustabzug veranlagt worden wäre. Wäre der Steuerpflichtige wegen des Verlustes frei veranlagt oder nicht veranlagt worden, so wäre der Verlust insoweit verbraucht, als er sich mit den positiven Einkünften deckte und sich insoweit auswirkte.

Die Besonderheit des Streitfalles liegt darin, daß ein Teil der Gesamteinkünfte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit waren, die der Lohnsteuer unterlagen. Weil eine Veranlagung für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 nicht stattfand und dementsprechend weder ein Verlustausgleich noch ein Verlustabzug vorgenommen worden ist, ist es bei der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit verblieben. Hätte der Bf. gemäß § 46 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1949 seine Veranlagung beantragt, so wäre seine Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 auf je 0 DM festgesetzt worden; die einbehaltene Lohnsteuer wäre in vollem Umfang erstattet worden. Es ist zu entscheiden, ob der Bf., um sich die Möglichkeit des Verlustabzugs zu erhalten, den Antrag auf Veranlagung hätte stellen müssen.

Wenn im Schrifttum das Wahlrecht des Steuerpflichtigen damit begründet wird, daß der Reichsfinanzhof jede Auswirkung des Verlustes bei einem Zusammentreffen mit lohnsteuerpflichtigen Einkünften verneint habe (vgl. die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 294/40 vom 29. Oktober 1941, Reichssteuerblatt 1942 S. 84), so wird hierbei verkannt, daß das seinerzeitige Einkommensteuerrecht vom heutigen Recht abweicht. Damals war eine Erstattung der Lohnsteuer nicht zulässig.

Der Antrag gemäß § 46 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1950 ist zwar, wie der Wortlaut ergibt, grundsätzlich in das Belieben des Steuerpflichtigen gestellt. Trotzdem wird man aber nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1950 zu dem Ergebnis kommen müssen, daß das Unterlassen des Antrags zu einem entsprechenden Verlust der Vergünstigung führt.

Es würde mit dem Grundsatz der gleichen Behandlung der Lohnsteuerpflichtigen und der veranlagten Steuerpflichtigen im Widerspruch stehen, wenn dem Lohnsteuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt würde, die Höhe des Verlustabzugs nach Belieben zu beeinflussen (vgl. auch Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz 1955, Anmerkung 2b zu § 46 S. 1250, und Peters-Herrmann, Einkommensteuergesetz, Anmerkung 7 zu § 46).

Die Verluste der Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 müssen demnach insoweit als verbraucht angesehen werden, als der Bf. ihre Berücksichtigung (bei der Einkommensteuerveranlagung 1950) durch eine Veranlagung jener Jahre hätte erreichen können. Der vom Finanzamt nur für den Rest durchgeführte Verlustabzug ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

In der Nichtberücksichtigung des Verlustes liegt insofern eine Härte, als die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in den Veranlagungszeiträumen II/1948 und 1949 zur Lohnsteuer herangezogen worden sind. Das vermag aber an dem Ergebnis der Veranlagung 1950 nichts zu ändern. Ob und inwieweit eine Beseitigung der Härte aus Billigkeitserwägungen nach § 131 der Reichsabgabenordnung in Betracht kommt, ist im gegenwärtigen Verfahren nicht zu prüfen. Es ist dies Aufgabe der Verwaltung und setzt einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408348

BStBl III 1956, 41

BFHE 1956, 108

BFHE 62, 108

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