Leitsatz (amtlich)

1. Für die Bestimmung der Gegenleistung ist nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Kaufpreis bezeichnen, sondern was nach dem Inhalt des Vertrags der Käufer als Gegenleistung (Kaufpreis) zu erbringen hat (BFHE 91, 130; 106, 236).

2. Die Übernahme einer Fremdhypothek in Anrechnung auf den Kaufpreis bedeutet in der Regel, daß damit ein entsprechender Teil der Leistung des Käufers unmittelbar bewirkt wird und der bezeichnete Kaufpreis nur eine Rechnungsgröße sein soll.

2. Die Annahme einer Leistung an Erfüllung Statt setzt ein bereits bestehendes, auf eine andere Leistung gerichtetes Schuldverhältnis voraus.

 

Normenkette

GrEStG 1940 § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 157, 433

 

Tatbestand

Die Klägerin hat im Jahr 1967 ein in Berlin belegenes Grundstück gekauft. Der Vertrag nennt als "Kaufpreis" 575 023,80 DM. Dieser Betrag war in Höhe von 475 023,80 DM dadurch "belegt". daß die Klägerin auf dem Grundstück lastende Hypotheken und Grundschulden übernehmen und den Verkäufer von den diesen zugrunde liegenden Forderungen in der angenommenen Höhe von 467 773,80 DM sowie der Schuld aus einem Mieterdarlehen von 7 250 DM befreien sollte. Der "Restbetrag von 100 000 DM" war bei dem beurkundenden Notar zu hinterlegen mit der unwiderruflichen Anweisung, ihn an den Verkäufer auszuzahlen, sobald der Anspruch der Klägerin auf Eintragung des Eigentums im Grundbuch vorgemerkt war. Sofern die Valutastände der Grundpfandrechte mit den angenommenen Beträgen nicht übereinstimmten, sollte die Differenz in bar ausgeglichen werden.

Das FA (Beklagter) hat gegen die Klägerin aus dem "Kaufpreis" von 575 023,80 DM eine Grunderwerbsteuer von 40 251,65 DM festgesetzt. Die Klägerin gesteht eine Besteuerungsgrundlage von 252 657,27 DM und eine Grunderwerbsteuer von 17 686 DM zu; sie ist der Ansicht, die Valutabeträge der übernommenen Grundpfandrechte seien abzuzinsen. Das FG hat ihre Klage abgewiesen. Es ist der Ansicht, der Betrag von 575 023,80 DM stelle den "vereinbarten Preis" dar; die Übernahme der Forderungen sei eine Leistung an Erfüllung Statt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 durch Nichtanwendung des § 157 BGB.

Für die Bestimmung des Kaufpreises als Teil der Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 ist nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Kaufpreis bezeichnen, sondern was nach dem Inhalt des Vertrags der Käufer als Kaufpreis zu erbringen hat (Urteile des BFH vom 14. November 1967 II 93/63, BFHE 91, 130 [131], und vom 26. April 1972 II R 188/71, BFHE 106, 236 [238]). Sind neben dem (als Barleistung) in Geld festgesetzten Preis andere Leistungen bedungen, zählen auch diese zum vereinbarten Preis (vgl. zur Börsenumsatzsteuer Urteil vom 8. Mai 1974 II 133/65, BFHE 112, 299 [303], BStBl II 1974, 470); der Kaufpreis setzt sich dann im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 aus dem Barpreis und den "vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen" zusammen. Ein Betrag, an den keine rechtlichen Folgerungen geknüpft sind, und der selbst im Fall des § 472 Abs. 1 BGB unerheblich wäre (vgl. § 473 BGB), ist bereits im Sinn des bürgerlichen Rechts kein Kaufpreis, selbst wenn ihn die Beteiligten im Vertrag als solchen bezeichnet haben.

Entsprechend hat in einer Aufwertungssache das RG bereits im Urteil vom 13. Februar 1928 VI 333/27 (RGZ 120, 166 [169]) erkannt. Das FG sieht den Unterschied darin, daß in dem dort entschiedenen Fall wesentlich war, ob überhaupt eine Geldforderung vorlag, in dem vorliegenden dagegen, ob der vereinbarte Kaufpreis oder die einzelnen Leistungen der Besteuerung zugrunde zu legen seien. Es übersieht dabei, daß die eine wie die andere Frage davon abhängt, zu welchen Leistungen sich der Käufer verpflichtet (vgl. § 445 BGB).

Richtig ist allerdings, daß die Übernahme von Hypotheken und Grundschulden "in Anrechnung auf den Kaufpreis" das Entstehen einer Geldforderung des Verkäufers in der vollen Höhe des insgesamt vereinbarten Kaufpreises (vgl. § 433 Abs. 2 BGB) nicht stets ausschließt. Gerade in dem vom Finanzgericht erwähnten Urteil des RG vom 26. März 1928 VI 356/27 (RGZ 121, 38 [41]) ist aber ausgesprochen, "die Übernahme einer Fremdhypothek in Anrechnung auf den Kaufpreis" werde zwar nicht für den dort entschiedenen Fall, aber "in der Regel dahin zu deuten sein, daß damit ein entsprechender Teil der Leistung des Käufers unmittelbar bewirkt wird" und "der Kaufpreis insoweit nur eine Rechnungsgröße sein solle". Das RG hat dann eingehend begründet, warum es im entschiedenen Fall unter Würdigung des Vertrags und seiner Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) anders gelegen haben kann.

Demgegenüber hat das FG keine Tatsachen festgestellt, die dem "wirklichen Willen" der Vertragschließenden (§ 133 BGB) einen anderen Inhalt geben würden, als er nach Treu und Glauben dem objektiven Inhalt des Vertrags zu entnehmen ist (§ 157 BGB). Dieser gibt aber keinen Anhalt dafür, daß der Verkäufer jemals die Zahlung des vollen Betrags verlangen könnte (§ 433 Abs. 2 BGB), der als Kaufpreis bezeichnet worden ist. Damit scheidet die Annahme aus, daß der bezeichnete "Kaufpreis" der vereinbarte sei, den der Kläger zu leisten gehabt hätte (§ 241 Satz 1 BGB); mit dieser fällt die weitere Annahme des FG, die Übernahme der Grundpfandrechte sei "an Erfüllung Statt" zu bewirken (§ 364 Abs. 1 BGB). Denn eine solche Leistung setzt - wie in den vom FG erwähnten Urteilen des RG vom 13. Februar 1928 VI 333/27 (RGZ 120, 166) und vom 26. März 1928 VI 356/27 (RGZ 121, 38) ebenfalls hervorgehoben - ein bereits bestehendes, auf eine andere Leistung gerichtetes Schuldverhältnis voraus. Auch das Urteil des RFH vom 9. Dezember 1930 II A 631/30 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919/1927 § 12 Abs. 1 Rechtsspruch 24) stützt die Ansicht des FG nicht; es hat die Sache eben deshalb an das FG zurückverwiesen, weil die Prüfung unterlassen war, "ob nicht die Übernahme des Bauhilfedarlehens als unmittelbare Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks anzusehen ist". Im übrigen wird auf das Urteil des BFH vom 26. April 1972 II R 188/71 (BFHE 106, 236) Bezug genommen.

Die Grunderwerbsteuer war demnach aus dem Wert der Leistungen zu errechnen, die der Kläger vereinbarungsgemäß zu erbringen hatte. Die wertbildenden Tatsachen und die sich nach Abrechnung im einzelnen ergebenden Leistungen sind nicht festgestellt. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann diese Feststellung nicht durch eine - gegebene oder auch nur vermeintliche - Übereinstimmung der Beteiligten ersetzt werden (§ 118 Abs. 2 FGO). Es ist auch nicht festgestellt, ob nicht - etwa in Verbindung mit der Unverzinslichkeit oder niedrigen Verzinslichkeit der Darlehen - noch sonstige Leistungen zu erbringen sind.

Demzufolge waren das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71714

BStBl II 1976, 128

BFHE 1976, 287

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge