Leitsatz (amtlich)

1. Zinsen für ein Darlehen, das die Trägerkörperschaft dem Betrieb gewerblicher Art gewährt, sind verdeckte Gewinnausschüttungen, soweit das Eigenkapital des Betriebs gewerblicher Art wegen des gewährten Darlehens nicht einen bestimmten Vomhundertsatz des Aktivvermögens erreicht.

2. Der Vomhundertsatz bestimmt sich nach der Kapitalstruktur gleichartiger Unternehmen der Privatwirtschaft im maßgebenden Zeitraum.

2. Das Aktivvermögen ist für die Berechnung um die Baukostenzuschüsse zu kürzen.

2. Von der Trägerkörperschaft gewährte unverzinsliche Darlehen sind für die Berechnung als Eigenkapital anzusetzen.

2. Stille Reserven sind für die Berechnung weder beim Aktivvermögen noch beim Eigenkapital zu berücksichtigen.

 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Stadt X, die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), unterhält unter der Bezeichnung "Stadtwerke der Stadt X" (Stadtwerke) einen Versorgungsbetrieb. Die Stadtwerke hatten bis 1973 ausschließlich die Strom- und Wasserversorgung der Stadt X betrieben. Ihre Stromversorgungsanlagen sind am 1. April 1974, nachdem die Kaufverhandlungen bereits 1972 eingeleitet worden waren, verkauft worden. Die Klägerin gewährte den Stadtwerken seit der Währungsreform Darlehen in Form von sogenannten Kassenmehrausgaben. Die Darlehen, die in den Bilanzen der Stadtwerke als solche ausgewiesen waren, wurden nicht verzinst. Die Klägerin wandelte mit Gemeinderatsbeschluß vom 31. August 1970 die Kassenmehrausgaben zum 1. Januar 1969 in ein mit 7,5 v. H. verzinsliches Darlehen in Höhe von 200 000 DM um. Dieses Darlehen, das in der Bilanz der Stadtwerke zum 31. Dezember 1972 noch in Höhe von 134 000 DM ausgewiesen war, wurde am 27. November 1973 getilgt. In der handelsrechtlichen Erfolgsrechnung wurden die Zinsen vom 1. Januar bis 30. November 1973 gewinnmindernd gebucht. Die Bilanz der Stadtwerke zum 31. Dezember 1973 weist Kassenmehrausgaben in Höhe von 243 432,22 DM aus, für die keine Zinsen berechnet worden sind. Diese Beträge sind laut Buchung am 2. April 1973 dem Betrieb zugeführt und zur Ablösung von Fremddarlehen des Stromversorgungsbetriebes verwendet worden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) hat die Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt; die Eigenkapitalausstattung der Stadtwerke habe 40 v. H. der Bilanzsumme nicht erreicht. Das FA stellte dabei folgende Berechnung auf:

31. 12. 1972 31. 12. 1973

DM DM

Aktivvermögen lt. Bilanz 1 905 681 1 801 593

Bauzuschüsse lt. Bilanz 141 191 165 353

Berichtigtes Aktivvermögen 1 764 490 1 636 240

davon 40 v. H.

angemessenes Eigenkapital 705 796 654 496

Eigenkapital lt. Bilanz 527 984 544 094

Fehlkapital 177 812 110 402

durchschnittliches

Fehlkapital im Jahr 1973 144 107

Da der Darlehensbetrag in Höhe von 134 000 DM unter dem durchschnittlichen Fehlkapital gelegen habe, sei das Darlehen in voller Höhe als verdecktes Stammkapital und seien somit die zeitanteiligen Zinsen in Höhe von 7,5 v.H. aus 134 000 DM = 9 212 DM als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln.

Der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1978, 239 veröffentlichten Urteil statt.

Das FG hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG Subjekt der Körperschaftsteuer wegen der Stadtwerke (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391). Das Einkommen der Stadtwerke ist dabei gesondert zu ermitteln (vgl. BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391).

Auf die Beziehungen zwischen der Klägerin (der Trägerkörperschaft) und den Stadtwerken finden nach der Rechtsprechung des BFH die Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung Anwendung, wie sie zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern gelten (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 6 KStG Anm. 244, Stichwort: "Betrieb gewerblicher Art"). Dabei geht die neuere Rechtsprechung von der Möglichkeit aus, daß zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art Vereinbarungen getroffen werden, obwohl der Betrieb gewerblicher Art kein eigenes Rechtssubjekt ist.

Dem steht das Urteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391 nicht entgegen, obwohl die frühere Rechtsprechung bei der Prüfung der Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, darauf abstellte, daß der Betrieb gewerblicher Art ein selbständiges Steuersubjekt sei (vgl. etwa BFH-Urteil vom 29. November 1960 I 145/60 U, BFHE 72, 179, BStBl III 1961, 67). Das Urteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391 schließt nicht aus, daß die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung im Rahmen der gesonderten Einkommensermittlung des Betriebs gewerblicher Art anzuwenden sind; denn das Einkommen ist so zu ermitteln, als ob der Betrieb gewerblicher Art im Verhältnis zur Trägerkörperschaft ein selbständiges Rechtssubjekt wäre (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1978 I R 149/75, BFHE 126, 396, BStBl II 1979, 192). Danach sind auch im vorliegenden Fall die Stadtwerke so zu behandeln, als seien sie eine Kapitalgesellschaft. Es ist zu prüfen, ob die einer Kapitalgesellschaft gleichzustellenden Stadtwerke durch die Zinszahlungen der wie eine Gesellschafterin zu behandelnden Klägerin einen Vermögensvorteil zugewendet haben, der unter sonst gleichen Umständen bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt worden wäre (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 1980 I R 75/78, BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492).

Gewährte die Trägerkörperschaft dem Betrieb gewerblicher Art ein Darlehen, so stellt die Rechtsprechung bei der Prüfung, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, darauf ab, ob das von der Trägerkörperschaft zur Verfügung gestellte Eigenkapital (Widmungskapital und offene Reserven) 40 v.H. der Aktivseite der Bilanz beträgt (vgl. grundlegend BFH-Urteile vom 6. August 1962 I 65/60 U, BFHE 75, 502, BStBl III 1962, 450, und vom 24. Juni 1970 I R 10/69, BFHE 99, 373, BStBl II 1970, 694), oder ob die bei gleichartigen Unternehmen im Durchschnitt übliche Finanzierung durchgeführt wurde (BFH-Urteil vom 17. Januar 1964 III 65/63 U, BFHE 78, 395, BStBl III 1964, 154). Soweit das zur Verfügung gestellte Eigenkapital unter dieser Grenze lag, wurde das von der Trägerkörperschaft zur Verfügung gestellte Darlehen als Eigenkapital behandelt mit der Folge, daß die dafür angefallenen Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen wurden. Maßgebend für die Rechtsprechung war dabei der Gedanke der Gleichstellung des Betriebs gewerblicher Art mit entsprechenden Privatunternehmen. Dies machte es erforderlich, beim Betrieb gewerblicher Art einen objektiven Maßstab zu finden, der eine ähnliche, das Ermessen der Gesellschafter einschränkende Bedeutung hat, wie sie bei Kapitalgesellschaften der Notwendigkeit eines bestimmten Nennkapitals zukommt.

Der Senat hält daran fest, daß das maßgebende Eigenkapital nach einem bestimmten Prozentsatz des Aktivvermögens zu bemessen ist. Dies führt bei der Einkommensermittlung der Körperschaften des öffentlichen Rechts hinsichtlich der Betriebe gewerblicher Art insoweit zu einer Abweichung gegenüber der Einkommensermittlung bei Kapitalgesellschaften. Kapitalgesellschaften können grundsätzlich die Höhe der Eigenfinanzierung ohne steuerliche Folgen frei bestimmen, da nach der Rechtsprechung verdecktes Gesellschaftskapital nur in Ausnahmefällen denkbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1975 I R 135/74, BFHE 117, 467, BStBl II 1976, 226 mit weiteren Nachweisen). Diese unterschiedlichen Auswirkungen sind jedoch durch die Besonderheiten der Körperschaften des öffentlichen Rechts hinsichtlich ihrer Betriebe gewerblicher Art gerechtfertigt. Diese bestehen vor allem darin, daß der Betrieb gewerblicher Art grundsätzlich keine eigene Rechtspersönlichkeit hat, was insbesondere auf den hier zu entscheidenden Fall eines Eigenbetriebes zutrifft. Wegen des Fehlens eines zivilrechtlichen Zuordnungsmaßstabes hat die Rechtsprechung daraus abgeleitet, daß betriebsnotwendige Gegenstände für steuerliche Zwecke dem Betriebsvermögen des Betriebs gewerblicher Art zuzurechnen sind, ohne daß es darauf ankommt, daß die Trägerkörperschaft eine entsprechende Zuweisung vorgenommen hat (vgl. BFH-Urteile vom 22. Juli 1964 I 136/62 U, BFHE 80, 235, BStBl III 1964, 559, und vom 12. Juli 1967 I 267/63, BFHE 89, 416, BStBl III 1967, 679). Diese Grundsätze gelten auch für die nach dem Urteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391 vorzunehmende Einkommensermittlung hinsichtlich des Betriebs gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, obwohl die Geltung dieser Grundsätze auch damit begründet wurde, daß der Betrieb gewerblicher Art für das Körperschaftsteuerrecht selbständig sei (vgl. Urteil in BFHE 80, 235, BStBl III 1964, 559). Für die Ermittlung des Einkommens der Körperschaft des öffentlichen Rechts hinsichtlich des Betriebs gewerblicher Art ist von einer fiktiven Selbständigkeit auszugehen, um eine auf objektive Grundsätze gestützte Ermittlung des Einkommens zu ermöglichen. Dem entspricht es, die Frage, inwieweit von einer Trägerkörperschaft dem Betrieb gewerblicher Art zur Verfügung gestelltes Kapital steuerlich als Fremdkapital anerkannt werden kann, nach objektiven Kriterien zu entscheiden, die von der Disposition der Trägerkörperschaft unabhängig sind. Die fehlende juristische Selbständigkeit des Betriebs gewerblicher Art hindert damit nicht, zwischen Fremdund Eigenkapital nach zivilrechtlichen Kriterien zu unterscheiden.

Die Feststellungen des FG ergeben nicht, ob die in der Rechtsprechung des BFH bisher zugrunde gelegte Grenze für die Finanzierung durch Eigenkapital bei den Stadtwerken für das Streitjahr 1973 eingehalten ist. Es ist naheliegend, daß sich die Verhältnisse nach den Jahren geändert haben, die den angeführten Urteilen des BFH zugrunde lagen, in denen von einer 40 v.H.-Grenze ausgegangen wurde. So betraf das grundlegende Urteil des BFH in BFHE 75, 502, BStBl III 1962, 450 das Jahr 1953 und das Urteil in BFHE 99, 373, BStBl II 1970, 694 das Jahr 1966. Die Sache muß daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden, damit das FG feststellen kann, wie sich die Kapitalstruktur gleichartiger Unternehmen der Privatwirtschaft entwickelt hat. Anhaltspunkte für die Prüfung könnten sich dabei aus den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes ergeben.

Bei der Prüfung, ob das Aktivvermögen der Bilanz durch angemessenes Eigenkapital finanziert ist, kann in Übereinstimmung mit dem FG davon ausgegangen werden, daß die den Stadtwerken im Streitjahr zugeführten unverzinslichen Finanzierungsbeträge jedenfalls für die Ertragsteuern als Eigenkapital zu behandeln sind. Die Festlegung einer bestimmten Grenze für die Fremdfinanzierung durch die Trägerkörperschaft dient allein dazu, die Höhe des Zinsaufwandes zu ermitteln, der als abzugsfähig anzuerkennen ist. Dem entspricht es, für die Frage der Angemessenheit des Eigenkapitals, das von der Trägerkörperschaft zur Verfügung gestellte unverzinsliche Fremdkapital als Eigenkapital zu behandeln. Ein Zinsaufwand ist insoweit nicht denkbar. Eine andere Betrachtung hätte für den Fall, daß eine Trägerkörperschaft einen verhältnismäßig hohen Betrag dem Betrieb gewerblicher Art als unverzinsliches Darlehen gewährt, die nicht zu billigende Folge, daß bereits Zinsen für ein verhältnismäßig niedriges, jedoch verzinsliches Darlehen der Trägerkörperschaft zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führten.

Nicht zugestimmt werden kann dem FG, wenn es für die Berechnung das Eigenkapital um die Baukostenzuschüsse erhöht. Nach dem Urteil in BFHE 99, 373, BStBl II 1970, 694 sind die Baukostenzuschüsse bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze vom Aktivvermögen abzusetzen. Maßgebend war dabei der Gesichtspunkt, daß insoweit keine Finanzierung -- weder durch Eigenkapital noch durch Fremdkapital -- notwendig ist. Dies hat nicht zur Folge, daß die Baukostenzuschüsse als Eigenkapital zu betrachten sind. Die Kürzung des Aktivvermögens um die Baukostenzuschüsse bringt vielmehr mit sich, daß der Umfang des erforderlichen Eigenkapitals sich um den Betrag ermäßigt, der sich ergibt, wenn man auf die Baukostenzuschüsse den für das angemessene Eigenkapital maßgebenden Vomhundertsatz anwendet.

Nicht zugestimmt werden kann dem FG auch, wenn seine Ausführungen bedeuten sollten, daß es die im Anlagevermögen enthaltenen stillen Reserven als Eigenkapital betrachtet. Erst die Realisierung der stillen Reserven erhöht das Eigenkapital.

Der Sachverhalt weist insofern eine Besonderheit aus, als während des Streitjahres eine erhebliche Veränderung der Finanzierung der Stadtwerke eintrat, indem die Klägerin den Stadtwerken einen als Eigenkapital anzusehenden Finanzierungsbetrag von rd. 243 000 DM zur Verfügung stellte. Im Interesse einer zuverlässigen Ermittlung des angemessenen Eigenkapitals, die den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommt, erscheint es daher erforderlich, die Berechnung für die Zeiträume Januar bis März 1973 und April bis Dezember 1973 getrennt durchzuführen. Dabei ist für den Beginn des April 1973 eine fiktive Zwischenbilanz zugrunde zu legen, deren Werte im Schätzungswege ermittelt werden müßten, wobei von der Veränderung der Ansätze für Aktivvermögen, Baukostenzuschüsse und Eigenkapital im Streitjahr ausgegangen werden könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74510

BStBl II 1983, 147

BFHE 1982, 9

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