Leitsatz (amtlich)

Wird ein Rechtsanwalt gelegentlich als Berater oder Gutachter in wirtschaftlichen Angelegenheiten tätig, so sind die daraus erzielten Einkünfte von denen aus seiner anwaltlichen Berufstätigkeit nicht im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG abgrenzbar.

 

Normenkette

EStG 1960 § 34 Abs. 4 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist bei den Einkommensteuer-Veranlagungen 1960 und 1961, ob ein Rechtsanwalt für die Erstellung von Gutachten die Steuervergünstigung gemäß § 34 Abs. 4 EStG in Anspruch nehmen kann.

Der Steuerpflichtige erzielte aus der Ausübung seiner Praxis Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Er beanspruchte die Steuervergünstigung gemäß § 34 Abs. 4 EStG für Einkünfte, die er für die Erstattung von Gutachten über den Wert von Unternehmen einer besonderen Branche erzielt hatte.

Das FA versagte die Steuervergünstigung.

Die Berufung blieb ohne Erfolg.

Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde begehrt der Steuerpflichtige erneut die Steuervergünstigung. Zur Begründung trägt er u. a. vor: Das FG habe seine Aufklärungspflicht verletzt. Wie bereits im Verfahren vor dem FG vorgetragen, habe er keinerlei Rechtsfragen bearbeitet, sondern wissenschaftliche Gutachten über den Wert von Unternehmen erstattet. Das FG habe auch nicht die Frage offen lassen dürfen, ob seine Gutachtertätigkeit als wirtschaftsberatende Berufstätigkeit aufzufassen sei, vielmehr aufklären müssen, wie die Berufstätigkeit gestaltet und ob er zur Ausübung einer wirtschaftsberatenden Tätigkeit überhaupt berechtigt gewesen sei. Er sei nicht als Rechtsbeistand einer Partei tätig geworden, sondern als vom Gericht bestellter Sachverständiger. Seine Gutachten hätten sich ausschließlich mit der Frage der Schätzung des Wertes von Unternehmen einer bestimmten Branche und nicht mit Rechtsfragen befaßt. Er habe in den Gutachten dargelegt, wie Geschäftswerte überhaupt ermittelt werden, die Grundsätze über die Bewertung erörtert und nach diesen Grundsätzen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und wissenschaftlichen Methoden die Werte geschätzt. Irgendwelche rechtlichen Ausführungen seien in den Gutachten nicht enthalten. Es sei vielmehr auf Grund von Spezialkenntnissen, die außerhalb der Kenntnisse eines Rechtsanwalts lägen, und mit wissenschaftlichen Methoden, die ebenfalls mit der Rechtswissenschaft nichts zu tun hätten, jeweils der Wert der Unternehmen geschätzt worden. Eine solche Tätigkeit gehöre nicht zu der eines Anwalts. Auch ein Fachanwalt für Steuerrecht oder ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe sei nicht in der Lage, derartige Schätzungen vorzunehmen. Denn es handele sich nicht um die Bewertung von Wirtschaftsgütern im Besteuerungsverfahren, sondern um die Schätzung des Wertes von Unternehmen einer bestimmten Branche, wofür langjährige Spezialerfahrungen, die er außerhalb seines juristischen Berufes erworben habe, erforderlich seien. Es unterliege keinem Zweifel, daß die Schätzung des Wertes einer Briefmarkensammlung oder ein Gutachten über die Echtheit eines Gemäldes nicht zu den Berufstätigkeiten eines Rechtsanwaltes gehöre. Das gleiche müsse für seine Schätzungen gelten, so daß diese Beschäftigung auf einem nichtjuristischen Nebengebiet von der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts abgrenzbar und daher nach § 34 Abs. 4 EStG steuerbegünstigt sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Die Steuervergünstigung gemäß § 34 Abs. 4 EStG kommt auf Antrag bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit, die aus einer anwaltlichen Tätigkeit bezogen werden, nur für Nebeneinkünfte in Betracht. Voraussetzung ist dabei u. a. , daß die Einkünfte aus der wissenschaftlichen Tätigkeit von den Einkünften aus der Berufstätigkeit abgrenzbar sind. Abgrenzbar sind die Einkünfte, wenn sich die wissenschaftliche Tätigkeit von der Berufsausübung in einer Weise unterscheidet, daß sie eindeutig erkennbar nicht mehr zu ihr gehört. Bei Steuerpflichtigen, die - wie ein Anwalt - bereits im Hauptberuf eine wissenschaftliche Tätigkeit ausüben, darf eine wissenschaftliche Nebentätigkeit, für die die Vergünstigung beansprucht wird, keine Beziehung zum Hauptberuf haben, wenn sie von ihm abgrenzbar sein soll. Diese Abgrenzbarkeit ist hier nicht gegeben.

Gegenüber den Feststellungen des FG, daß sich das eine Gutachten mit der Bewertung von Wirtschaftsgütern und das andere außerdem mit Rechtsfragen (u. a. mit der rechtlichen Stellung des Unternehmens, der Lizenzträger und den gegenseitigen Ansprüchen) befaßt habe, betont der Steuerpflichtige allerdings, daß er keinerlei Rechtsfragen bearbeitet, sondern wissenschaftliche Gutachten über den Wert von Unternehmen erstattet habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gutachten des Steuerpflichtigen auch Rechtsfragen zum Gegenstand hatten. Denn dem FG ist zuzustimmen, wenn es ausführt, daß die Bewertung von Wirtschaftsgütern ein Rechtsgebiet ist, das anwaltlich, im Besteuerungsverfahren fachanwaltlich, betreut wird. Darüber hinaus wird aber nach Auffassung des Senats ein Rechtsanwalt auch dann als Anwalt tätig, wenn er gelegentlich zur Beratung und Begutachtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten aufgefordert wird und dem nachkommt, gleichgültig, ob bei dieser Beratung spätere rechtliche Auswirkungen einbezogen werden oder nicht, weil eine solche - je nach Vorbildung mehr oder weniger intensive - Tätigkeit nicht außergewöhnlich ist. Gegenstand der Rechtsberatung im weitesten Sinn ist die Beurteilung von Sachverhalten des Wirtschafts- und Geschäftslebens, ohne Rücksicht darauf, ob sich dabei Auswirkungen finanzieller, betriebswirtschaftlicher, steuerrechtlicher oder rechtlicher Art ergeben. Die Bewertung von Wirtschaftsgütern, sei es die eines Unternehmens oder die von Nutzungsrechten, die für den Wert des Unternehmens von Bedeutung sein können, ist auch dann dem Wirkungsbereich eines Anwalts zuzuordnen, wenn damit keine Rechtsfragen angesprochen und keine steuerlichen Bewertungsfragen behandelt werden. Der Umstand allein, daß der Steuerpflichtige seine Erfahrungen und die Spezialkenntnisse, die ihn in Stand setzten, den Wert von Unternehmen der besonderen Branche sachverständig zu schätzen, außerhalb seines juristischen Berufs gesammelt hat, vermag seine Gutachtertätigkeit noch nicht aus der Anwaltstätigkeit ausscheidbar und damit im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG von ihr abgrenzbar erscheinen zu lassen. Damit wird keineswegs ausgeschlossen, daß ein Anwalt mit Spezialkenntnissen, die sich weder auf rechtliche noch auf wirtschaftliche Angelegenheiten beziehen, abgrenzbare Nebeneinkünfte erzielen kann, wenn er etwa Gutachten über eine Briefmarkensammlung oder über die Echtheit eines Gemäldes erstattet.

Das FG brauchte, entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen, die Gestaltung seiner wirtschaftsberatenden Tätigkeit und seine Berechtigung zur Ausübung einer solchen Tätigkeit nicht zu untersuchen. Der Steuerpflichtige bedurfte als Anwalt weder einer besonderen Zulassung, wenn er gelegentlich Beratungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten erteilte oder Gutachten erstattete, noch war er aus standesrechtlichen Gründen daran gehindert. Wurde er gelegentlich beratend oder begutachtend in wirtschaftlichen Angelegenheiten tätig, so waren die daraus erzielten Einkünfte jedenfalls nicht von denen aus seiner anwaltlichen Berufstätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG abgrenzbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69579

BStBl II 1971, 763

BFHE 1972, 59

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