Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vom Organträger an die Minderheitsgesellschafter des Organs auf Grund des Vertrages über die "Dividendengarantie" gezahlten Beträge sind Betriebsausgaben des Organträgers.

2. Die Beträge erhöhen den Gewinn des Organs oder mindern seinen Verlust.

3. An der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, daß Organgesellschaften mit Ergebnisabführungsvereinbarungen subjektiv steuerpflichtig bleiben, hält der Senat fest. Sie sind mit dem nach den Grundsätzen des Einkommensteuer- und des Körperschaftsteuerrechts zu ermittelnden Einkommen zur Körperschaftsteuer heranzuziehen. Die sogenannte Betriebstättentheorie, wie sie das Gewerbesteuerrecht in § 2 Abs. 2 Ziff. 2 des Gewerbesteuergesetzes kennt, lehnt der Senat für das Körperschaftsteuerrecht auch bei Organgesellschaften mit Ergebnisabführungsvereinbarungen ab.

4. Es ist ohne Bedeutung, ob die Minderheitsgesellschafter einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Organträger erwerben oder ob der Rechtsanspruch hinsichtlich der Dividendengarantie dem Organ zusteht.

5. Die garantierte Dividende beruht auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, und zwar auch dann, wenn sie nach einem festen Vomhundertsatz des Nennbetrages der Beteiligung bemessen und unabhängig davon gezahlt wird, ob der Organträger oder das Organ einen Gewinn erzielt hat. Es ist auch ohne Bedeutung, ob die garantierte Dividende nach der Höhe des Gewinnes des beherrschenden Unternehmens (des Organträgers) oder des Organs bemessen und nur gezahlt wird, wenn das beherrschende Unternehmen oder das Organ einen Gewinn erzielt hat.

Desgleichen ist es ohne Bedeutung, ob eine bestimmte Mindestverzinsung garantiert wird.

Die garantierte Dividende ist eine Auswirkung des Gesellschaftsrechtes und kann steuerlich nicht als eine Rente im Sinne des § 22 des Einkommensteuergesetzes für die überlassung von Gesellschaftsrechten behandelt werden. Es können für diese Frage keinerlei Folgerungen aus den Variationen in der Gestaltung der Bemessungsgrundlage für die Zahlung der Beträge an die Minderheitsgesellschafter gezogen werden.

6. Es ist steuerlich ohne Bedeutung, wenn die garantierten Dividenden auf Anweisung des beherrschenden Unternehmens von dem Organ gezahlt werden.

 

Normenkette

KStG §§ 6, 7/1; EStG § 20 Abs. 1 Ziff. 1, § 22

 

Tatbestand

Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 3. Januar 1956 den Bundesfinanzhof um Erstattung eines Gutachtens zur steuerlichen Behandlung der Dividendengarantie im Rahmen einer steuerlich anerkannten Organschaft mit Gewinnabführungsvereinbarung gebeten. Im einzelnen hat er folgende Fragen gestellt:

1. Sind die von dem beherrschenden Unternehmen im Zusammenhang mit einer steuerlich anerkannten Gewinnabführungsvereinbarung an die Minderheitsgesellschafter des Organs gezahlten garantierten Dividenden beim beherrschenden Unternehmen abzugsfähige Betriebsausgaben?

2. Erhöhen bei Bejahung der Frage zu Ziff. 1 die von dem beherrschenden Unternehmen gezahlten garantierten Dividenden den Gewinn des Organs?

3. Ist bei Bejahung der Frage zu Ziff. 2 der um die garantierten Dividenden erhöhte Gewinn des Organs in voller Höhe dem beherrschenden Unternehmen zuzurechnen oder ist der Teil des Gewinns des Organs, der den garantierten Dividenden entspricht, als eigenes Einkommen des Organs der Besteuerung zu unterwerfen?

4. Ist es steuerlich von Bedeutung, ob die Minderheitsgesellschafter des Organs unmittelbar vertragliche Ansprüche gegen das beherrschende Unternehmen erwerben oder ob die vertraglichen Ansprüche dem Organ zugunsten seiner Minderheitsgesellschafter zustehen?

5. Welche Folgerungen sind zu ziehen, wenn

die garantierte Dividende nach einem festen Vomhundertsatz des Nennbetrags der Beteiligung bemessen und unabhängig davon gezahlt wird, ob das beherrschende Unternehmen oder das Organ einen Gewinn erzielt hat;

die garantierte Dividende nach der Höhe des Gewinns des beherrschenden Unternehmens oder des Organs bemessen und nur gezahlt wird, wenn das beherrschende Unternehmen oder das Organ einen Gewinn erzielt hat;

der Tatbestand zu b) vorliegt, aber eine bestimmte Mindestverzinsung garantiert wird?

6. Ist es steuerlich von Bedeutung, wenn die garantierten Dividenden auf Anweisung des beherrschenden Unternehmens von dem Organ gezahlt werden?

Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat nach mündlicher Verhandlung am 25. Juli 1956, an der Vertreter des Bundesministers der Finanzen, des Deutschen Industrie- und Handelstages und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. teilgenommen haben, in der Sitzung vom 27. November 1956 zu den gestellten Fragen wie folgt Stellung genommen:

1. Die vom Organträger an die Minderheitsgesellschafter des Organs auf Grund des Vertrages über die "Dividendengarantie" gezahlten Beträge sind Betriebsausgaben des Organträgers.

2. Die Beträge erhöhen den Gewinn des Organs oder mindern seinen Verlust.

3. An der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, daß Organgesellschaften mit Ergebnisabführungsvereinbarungen subjektiv steuerpflichtig bleiben, hält der Senat fest. Sie sind mit dem nach den Grundsätzen des Einkommensteuer- und des Körperschaftsteuerrechts zu ermittelnden Einkommen zur Körperschaftsteuer heranzuziehen. Die sogenannte Betriebstättentheorie, wie sie das Gewerbesteuerrecht in § 2 Abs. 2 Ziff. 2 des Gewerbesteuergesetzes kennt, lehnt der Senat für das Körperschaftsteuerrecht auch bei Organgesellschaften mit Ergebnisabführungsvereinbarungen ab.

4. Es ist ohne Bedeutung, ob die Minderheitsgesellschafter einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Organträger erwerben oder ob der Rechtsanspruch hinsichtlich der Dividendengarantie dem Organ zusteht.

5. Die garantierte Dividende beruht auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, und zwar auch dann, wenn sie nach einem festen Vomhundertsatz des Nennbetrages der Beteiligung bemessen und unabhängig davon gezahlt wird, ob der Organträger oder das Organ einen Gewinn erzielt hat. Es ist auch ohne Bedeutung, ob die garantierte Dividende nach der Höhe des Gewinnes des beherrschenden Unternehmens (des Organträgers) oder des Organs bemessen und nur gezahlt wird, wenn das beherrschende Unternehmen oder das Organ einen Gewinn erzielt hat.

Desgleichen ist es ohne Bedeutung, ob eine bestimmte Mindestverzinsung garantiert wird.

Die garantierte Dividende ist eine Auswirkung des Gesellschaftsrechtes und kann steuerlich nicht als eine Rente im Sinne des § 22 des Einkommensteuergesetzes für die überlassung von Gesellschaftsrechten behandelt werden. Es können für diese Frage keinerlei Folgerungen aus den Variationen in der Gestaltung der Bemessungsgrundlage für die Zahlung der Beträge an die Minderheitsgesellschafter gezogen werden.

6. Es ist steuerlich ohne Bedeutung, wenn die garantierten Dividenden auf Anweisung des beherrschenden Unternehmens von dem Organ gezahlt werden.

Begründung Der Senat hat dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Möglichkeit einer Stellungnahme zu dem Rechtsproblem gegeben. Es wurde am 27. Juli 1956 eine Sitzung beim Bundesfinanzhof abgehalten, an der Vertreter des Bundesministers der Finanzen und der beiden Verbände teilnahmen. Auf diese Weise hatten sie die Möglichkeit, vor dem Senat ihre Auffassung mündlich vorzutragen. Der DIHT und der BDI haben eine gemeinsame umfangreiche schriftliche Stellungnahme eingereicht, zu der sich der Bundesminister der Finanzen geäußert hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung des Rechtsproblems ergibt folgendes:

A. 1. Auf die steuerliche Beurteilung von Organverhältnissen sind die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) anzuwenden. Der Besteuerung ist hiernach kein gedachter, sondern DER tatsächlich gegebene Tatbestand zugrunde zu legen. Es sind die tatsächlichen Einkünfte des Organträgers und des Organs festzustellen, wie sie sich nach dem von den Beteiligten geschaffenen Tatbestand ergeben. Unzulässig ist es, die Besteuerung abweichend von den tatsächlichen Einkünften auf fiktiven Einkünften aufzubauen. Auf diese Rechtsgrundsätze für die Beurteilung der Organverträge haben bereits die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 73/ 54 U vom 8. März 1955, Slg. Bd. 60 S. 489, Bundessteuerblatt (BStBl) 1955 III S. 187, und I 73/55 U vom 14. Februar 1956, Slg. Bd. 62 S. 407, BStBl 1956 III S. 151, hingewiesen.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist der Ergebnisabführungsvertrag. Der durch den handelsrechtlichen Vertrag geschaffene Tatbestand muß die Grundlage der Besteuerung bilden.

Voraussetzung der steuerlichen Anerkennung des Vertrages ist seine bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit. Auch auf die Bedeutung dieser Frage haben bereits die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 73/54 U und I 73/55 U hingewiesen. Die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte hat sich mit Fragen der Organverträge bisher wenig befaßt. Die neuere Zeit wendet sich aber mit großem Interesse dem handelsrechtlichen Problem zu. Siehe hierzu den Aufsatz von Ballerstedt über handels- und gesellschaftsrechtliche Probleme der Organschaft in "Der Betrieb" 1956 S. 813 ff. sowie von Duden in "Der Betriebs-Berater" 1957 S. 49. Das Rechtsproblem ist auch in bürgerlich-rechtlicher Hinsicht umstritten. Es werden gegen die Ergebnisabführungsverträge teilweise beachtliche Bedenken geltend gemacht. Der Bundesminister der Finanzen vertritt in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und in übereinstimmung mit Ballerstedt die Auffassung, daß Voraussetzung eines Organverhältnisses mit Ergebnisabführung eine vertragliche Vereinbarung sein muß, eine Weisung des Organträgers, wie dies der Reichsfinanzhof angenommen hat, also nicht genügt.

Die Wirtschaftsverbände wenden sich gegen die Annahme eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Organträger und dem Organ. Der Senat ist bei den Ausführungen zu dieser Frage in der Entscheidung I 73/54 U Formulierungen der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs gefolgt. Siehe hierzu Veiel in "Steuer und Wirtschaft" 1938 Sp. 421 ff. Steuerlich ist die bürgerlich-rechtlich umstrittene Eingruppierung des Ergebnisabführungsvertrages (siehe Meise, "Zivilrechtliche Probleme der Organschaft", Carl Heymanns Verlag, Berlin, 1935 S. 52, und Ballerstedt, a. a. O. S. 837) ohne beachtliche Bedeutung. Für das Steuerrecht ist der wirtschaftlich gegebene Tatbestand, nicht die formale Art seiner handelsrechtlichen Eingruppierung entscheidend.

2. Geht man von der Rechtswirksamkeit eines Ergebnisabführungsvertrages aus, so ergibt sich die weitere Frage, ob er nach der steuerlichen Betrachtung auf betrieblicher oder gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruht.

Die beiden Wirtschaftsverbände (und ihnen folgend der Bundesminister der Finanzen) sind der Ansicht, daß der Ergebnisabführungsvertrag rein betrieblicher Natur sei. Das Organ übernehme keine einseitigen Verpflichtungen, also Verpflichtungen ohne angemessene Gegenleistungen. Die gegenseitigen Verpflichtungen und Leistungen seien auf die Dauer betrachtet abgewogen. Es handle sich um einen betrieblichen kaufmännischen Vertrag zwischen zwei Unternehmungen.

Die Ausführungen der Wirtschaftsverbände sind allerdings nicht einheitlich und eindeutig. So wird im Gegensatz hierzu auf S. 9 der Stellungnahme ausgeführt: " Daß der Ergebnisabführungsvertrag nicht nur schuldrechtliche, sondern starke gesellschaftsrechtliche, richtiger unternehmensrechtliche Elemente aufweist, ist unbestritten".

Stellungnahme des Senats: Der Auffassung, daß der Ergebnisabführungsvertrag bei Organverhältnissen ein Vorgang rein betrieblicher Natur sei, kann nicht gefolgt werden.

Die steuerliche Beurteilung, die auf wirtschaftlicher Betrachtung beruht, deckt sich nicht ohne weiteres mit der handelsrechtlichen Beurteilung, die mehr formaler Natur ist. Aber bereits das Handelsrecht sieht in Ergebnisabführungsverträgen zwischen Organträgern und Organgesellschaften gesellschaftsrechtliche Gesichtspunkte. Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, daß Ergebnisabführungsverträge zwischen Organträgern und Organgesellschaften ausschließlich gesellschaftsrechtlicher Natur seien. Siehe im einzelnen die Ausführungen von Ballerstedt in "Der Betrieb" 1956 S. 815.

Auch nach der wirtschaftlichen Betrachtung des Steuerrechts muß die gesellschaftsrechtliche Grundlage des Vertrages bejaht werden. Die Ansicht, daß die Ergebnisabführungsverträge ausgeglichene Verträge sind, d. h. Verträge, bei denen sich die Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen, entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Wäre es der Fall, so hätte keine Veranlassung für die besondere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hinsichtlich der Ergebnisabführungsverträge bei Organverhältnissen bestanden. Daß es sich um keinen ausgeglichenen Vertrag zwischen zwei Körperschaften handeln kann, ergibt sich bereits aus dem Rechtsproblem der Dividendengarantie für die Minderheitsgesellschafter. Die Dividendengarantie soll in der Hauptsache den Ausgleich dafür bieten, daß der Hauptgesellschafter mit Hilfe des Vertrages Gewinne aus dem Organ absaugt, die ihm nicht auf Grund seiner Gegenleistungen, sondern in Auswirkung seiner Eigenschaft als Gesellschafter zufließen. Das Wesen der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu den Ergebnisabführungsverträgen zwischen Organträgern und Organgesellschaften besteht, wie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 73/54 U im einzelnen dargestellt wird, darin, daß Verträge auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage aus wirtschaftlichen Erwägungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unter bestimmten Voraussetzungen wie betriebliche Vorgänge behandelt werden. Im Gegensatz zur Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der in dem Gutachten I D 2/31, III D 2/32 vom 26. Juli 1932, Slg. Bd. 31 S. 297, 299, Reichssteuerblatt (RStBl) 1933 S. 136, 137, ausdrücklich die wirtschaftliche Betrachtungsweise als die Grundlage der Organtheorie bezeichnet, müssen die Wirtschaftsverbände bei dem Ergebnisabführungsvertrag, der das bedeutungsvollste körperschaftsteuerliche Problem der Organschaft darstellt, die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Betrachtung verneinen, da sie den Vertrag als ausgeglichen bezeichnen.

Bei Beurteilung des Rechtsproblems ist von entscheidender Bedeutung, daß der eine Vertragspartner des Ergebnisabführungsvertrages der beherrschende Gesellschafter der Organgesellschaft ist. Er tritt im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages der Organgesellschaft nicht lediglich als Unternehmer, sondern auch als Gesellschafter gegenüber. Hierin liegt der Unterschied zum Interessengemeinschaftsvertrag mit Ergebnisabführung, wie ihn die Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 238/38 vom 22. November 1938, Slg. Bd. 45 S. 195, RStBl 1939 S. 476, behandelt. Es ist sogar anzunehmen, daß der gesellschaftsrechtliche Teil des Vertrages überwiegt. Im allgemeinen stellt die Verlustübernahme durch die Hauptgesellschafter keinen angemessenen Ausgleich dafür dar, daß die Organgesellschaft ihr gesamtes Vermögen einschließlich des Geschäftswertes ohne weitere Gegenleistung zur Verfügung stellt. Siehe hierzu auch Duden, a. a. O.

Es sind auch Fälle denkbar, bei denen die Verpflichtungen zur übernahme der Verluste wirtschaftlich von größerer Bedeutung sind als das Recht auf den jeweils erzielten Gewinn. Diese Frage spielte in den letzten Jahren dort eine Rolle, wo Unternehmungen Mäntel von Körperschaften aufgekauft haben, die durch Verluste in den Vorjahren wesentliche Teile ihres Vermögens eingebüßt hatten. Auch dort, wo die Verpflichtung zur Abdeckung der Verluste größere Bedeutung hat als die Anwartschaft auf den jeweiligen Gewinn, sind die Verträge nicht ausgeglichen. Das Abdecken der Verluste stellt wirtschaftlich betrachtet eine Einlage des Hauptgesellschafters in die Organgesellschaft dar. Siehe im einzelnen Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 73/54 U.

3. Der vom Reichsfinanzhof für Organverträge mit Ergebnisabführung beschrittene Weg ist nicht zwingend. Der Reichsfinanzhof hat zwischen der steuerlichen Betrachtung nach der formellen Gestaltung des Organs als Körperschaft und der wirtschaftlichen Betrachtung des Organs als Geschäftsabteilung den Mittelweg gewählt, wie er unter Ziff. 2 dargestellt ist. (Bei dieser Betrachtung ist die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs beachtlich, die auch für das bürgerliche Recht nicht uneingeschränkt die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter der juristischen Person anerkannt hat. Siehe Entscheidung des Bundesgerichtshofs II ZR 156/55 vom 29. November 1956, "Der Betriebs-Berater" 1957 S. 53.) Sowohl die Wirtschaftsverbände wie der Bundesminister der Finanzen sprechen sich aber für die Beibehaltung der vom Reichsfinanzhof entwickelten Grundsätze aus. Sie bejahen damit in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die subjektive Steuerpflicht des Organs.

So führt die Stellungnahme der Wirtschaftsverbände u. a. in Verbindung mit der rechtlichen Beurteilung der Zahlungen auf Grund der Dividendengarantie, die von ihr als Ausgleichszahlungen bezeichnet werden, folgendes aus:

"Insbesondere kommen wir nicht über die Tatsache weg, daß es sich nicht um Gesellschafter des die Ausgleichszahlung zu Lasten seines Ergebnisses leistenden Organträgers handelt und daß eine Vernachlässigung dieser Tatsache auf die gerade vom Reichsfinanzhof und Bundesfinanzhof besonders strikt abgelehnte Einheitstheorie hinauskäme. Der Gesellschafter des Organs hat auch in Bezug auf Jahresabschluss und Gewinnausschüttung des Organträgers überhaupt keine Rechte, während er hinsichtlich des Jahresabschlusses seiner eigenen Gesellschaft, des Organs, trotz dessen zwangsläufigem plus-minus-null-Ergebnisses immer noch Rechte hat, die auch durchaus nicht inhaltslos sind. Er kann z. B. in der Hauptversammlung sein Auskunftsrecht ausüben, kann Elemente der Auf- und Feststellung des Jahresabschlusses beanstanden, kann u. U. gegen die Feststellung des Jahresabschlusses und ebenso gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat stimmen und wegen all dieser Punkte Protest zu Protokoll geben und Anfechtungsklage erheben. All dies kann er beim Organträger nicht, weil er dort nicht Gesellschafter ist".

Auf Grund dieser rechtlichen Würdigung sind die Wirtschaftsverbände der Ansicht, daß die Dividendengarantiezahlungen Betriebsausgaben bei dem Organträger darstellen.

In gleicher Weise führt der Bundesminister der Finanzen aus, daß die Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs über die subjektive Steuerpflicht des Organs dem geltenden Recht entspreche. Zur Begründung enthält die Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen folgende Ausführungen:

"Der Auffassung Flumes, daß das Organ durch Eingehen eines Organverhältnisses sein Eigenleben aufgebe mit der Folge, daß es ein eigenes Einkommen nicht habe, kann nicht zugestimmt werden. Es ist zwar richtig, daß das Organ durch seine finanzielle, wirtschaftlich und organisatorische Verflechtung mit dem Organträger in weitem Umfang seine Selbständigkeit verloren hat. Das bedeutet aber nicht, daß es kein eigenes Leben mehr hat. Dieses Eigenleben äußert sich nicht nur darin, daß das Organ als eigene Rechtspersönlichkeit bestehen bleibt, sondern vor allem darin, daß es entsprechend seiner rechtlichen Selbständigkeit im Rechts- und Wirtschaftsverkehr selbständig handelnd auftritt, daß es als selbständige Rechtspersönlichkeit Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann. Daran ändert die Tatsache nichts, daß es sein Handeln den Richtlinien oder sogar Weisungen des Organträgers zu unterwerfen hat. Das Organ ist trotz seiner engen Bindungen an den Organträger nicht nur eine Rechtsfigur, sondern eine Rechtspersönlichkeit mit einem eigenen juristischen und wirtschaftlichen Leben. Es ist deshalb nicht möglich, von dem Organ als einer "nuda persona" zu sprechen. Es kann deshalb auch keine Rede davon sein, daß Organ habe sich durch das Eingehen des Organverhältnisses auf den Organträger umgewandelt und habe nur seinen Rechtszustand erhalten. Entscheidend ist das Auftreten des Organs Dritten gegenüber. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Organ Dritten gegenüber, d. h. im Außenverhältnis als eigenständig handelnde Rechtspersönlichkeit auftritt. Es gehört dies geradezu zum Wesen des Organverhältnisses, daß das Organ als selbständige Rechtspersönlichkeit selbsthandelnd auftritt. Daß das Organ im Verhältnis zum Organträger, d. h. im Innenverhältnis, engen Bindungen unterliegt, ist nicht entscheidend, selbst dann nicht, wenn diese Bindungen ein eigenes Handeln des Organs im Verhältnis zum Organträger unmöglich machen.

Verneint man hiernach, daß das Organ durch das Eingehen des Organverhältnisses sein Eigenleben aufgegeben habe, so kann folgerichtig auch nicht der Schluß gezogen werden, daß das Organ mit Rücksicht auf das Organverhältnis kein eigenes Einkommen haben könne und das vom Organ erwirtschaftete Einkommen originär in der Hand des Organträgers anfalle ..."

"M. E. ist die Frage nach der Notwendigkeit eines Vertragsabschlusses für jeden Fall zu bejahen ...".

"Eine Anweisung des Organträgers an das Organ zur Abführung des Gewinnes oder Verlustes genügt deshalb nicht ..."

"Das Organ kann in keinem Fall seinen Charakter als Steuersubjekt des Körperschaftsteuerrechts verlieren, auch dann nicht, wenn die Bindungen des Organs so eng sein sollten, daß es kein Eigenleben mehr hätte, sondern nur noch in seinem Rechtsmantel vorhanden wäre. Die Auffassung, daß das Organ durch das Bestehen des Organverhältnisses seinen Charakter als Subjekt des Körperschaftsteuerrechts nicht verloren hat, ist somit als dem geltenden Recht entsprechend anzusehen. Das Bestehen eines Organverhältnisses als solchem hat demnach für das Körperschaftsteuerrecht keine Bedeutung. Das Organ hat sein Einkommen als eigenes Einkommen zu versteuern".

Die Ausführungen sowohl der Wirtschaftsverbände wie des Bundesministers der Finanzen zu dieser Frage entsprechen der Rechtsauffassung, die der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und ihr folgend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in den Urteilen I 73/54 U und I 73/55 U zugrunde liegt. Im einzelnen wird hinsichtlich der Rechtsprechung auf die zusammenfassende Darstellung in der Entscheidung I 73/54 U verwiesen.

4. Bejaht man die Eigenschaft des Organs als steuerlich selbständiges, vom Organträger getrenntes Unternehmen, so tritt die weitere Frage auf, wie der Ergebnisabführungsvertrag, der aus wirtschaftlichen Erwägungen wie ein betrieblicher Vorgang angesehen wird, bilanzmäßig beim Organträger und beim Organ zu behandeln ist. Hierbei muß der unter Ziff. 1 dargestellte Grundsatz entscheidend sein, daß der handelsrechtliche Vertrag in seiner tatsächlichen Auswirkung die Grundlage für die bilanzmäßige Würdigung darstellt. Diese Ansicht wird auch in der Stellungnahme der Wirtschaftsverbände als zutreffend angesehen. So führen sie folgendes aus: Der Auffassung des Bundesfinanzhofs, daß die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen maßgebend sein müßten und daß der steuerliche Mehrgewinn nur insoweit auf den Organträger übertragen werden könne, als der übertragung nicht gesetzliche Vorschriften oder vertragliche Gegenvereinbarungen entgegenständen, könne nur zugestimmt werden. Die Wirtschaftsverbände sind des weiteren der Ansicht, daß nicht der steuerliche Bilanzgewinn (steuerliche Gewinn) der nach dem handelsrechtlichen Vertrag abzuführende Gewinn sein könne. Er überschreite den Handelsbilanzgewinn. Seine Abführung würde im Laufe der Jahre zu einer Aushöhlung des Organs und schließlich zu einer überschuldung führen. Abzuführen sei vielmehr der auf der Grundlage des Handelsrechts nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung errechnete Gewinn. Als diesen Gewinn sehen die Wirtschaftsverbände (ebenso wie die Gegenäußerung des Bundesministers der Finanzen) den Handelsbilanzgewinn an. Allerdings ist auch hier die Stellungnahme der Wirtschaftsverbände nicht eindeutig. So weist sie auf S. 17 darauf hin, daß der Handelsbilanzgewinn willkürlich ausgewiesen werden könne.

Stellungnahme des Senats: Der Auffassung der Wirtschaftsverbände, der auch der Bundesminister der Finanzen zustimmt, wird beigepflichtet, daß nicht das nach den Vorschriften des Steuerrechts ermittelte Ergebnis der nach dem Vertrag abzuführende Gewinn sein kann. Die steuerlichen Vorschriften widersprechen teilweise den Bestimmungen des Handelsrechts. So stellen die Personensteuern im Sinne des Handelsrechts Unkosten dar. Die auf die Personensteuern entfallenden Beträge müssen deshalb bei Ermittlung des handelsrechtlich abzuführenden Gewinns abgezogen werden. Auch die steuerlichen Vorschriften hinsichtlich der Behandlung des Geschäftswerts stehen mit dem Handelsrecht nicht im Einklang.

Desgleichen wird der Auffassung beigepflichtet, daß der nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Buchführung ermittelte tatsächliche Gewinn an den Organträger abzuführen ist. Nicht gefolgt werden kann aber der Ansicht der Wirtschaftsverbände, die auch der Bundesminister der Finanzen übernommen hat, daß der lediglich den Bestimmungen des Handelsrechts entsprechende Handelsbilanzgewinn der im Geschäftsjahr tatsächlich erzielte Gewinn sei.

Die Wirtschaftsverbände und der Bundesminister der Finanzen übersehen den bereits oben behandelten entscheidenden Gesichtspunkt, daß es sich bei Ergebnisabführungsverträgen zwischen Organgesellschaften und Organträgern um Verträge zwischen Körperschaften und ihren Gesellschaftern handelt, die gleichzeitig Unternehmer sind.

Für den Handelsbilanzgewinn bestehen, worauf auch die Wirtschaftsverbände in Teilen ihrer Ausführungen hinweisen, keine Vorschriften über Mindestansätze. Es besteht die Möglichkeit der "Willkür" bei der Bewertung. Der Kaufmann ist nach dem Handelsrecht berechtigt, seinen Gewinn offen auszuweisen oder in ganz oder teilweise stillen Rücklagen zuzuweisen. Das Handelsrecht hat der Handelsbilanz lediglich den Gläubigerschutz und die Feststellung des verteilungsfähigen Gewinns als Aufgabe zugewiesen. überläßt ein Ergebnisabführungsvertrag die Höhe des abzuführenden Betrages lediglich den Bilanzierungsbestimmungen des Handelsrechts, so bedeutet dies wirtschaftlich betrachtet keine Veränderung der Lage. Der Gewinnausschüttungsbeschluß wird in Form der Genehmigung des in der Handelsbilanz ausgewiesenen Gewinns vom Hauptgesellschafter in der Gesellschafterversammlung ( § 46 Ziff. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) bzw. durch den im wesentlichen vom Hauptgesellschafter bestellten Aufsichtsrat in Verbindung mit der Hauptversammlung ( §§ 125, 126 des Aktiengesetzes - AktG -) gefaßt. In gleicher Weise wie bei der Frage der Gewinnausschüttung ist der Hauptgesellschafter des Organs hier hinsichtlich der Höhe des Betrages nicht gebunden. Ein derartiger Ergebnisabführungsvertrag ist steuerlich ohne Bedeutung.

Voraussetzung der steuerlichen Anerkennung eines Ergebnisabführungsvertrages ist es, daß DER tatsächliche Gewinn DIE Grundlage für DIE Verpflichtung des Organs bildet. Es müssen hier gleichartige Grundsätze angewandt werden, wie sie zwischen fremden Körperschaften eine Notwendigkeit darstellen. Siehe hierzu im einzelnen Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 73/55 U. Diese Auffassung kommt auch in der Literatur zum Ausdruck.

Im einzelnen sei auf folgendes verwiesen: Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften (I. C. Mohr, Tübingen) S. 166:

"Der Begriff des Gewinns im § 256 des Aktiengesetzes kann mithin nur i. S. des betriebswirtschaftlich richtigen Jahresreinüberschusses zu verstehen sein, weil er nur einen verläßlichen Maßstab für die Abhängigkeit geben kann, in die sich die Gesellschaft begibt".

In gleicher Weise führt Schmalenbach im ersten Teil seines Werkes "Finanzierungen" (Glöckner Verlagsbuchhandlung in Leipzig) S. 138/39 aus, daß zur Vermeidung einer willkürlichen Gewinnberechnung bei Gewinnpoolungen Grundsätze aufgestellt werden müssen, die die Einheitlichkeit der Bilanzierungen ermöglichen. Nach Friedlaender, Konzernrecht, 2. Auflage S. 120, können zur Gewährleistung einer einheitlichen Bilanzierung bestimmte Prozentsätze für Abschreibungen (auf Anlagewerte, aber auch auf sonstige Gegenstände) festgelegt werden. Die Festsetzung kann aber auch jeweils dem Gemeinschaftsorgan überlassen bleiben.

Rasch, Deutsches Konzernrecht, 2. Auflage (Carl Heymanns-Verlag, Köln) S. 74 führt aus:

"Zum wesentlichen Inhalt einer solchen Gewinngemeinschaft gehören zunächst die vertraglichen Bestimmungen über die Errechnung des Rohgewinnes der einzelnen Gesellschaften und die Verteilung des sich hiernach ergebenden Gesamtgewinns".

"Hierfür aber ist wiederum erste Voraussetzung eine Ermittlung der Einzelgewinne der Beteiligten nach einheitlich festgelegten Grundsätzen. Der Interessengemeinschaftsvertrag wird also mehr oder weniger eingehende materielle Bestimmungen über die Bewertung der Bestände, die Höhe der vertraglich gestatteten Abschreibung, die Zulässigkeit der Bildung von Rückstellungen und Wertberichtigungen, die Verrechnung von Tantiemen für die leitenden Angestellten usw. enthalten müssen. U. U. wird dabei auf anderweite, z. B. von der Finanzverwaltung anerkannte Grundsätze Bezug genommen werden können, möglicherweise sind auch abweichende Vereinbarungen notwendig".

Der Interessengemeinschaftsvertrag der Dresdner Bank mit dem Schaaffhausen'scher Bankverein (abgedruckt bei Friedlaender, Die Interessengemeinschaft als Rechtsform der Konzernbildung - Industrieverlag Spaeth & Linde, 1921 -) sieht vor, daß eine einheitliche Geschäftsführung die Einheitlichkeit der Bilanzierung der beiden Unternehmungen gewährleistet.

Voraussetzung der Anerkennung eines Ergebnisabführungsvertrages zwischen einer Organgesellschaft und einem beherrschenden Unternehmen (Organträger) ist der Wille der Beteiligten, den tatsächlichen Gewinn abzuführen. Da nach den Grundsätzen des Handelsrechts Teile des tatsächlich erzielten Gewinns in stille Rücklagen verwandelt werden können, muß der Gewinn nach Grundsätzen berechnet werden, die die Abführung des tatsächlichen Gewinnes sicherstellen. Die Rechtsprechung hat bei mangelnder vertraglicher Regelung zugunsten der Firmen angenommen, daß - ähnlich wie dies auch bei Rasch ausgeführt wird - die Bestimmungen des Steuerrechtes über die Mindestansätze stillschweigend als Vertragsgrundlage anerkannt werden.

Ein Ergebnisabführungsvertrag, der nur Bruchteile, insbesondere unbestimmte Teile, des Gewinnes an den Organträger abführen will, erfüllt nicht die vom Reichsfinanzhof aufgestellten Bedingungen für die Anerkennung als betrieblicher Vorgang in dem oben dargestellten Sinn. Voraussetzung ist Abführung des gesamten Ergebnisses oder des Ergebnisses eines Teilbetriebes; siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 391/31 vom 31. März / 31. Oktober 1933 (Slg. Bd. 34 S. 228, RStBl 1934 S. 684):

"Solche Vereinbarungen müssen sich aber auf ein bestimmt abgegrenztes Tätigkeitsgebiet beziehen und grundsätzlich für eine längere Dauer bestimmt sein. Sie müssen sich auf das volle Geschäftsergebnis des bestimmten Teilgebiets der Tätigkeit des Organs erstrecken ....

Die Organtheorie darf nicht dazu benutzt werden, die Steuerleistungen nach Belieben zu beeinflussen, indem von Fall zu Fall das Betriebsergebnis der Gesellschaften des Organverhältnisses reguliert wird".

Ebenso Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 128/36 vom 8. September / 3. November 1936 (Slg. Bd. 40 S. 185, RStBl 1937 S. 167).

Wenn in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 73/55 U (Rechtssatz 2) Ergebnisabführungsverträge mit der oben dargestellten steuerlichen Wirkung noch dort anerkennt werden, wo auf Grund gesetzlicher Bestimmungen Teile des Gewinnes von Organ nicht abgeführt werden, so gilt diese Erweiterung nicht für Fälle, wo die Verpflichtung auf den Gesellschaftsvertrag oder auf einen Beschluß des Geschäftsführers (Vorstand) zurückgeht.

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, daß die übertragung der Bewertungsgrundsätze des Steuerrechts dem Gläubigerschutz des Handelsrechts widerspreche. Im Ergebnis bestreitet diese Behauptung, daß die Organgesellschaft den tatsächlichen Gewinn abführen könne, und verneint die handelsrechtliche Zulässigkeit des Ergebnisabführungsvertrages. Die Bestimmungen des Steuerrechtes über die Mindestansätze sind für die Organverträge nicht bindend. Es können insbesondere dort, wo das Handelsrecht höhere Ansätze zuläßt, z. B. bei geringwertigen Wirtschaftsgütern, bei Abschreibungen nach der sogenannten Siebenergruppe des EStG höhere Ansätze vereinbart werden. Aber es müssen, soweit die steuerlichen Bestimmungen nicht angewendet werden, gleichartige Bestimmungen sie ersetzen. Hinsichtlich des Geschäftswertes wäre - wie bereits ausgeführt - die Anwendung der steuerlichen Grundsätze sogar unzulässig. Das Steuerrecht ist aber nicht in der Lage, eine Vereinbarung, die es in die Willkür des Hauptgesellschafters stellt, inwieweit er Gewinn der Organgesellschaft entnehmen will, als Ergebnisabführungsvertrag mit betrieblicher Wirkung anzuerkennen. Einem solchen Vertrag fehlt die Ernsthaftigkeit. Soweit keine Bestimmungen über Mindestansätze, die anzuerkennen sind, im Ergebnisabführungsvertrag enthalten sind, müssen an ihre Stelle die steuerlichen Bewertungsvorschriften treten, soll der Vertrag als wirksam anerkannt werden.

Es wird auch die Frage gestellt, ob auf Grund der oben dargestellten Ansicht die Organgesellschaft eine Rückstellung in Höhe des nicht abgeführten Betrages an den Organträger ansetzen müsse. Wenn die Handelsbilanz, die vom Hauptgesellschafter (dem Organträger) aufgestellt wird, einen gegenüber dem tatsächlichen Gewinn niedrigeren Gewinn ausweist, so verzichtet der Organträger auf Teile seiner Ansprüche. Dieser Verzicht bewegt sich auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage und ist für die Errechnung des körperschaftsteuerlichen Gewinnes ohne Bedeutung. Immerhin ist es für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit eines Ergebnisabführungsvertrages beachtlich, wenn der Gewinn weder in Form des Jahresgewinnes noch in Form des Auflösungsgewinnes tatsächlich an den Organträger abgeführt werden soll.

5. Die Wirtschaftsverbände und ihnen folgend der Bundesminister der Finanzen vertreten den Standpunkt, daß als Folge der Ergebnisabführungsverträge das steuerliche Ergebnis des Organs nicht bei der Organgesellschaft, sondern bei dem Organträger zu versteuern sei. Diese Auffassung führt zu einem totalen Verlust- und Gewinnausgleich. Er ist aber mit den oben dargestellten Grundsätzen unvereinbar. Die Bejahung der subjektiven Steuerpflicht des Organs zwingt dazu, das beim Organ nach Berücksichtigung der Ergebnisabführung errechnete steuerliche Einkommen beim Organ zu versteuern. Im Ergebnis vertreten die Wirtschaftsverbände und der Bundesminister der Finanzen bei diesem Gesichtspunkt für Organverhältnisse mit Ergebnisabführungsverträgen die Einheitstheorie, die die Wirtschaftsverbände bei der Beurteilung der Dividendengarantie bekämpfen.

Die Wirtschaftsverbände sind der Auffassung, daß nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs bei Ergebnisabführungsverträgen das Organ kein Einkommen haben könne. Diese Ansicht ist mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nicht zu vereinbaren. Dies ergibt sich aus folgendem:

Der Reichsfinanzhof hat für Organgesellschaften allgemein die Mindestbesteuerung als zulässig angesehen und damit die Steuerpflicht des Organs hinsichtlich eines objektiv beim Organ entstandenen steuerpflichtigen Betrages bejaht.

In der Entscheidung I A a 866/28 vom 16. April 1929, RStBl 1929 S. 344, hat der Reichsfinanzhof folgenden Rechtssatz gebildet: "Erhält eine Tochtergesellschaft die als Vergütung für ihren Aufsichtsrat erforderlichen Beträge von der Muttergesellschaft, dann unterliegen die betreffenden Beträge, wenn sie sie ihrem Aufsichtsrat als Vergütung für den Steuerabschnitt gewährt, der Mindestbesteuerung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 KStG 1925. Dabei ist es gleichgültig, ob die Tochtergesellschaft ein Organ der Muttergesellschaft ist oder nicht". Ebenso vorher Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 473/27 vom 11. Oktober 1928, Steuer und Wirtschaft 1928 Nr. 846: "Von der Obergesellschaft an Aufsichtsratsmitglieder oder leitende Angestellte der Organgesellschaft geleistete Vergütungen sind Einkommen der Organgesellschaft im Sinne des § 10 Abs. 2 KStG 1925."

In der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 326/36 U vom 30. November 1937 (RStBl 1938 S. 405) werden diese Grundsätze wiederholt. In der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 262/31 vom 28. Januar 1932 (RStBl 1932 S. 302) werden die gleichen Grundsätze auch für die Dividendengarantie in einem Fall zur Anwendung gebracht, wo wirtschaftlich ein Ergebnisabführungsvertrag vorliegt. Er ist in die Form eines Pachtvertrages gekleidet worden, bei dem als Pachtzins lediglich die Verpflichtung übernommen worden ist, die gesamten Anlagen und sonstigen Vermögensgegenstände nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft im Zustand der übergabe zu erhalten und des weiteren den außenstehenden Aktionären eine Dividende zu garantieren.

Die gleichen Auffassungen vertreten auch die Körperschaftsteuer-Richtlinien 1951 in Abschn. 49 Abs. 3 und 4 hinsichtlich des Kapitalentwertungskontos. Auch hier wird uneingeschränkt die Besteuerung der zur Bildung des Kapitalentwertungskontos aufgewendeten Beträge bei der Organgesellschaft gefordert. Daß gleichartige Auffassungen in der Finanzverwaltung zum mindesten in weitem Umfange vertreten worden sind, ergibt sich auch aus dem Rundschreiben des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 14. Januar 1954 S 2526 a - 2 - 31 2, das Gegenstand des Antrages des Bundesministers der Finanzen zur Erstattung des Gutachtens ist. In diesem Rundschreiben, das bereits vor der Rechtsprechung des Senats zu den Organverhältnissen mit Ergebnisabführungsverträgen ergangen ist, wird ausdrücklich gefordert, daß der von der Organgesellschaft erwirtschaftete Gewinn bei ihr selbst als Erfolgseinkommen zu versteuern ist.

Im übrigen muß bei dieser Frage auch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs für die Fälle beachtet werden, in denen lediglich ein Teil einer Körperschaft als Organ in den Organträger eingegliedert worden ist. Hier läßt es sich nicht vermeiden, die Grundsätze des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrechts uneingeschränkt anzuwenden. Es ist nicht bekannt, daß in derartigen Fällen Teile des steuerlichen Ergebnisses, die sich mit dem handelsrechtlichen Ergebnis nicht decken (also insbesondere Teile der Personensteuern), bei Durchführung der Veranlagung auf den Organträger übertragen worden sind. Es fehlt die Begründung, warum steuerlich der abzuführende Gewinn hier anders berechnet werden soll als bei Ergebnisabführungsverträgen, bei denen das Gesamtergebnis abgeführt wird. Die unterschiedliche Beurteilung ist darin begründet, daß in dem einen Fall die subjektive Steuerpflicht des Organs bejaht und im anderen Falle auf Grund der Einheitstheorie verneint wird.

Die Stellungnahme der Wirtschaftsverbände führt bei Behandlung der Dividendengarantie aus, daß es nicht vertretbar erscheine, die Ausgleichszahlungen (Zahlungen für die Dividendengarantie) gewinnerhöhend beim Organ anzusetzen. Diese Auffassung führe (in Verbindung mit der von den Wirtschaftsverbänden vertretenen Ansicht hinsichtlich der übertragung des steuerlichen Ergebnisses des Organs auf den Organträger) zu dem "absurden Ergebnis", daß auf diese Weise die Betriebsausgaben des Organträgers ihm wieder zugerechnet werden müßten. Dies ist eine Folge der widerspruchsvollen Stellungnahme der Wirtschaftsverbände, die bei Behandlung der Dividendengarantiezahlungen bei dem Organträger die Einheitstheorie bekämpfen und bei der Gesamtveranlagung der durch Ergebnisabführungsverträge verbundenen Organträger und Organgesellschaften sich im Ergebnis für die Einheitstheorie einsetzen.

Die Wirtschaftsverbände bestreiten, die Einheitstheorie zu vertreten, da sie grundsätzlich der Auffassung seien, daß ein Organ unter der Voraussetzung, daß kein Ergebnisabführungsvertrag vorliege, eigenes Einkommen haben könne. Es trifft wohl zu, daß für Organverhältnisse ohne Ergebnisabführungsverträge auch die Wirtschaftsverbände die Einheitstheorie nicht zugrunde legen wollen. Sie legen sie aber zugrunde bei Organverhältnissen mit Ergebnisabführungsverträgen und erreichen damit den totalen Verlust- und Gewinnausgleich. Es geschieht dies dadurch, daß sie das steuerliche Ergebnis des Organs nicht, wie es das Gesetz bei einer subjektiv steuerpflichtigen Körperschaft verlangt, bei dieser Körperschaft, sondern beim Organträger veranlagt wissen wollen. Sie beantragen nach ihren eigenen Ausführungen "im Reich der Fiktionen, der Hilfsberechnungen zur Einkommensbesteuerung die Fiktionen maßgebend sein zu lassen, also das zum steuerlichen veränderte Ergebnis" anstelle des handelsrechtlich tatsächlichen Ergebnisses der Gewinnabführung an den Organträger zugrunde zu legen. Tatsächlich verneinen sie damit im Widerspruch zur Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die subjektive Steuerpflicht des Organs.

Für ihre Ansicht stützen sich die Wirtschaftsverbände auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hinsichtlich der nicht abzugsfähigen Beträge, insbesondere der Personensteuern. Der Bundesfinanzhof hat zu dieser Frage in den Entscheidungen I 73/54 U und I 73/55 U eingehend Stellung genommen. Er hat dabei darauf hingewiesen, daß, von den grundsätzlichen rechtlichen Bedenken abgesehen, die veränderte Lage es verbiete, der seinerzeitigen Rechtsprechung zu folgen. Der Reichsfinanzhof hat in seiner neueren Rechtsprechung die Organschaft auch im Verhältnis einer Körperschaft zu einem Einzelunternehmen anerkannt. Siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 673/37 vom 1. Dezember 1937, Slg. Bd. 42 S. 319, RStBl 1938 S. 182, und Becker, Steuer und Wirtschaft 1938 Sp. 10 ff. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs darf die Organtheorie nicht dazu führen, dem Steuerpflichtigen unberechtigte steuerliche Vorteile zu verschaffen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 401/32 vom 25. September 1934/22. Januar 1935, Slg. Bd. 37 S. 151, RStBl 1935 S. 517). Der Körperschaftsteuersatz weicht vom Einkommensteuersatz so erheblich ab, daß hier das steuerliche Ergebnis wesentlich verändert würde. Des weiteren sind die gesetzlichen Bestimmungen über Sonderausgaben beachtlich erweitert worden. Das hat, wie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 109/53 U vom 24. November 1953, Slg. Bd. 58 S. 281, BStBl 1954 III S. 21, dargestellt wird, zur Folge, daß Organ und Organträger als selbständige Steuersubjekte sorgfältiger unterschieden werden müssen. Auch die veränderte Rechtslage hinsichtlich des Finanzausgleiches ist zu beachten. Es ist nach dem geltenden staatsrechtlichen Zustand wesentlich, ob der Gewinn steuerlich beim Organ oder bei dem Organträger erfaßt wird.

Die Unvereinbarkeit der Rechtsauffassung der Wirtschaftsverbände mit der Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs über die Mindestbesteuerung ergibt sich auch aus folgender Erwägung.

Es ist denkbar, daß das steuerliche Ergebnis des Organs unter den Beträgen für die Mindestbesteuerung liegt und in erheblichem Umfang auf handelsrechtlich abzugsfähige, steuerlich nicht abzugsfähige Beträge zurückzuführen ist. Bei einer übertragung des steuerlichen Ergebnisses auf den Organträger im Sinne der Wirtschaftsverbände hätte dies zur Folge, daß die steuerlich nicht abzugsfähigen Beträge zu Unrecht bei dem Organträger zur Besteuerung herangezogen würden (siehe auch Flume "Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht" in "Der Betrieb" 1956 S. 455, 462 unter b letzter Absatz).

Es wäre ein Irrtum anzunehmen, daß bei einer übertragung der Einheitstheorie auf Organverhältnisse mit Ergebnisabführungsverträgen die für die Steuerpflichtigen günstigen Grundsätze der Rechtsprechung des Gewerbesteuerrechtes hinsichtlich der Gewinnrealisierung und des Verlustabzuges angewandt werden könnten (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 254/55 U vom 31. Januar 1956, Slg. Bd. 62 S. 246, BStBl 1956 III S. 91, und I 29/53 U vom 6. Oktober 1953, Slg. Bd. 58 S. 101, BStBl 1953 III S. 329). Die Rechtslage müßte hier vielmehr der Auflösung (ß 14 KStG) oder der Fusion gleichgestellt werden. Das hätte zur Folge, daß weder der Verlustvortrag (Verlustabzug) zur Anwendung kommen könnte (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 107/36 vom 19. Mai 1936, RStBl 1936 S. 790; siehe auch Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 73/54 U: "Man kommt somit zu dem Ergebnis, daß der Verlustabzug als eine Einkommensermittlungsvorschrift den steuerlichen Gewinn nicht mindern kann, der auf Grund der Ergebnisabführungsverträge an das beherrschende Unternehmen zu übertragen ist") noch die Besteuerung der Gewinnrealisierung im Zeitpunkt des Abschlusses des Ergebnisabführungsvertrages im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen vermieden werden könnte. Siehe insbesondere Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 353/42 vom 27. Oktober 1943, Slg. Bd. 54 S. 1, RStBl 1949 S. 194, und Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 1/50 S vom 26. Juni 1950, Slg. Bd. 54 S. 492, Steuerrechtsprechung in Karteiform (StRK), D-Markbilanzgesetz, § 45 Rechtsspruch 1 unter "zu c". (Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 254/55 U verbindet die Gewinnrealisierung mit der handelsrechtlichen Fusion).

Die Einheitstheorie für Organverhältnisse mit Ergebnisabführungsverträgen wäre auch mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs zur Vermögensteuer unvereinbar. Der Bewertungssenat hat stets die subjektive Vermögensteuerpflicht der Organgesellschaft ohne Einschränkung bejaht, und zwar sowohl beim Reichsfinanzhof wie beim Obersten Finanzgerichtshof und beim Bundesfinanzhof, siehe hierzu das Gutachten des Reichsfinanzhofs I D 2/31, III D 2/32 vom 26. Juli 1932, Slg. Bd. 31 S. 297, 307, die Entscheidungen des Obersten Finanzgerichtshofs III 19/49 S vom 26. August 1949, Slg. Bd. 54 S. 372, StRK, Steueranpassungsgesetz, § 11 Rechtsspruch 1, sowie des Bundesfinanzhofs III 187/51 U vom 25. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 243, BStBl 1955 III S. 96; siehe auch die zum Notopfer Berlin ergangene Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 12/49 vom 19. November 1949, StRK, Notopfer Berlin, § 2 Rechtsspruch 1.

Der Richter ist an das Gesetz gebunden (ß 56 der Reichsabgabenordnung - AO - ). Bei der Auslegung der Steuergesetze ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise zu berücksichtigen (Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 241/52 U vom 3. Dezember 1953, Slg. Bd. 58 S. 417, BStBl 1954 III S. 72). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise hat bei Organverhältnissen mit Ergebnisabführungsverträgen ihren Ausdruck darin gefunden, daß der Ergebnisabführungsvertrag wie ein rein betrieblicher Vorgang des subjektiv steuerpflichtigen Organs behandelt wird. Für die Einkommensberechnung des Organs müssen hinsichtlich der nicht abzugsfähigen Beträge die Bestimmungen, wie sie das Gesetz uneingeschränkt für alle subjektiv steuerpflichtigen Personen aufgestellt hat und wie sie in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 238/38 vom 22. November 1938, Slg. Bd. 45 S. 195, RStBl 1939 S. 476, dargestellt sind, angewandt werden:

"Durch die Bestimmung des § 17 Ziff. 3 KStG 1925 (ß 12 Ziff. 2 KStG 1934) werden die Personalsteuern nicht zu einem besonderen Gegenstand der Einkommensbesteuerung erhoben. Die Bestimmung bezweckt vielmehr nur bei den Körperschaften ebenso wie den Einzelkaufleuten die Personalsteuern nicht als Geschäftsunkosten zu behandeln". "Der steuerpflichtige Gewinn muß so berechnet werden, wie wenn Personalsteuern weder bezahlt noch geschuldet würden (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 81/30 vom 14. Juli 1932, RStBl 1932 S. 737)".

Der Richter ist auf Grund seiner Bindung an das Gesetz nicht in der Lage, den eindeutigen Gesetzesbefehl zu mißachten.

B. Auf Grund dieser Erwägungen wird zu den vom Bundesminister der Finanzen gestellten Fragen wie folgt Stellung genommen:

Frage 1: Sind die von dem beherrschenden Unternehmen (dem Organträger) im Zusammenhang mit einer steuerlich anerkannten Gewinnabführungsvereinbarung an die Minderheitsgesellschafter des Organs gezahlten garantierten Dividenden beim beherrschenden Unternehmen abzugsfähige Betriebsausgaben?

In übereinstimmung mit den beiden Wirtschaftsverbänden und dem Bundesminister der Finanzen wird diese Frage bejaht. Die Begründung ergibt sich aus den oben gemachten Ausführungen.

Frage 2: Erhöhen bei Bejahung der Frage zu Ziff. 1 die von dem beherrschenden Unternehmen gezahlten garantierten Dividenden den Gewinn des Organs?

Auch hier wird in übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen die Frage bejaht. Die gegenteilige Ansicht der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 71/24 vom 10. Oktober 1924, Slg. Bd. 14 S. 303, lehnt der Senat ab. Gegen ihre Grundsätze hat bereits die Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A a 378/29 vom 29. Oktober 1929, RStBl 1929 S. 667, Stellung genommen, die die Frage im Rahmen eines Interessengemeinschaftsvertrages behandelt. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hinsichtlich der Mindestbesteuerung, die voraussetzt, daß die umstrittenen Beträge wirtschaftlich über das Organ den Gesellschaftern zufließen. Die Wirtschaftsverbände sind der Auffassung, daß es sich bei den Zahlungen um keine Dividenden handelt und deshalb eine Gewinnerhöhung beim Organ im Ergebnis nicht eintreten kann. Hinsichtlich dieses Rechtsproblems wird auf die Ausführungen unter Ziff. 5 verwiesen.

Frage 3: Ist bei Bejahung der Frage zu Ziff. 2 der um die garantierten Dividenden erhöhte Gewinn des Organs in voller Höhe dem beherrschenden Unternehmen zuzurechnen oder ist der Teil des Gewinns des Organs, der den garantierten Dividenden entspricht, als eigenes Einkommen des Organs der Besteuerung zu unterwerfen?

In dieser Frage weichen die Auffassungen der der Anfrage des Bundesministers der Finanzen beigefügten Körperschaftsteuer-Sammelverfügung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 23. Januar 1952 S 2600 A - St I 3 a und des Erlasses des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 14. Januar 1954 S 2256 a - 2 - 31 2 voneinander ab. Während die Oberfinanzdirektion die Behandlung dieser Beträge als Erfolgseinkommen bei der Organgesellschaft verneint, ist das Land Niedersachsen der Ansicht, daß insoweit, als Dividendenzahlungen durch die Organträger erfolgt sind, der erwirtschaftete Gewinn bei der Organgesellschaft verbleibt und bei ihr als Erfolgseinkommen zu versteuern sei. Der Bundesminister der Finanzen und die beiden Wirtschaftsverbände kommen, wie oben dargestellt, zu der Ansicht, daß grundsätzlich bei Organverhältnissen mit Ergebnisabführungsverträgen eine Steuerpflicht des Organs nicht gegeben sei.

Wie der Senat ausgeführt hat, lehnt er auch für Organgesellschaften mit Ergebnisabführungsverträgen die Einheitstheorie ab. Er folgt der vom Land Niedersachsen vertretenen Ansicht.

Frage 4: Ist es steuerlich von Bedeutung, ob die Minderheitsgesellschafter des Organs unmittelbar vertragliche Ansprüche gegen das beherrschende Unternehmen erwerben oder ob die vertraglichen Ansprüche dem Organ zugunsten seiner Minderheitsgesellschafter zustehen?

In übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen wird die Frage verneint. Es ist lediglich eine Sache der technischen Durchführung, ob man als Berechtigte gegenüber dem Organträger die Minderheitsgesellschafter oder das Organ bestimmt. Wirtschaftlich ist es ohne Bedeutung.

Frage 5: Welche Folgerungen sind zu ziehen, wenn a) die garantierte Dividende nach einem festen Vomhundertsatz des Nennbetrages der Beteiligung bemessen und unabhängig davon gezahlt wird, ob das beherrschende Unternehmen oder das Organ einen Gewinn erzielt hat;

die garantierte Dividende nach der Höhe des Gewinns des beherrschenden Unternehmens oder des Organs bemessen und nur gezahlt wird, wenn das beherrschende Unternehmen oder das Organ einen Gewinn erzielt hat;

der Tatbestand zu b) vorliegt, aber eine bestimmte Mindestverzinsung garantiert wird?

In dieser Frage gehen die Rechtsauffassungen des Bundesministers der Finanzen und der beiden Wirtschaftsverbände wesentlich auseinander. Die beiden Wirtschaftsverbände stützen ihre Rechtsauffassung in der Hauptsache auf Ausführungen von Binder in der Finanz-Rundschau 1954 S. 219 und von Flume in "Der Betrieb" 1956 S. 455, 462 f. Sie sind der Ansicht, daß es sich bei der "Dividendengarantie" um ein Rentenversprechen des Organträgers an die Minderheitsgesellschafter des Organs mit unmittelbarer Wirkung zwischen diesen Minderheitsgesellschaftern und dem Organträger handelt. Es liege sachlich betrachtet keine Dividende vor. Dies sei klar bei einer Dividendengarantie mit festem Betrag, verhalte sich aber auch bei Abhängigkeit der Höhe von Gewinn oder Dividende des Organträgers nicht anders, da auch hierbei die aus dem vorgesehenen Gewinn bzw. der vorgeschlagenen Dividende sich ergebende Höhe der Dividendengarantiezahlung als gewinnmindernde Ausgabe berücksichtigt werden müsse, ebenso wie bei sonstigen Verpflichtungen, deren Höhe vom Gewinn oder von der Dividende abhänge. Die Bezahlung erfolge nicht an die Gesellschafter des bezahlenden Unternehmens, des Organträgers, der auch keine Kapitalgesellschaft zu sein brauche, sondern Einzelunternehmer sein könne, sondern an Gesellschafter einer anderen Gesellschaft, nämlich des Organs. Die Verpflichtung habe ähnlichkeit mit der Angestelltentantieme oder mit gewinnabhängigen Pachtzahlungen. Daß es sich nicht um Dividenden handeln könne, ergebe sich auch aus den Vorschriften des Aktienrechts, die die Zusage einer bestimmten Mindestdividende oder einer festen Verzinsung als unzulässig erklärten, siehe § 52 Abs. 1, § 54 Abs. 1 AktG. Es handle sich lediglich um Ausgleichszahlungen des Organträgers an die Minderheitsgesellschafter des Organs. Die Zahlungen unterschieden sich in keiner Weise von Zinsen auf Obligationen. Der Nennbetrag der Beteiligung spiele nur die Rolle, daß auf sie der zugesagte feste Prozentsatz bezogen werde. Daß die Ausgleichszahlungen in allen Fällen geleistet werden müßten, also auch wenn der Organträger mit Verlust abschließe, lasse den Charakter dieser Verpflichtung und die völlige Verschiedenheit von Dividende und Gewinnverteilung besonders klar erkennen.

Die Wirtschaftsverbände führen allerdings auch folgendes aus:

"Daß es sich bei dem Empfänger um einen Ertrag aus seiner Beteiligung handelt, besagt nichts, zumal es sich in jedem Fall um Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 EStG handelt".

Im Gegensatz dazu ist der Bundesminister der Finanzen der Auffassung, daß es sich in allen Fällen um Gewinnausschüttungen handle, die nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden könnten. Es handle sich um Zahlungen, die auf dem Beteiligungsrecht der Minderheitsgesellschafter beruhten.

Stellungnahme des Senats: Es wird der Auffassung des Bundesministers der Finanzen beigepflichtet, daß es sich hier um Beträge handelt, die auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruhen. Auch die Wirtschaftsverbände erkennen an, daß die Zahlungen als Kapitalerträge anzusehen sind. Sie bezeichnen die Zahlungen als Ausgleichszahlungen. Dieser Ausdruck widerspricht nicht der Auffassung des Bundesministers der Finanzen. Die entscheidende Frage besteht darin, wofür diese Ausgleichszahlungen geleistet werden. Sie haben ihren Grund darin, daß dem Hauptgesellschafter im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages Beträge zufließen, die ihm auf Grund seiner Gegenleistung wirtschaftlich betrachtet, nicht in vollem Umfang zustehen, die also zum Teil in seiner Gesellschaftereigenschaft begründet sind. Die Zahlungen an die Minderheitsgesellschafter stellen den Ausgleich für den vom Hauptgesellschafter im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages bezogenen Gewinn dar, soweit er auf seine Gesellschaftereigenschaft zurückzuführen ist.

Die Wirtschaftsverbände wenden dagegen sein, daß es mit dem Wesen einer Dividende nicht vereinbar sei, daß sie ohne Rücksicht auf Gewinn und Verlust des Organträgers gezahlt würde. Bei dieser Frage muß jedoch beachtet werden, daß das Ergebnis des Organträgers für die Mindestdividenden, die an die Gesellschafter des Organs gezahlt werden, schon deswegen keine Bedeutung haben kann, da es sich beim Organträger um ein den Minderheitsgesellschaftern fremdes Unternehmen handelt. Es wird hier der im übrigen von den Wirtschaftsverbänden unterstrichene Gesichtspunkt der handelsrechtlichen Trennung des Organträgers vom Organ außer acht gelassen.

Das Organ schneidet zudem nicht mit plus-minus-null ab, sofern man die Zahlungen an die Minderheitsgesellschafter als Einnahmen des Organs berücksichtigt. Das Organ hat in Höhe dieser Beträge Gewinn. Die Tatsache, daß die durch ein Organverhältnis verbundenen Gesellschaften möglicherweise, in ihrer Gesamtheit betrachtet, Verluste haben, ist rechtlich ohne Bedeutung, da die Anerkennung der Organgesellschaften als handelsrechtlich und steuerrechtlich selbständige Körperschaften den Verlustausgleich verbietet.

Die von den Wirtschaftsverbänden gegen die Charakterisierung der Zahlungen an die Minderheitsgesellschafter als Dividenden geltend gemachten Bedenken aus dem Aktienrecht berühren die handelsrechtliche Wirksamkeit derartiger Verträge, nicht aber das steuerliche Ergebnis. Die Frage der handelsrechtlichen Wirksamkeit der Verträge ist nicht Gegenstand des Gutachtens. Das Gutachten setzt vielmehr die handelsrechtliche Wirksamkeit voraus.

Des weiteren machen die Wirtschaftsverbände geltend, daß die Festlegung der Dividenden auf einen bestimmten Hundertsatz mit dem Wesen der Dividende nicht vereinbar sei.

Auch diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und ihr folgend des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs unterscheidet bei der Frage der Gewinnausschüttung nicht, ob es sich um eine Dividende im handelsrechtlichen Sinn handelt, sie prüft lediglich ob die Zahlung Ausfluß der Beteiligung ist. Als "Gewinnanteile" sind bei Kapitalgesellschaften alle Beträge zu verstehen, die eine Kapitalgesellschaft unbeschadet des Grund- und Stammkapitals und ohne Verpflichtung zur Anrechnung auf die Kapitaleinlagen an die Gesellschafter auf Grund der Geschäftsanteile verteilt (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 19/36 vom 28. April 1936, Slg. Bd. 39 S. 219, RStBl 1936 S. 770). Ebenso Urteil des Reichsfinanzhofs I A a 881/28 vom 26. Februar 1929, RStBl 1929 S. 334. Die Rechtsprechung hat deshalb bei Gesellschafterdarlehen, bei denen die Verzinsung ebenfalls in ihrer Höhe festgelegt ist, dort Gewinnausschüttungen angenommen, wo die Darlehen den Charakter von Beteiligungen haben; zuletzt Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 178/55 U vom 20. März 1956, Slg. Bd. 62 S. 482, BStBl 1956 III S. 179, siehe die Zusammenstellung der Rechtsprechung in "Der Betrieb" 1957 S. 173, siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 77/37 vom 31. Oktober 1939, Slg. Bd. 48 S. 13, RStBl 1940 S. 35. Es besteht keine Veranlassung, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen. Auf die vorliegende Frage abgestellt ergibt sich, daß es ohne Bedeutung ist, ob die Dividendengarantie in ihrer Höhe begrenzt ist oder nicht. Es muß deshalb in diesem Punkte der Rechtsauffassung des Bundesministers der Finanzen gefolgt werden.

Es handelt sich bei den Vereinbarungen hinsichtlich der Minderheitsgesellschafter um eine echte Gewinnverteilungsabrede. Für sie ist es ohne Bedeutung, daß sie nicht auf das Ergebnis der einzelnen Wirtschaftsperioden abgestellt ist, sondern auf den für die Laufzeit des Vertrages geschätzten Gewinn.

Für die rechtliche Würdigung ist es somit ohne Bedeutung, welche der in der Frage 5) erwähnten verschiedenen Wege von den Unternehmungen eingeschlagen werden. Im übrigen wird nach Kenntnis des Senats auch technisch im allgemeinen die garantierte Dividende an die Minderheitsaktionäre wie die normale Dividende behandelt.

Frage 6: Ist es steuerlich von Bedeutung, wenn die garantierten Dividenden auf Anweisung des beherrschenden Unternehmens von dem Organ gezahlt werden?

In übereinstimmung mit den Wirtschaftsverbänden und dem Bundesminister der Finanzen wird die Frage verneint.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408625

BStBl III 1957, 139

BFHE 64, 368

BB 1957, 392

DB 1957, 433

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