Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verlustberücksichtigung bei § 17 EStG; grundsätzliche Bedeutung; Verfahrensmängel (Sachaufklärung, Entscheidungserheblichkeit)

 

Leitsatz (NV)

1. Die Grundsätze, nach denen ein Verlust aus der Veräußerung oder Auflösung einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 EStG zu berücksichtigen ist, sind geklärt. Für die Frage, ob tatsächlich ein Verlust vorliegt, wenn es um die Abtretung einer uneinbringlichen Forderung unter "aus einem Topf wirtschaftenden" Ehegatten geht, kommt es auf die regelmäßig nicht klärungsbedürftigen Umstände des Einzelfalls an.

2. Haben die fachkundig vertretenen Kläger trotz Aufklärungsbedarfs hinsichtlich einer Bürgschaftsvereinbarung und -inanspruchnahme rügelos zur Sache verhandelt, geht ihr Rügerecht durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren.

 

Normenkette

EStG § 17; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO §§ 165, 295

 

Verfahrensgang

FG München (Urteil vom 14.07.2011; Aktenzeichen 15 K 1716/08)

 

Gründe

Rz. 1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre --im Stil einer Revision gehaltene-- Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen sind die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe nicht gegeben.

Rz. 2

1.a) Die Kläger haben die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Zum einen fehlt es schon an Ausführungen, inwieweit die von ihnen aufgeworfenen Fragen in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten sind und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit von Bedeutung ist. Zum anderen sind die Grundsätze, nach denen ein Verlust aus der Veräußerung oder Auflösung einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Zum Dritten kommt es für die Frage, ob tatsächlich ein Verlust vorliegt, wenn es um die Abtretung einer uneinbringlichen Forderung unter "aus einem Topf wirtschaftenden" Ehegatten, ggf. als Drittaufwand, geht, auf die regelmäßig --so auch im Streitfall-- nicht klärungsbedürftigen Umstände des Einzelfalls an (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Dezember 2009 IX B 72/09, BFH/ NV 2010, 932; vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165).

Rz. 3

b) Das gilt gleichermaßen für die Frage nach einer unentgeltlichen oder teilentgeltlichen Zuwendung bei fragwürdiger Forderungsrealisierung wie auch für die Frage, ob durch kurzzeitige Rückführung eines Darlehens eine Krise zu erkennen ist. Zudem ist auch die Frage, ob die Gesellschaft in eine Krise geraten ist, aufgrund einer --nicht grundsätzlich bedeutsamen-- Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BFH-Urteile vom 25. Mai 2011 IX R 54/10, BFH/NV 2011, 2029; vom 9. Oktober 2008 IX R 60/05, BFH/NV 2009, 896, m.w.N) als Tatfrage zu entscheiden.

Rz. 4

c) Entsprechend bedarf es keiner Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alt. FGO). Für die Darlegung der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. FGO) mangelt es bereits an einer eine Abweichung erkennbar machenden Gegenüberstellung tragender Erwägungen des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts (FG) und (vermeintlicher) Divergenzentscheidungen (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495; vom 28. März 2011 III B 144/09, BFH/NV 2011, 1144).

Rz. 5

Mit ihrem Vorbringen rügen die Kläger im Kern lediglich eine (vermeintlich) unzutreffende Tatsachenwürdigung und fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. April 2008 IX B 156/07, BFH/NV 2008, 1323; vom 23. September 2009 IX B 84/09, BFH/NV 2010, 395).

Rz. 6

2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind zum Teil nicht hinreichend dargetan, im Übrigen liegen sie nicht vor.

Rz. 7

a) Soweit die Kläger in der Nichtberücksichtigung der Bürgschaftsinanspruchnahme auch des Klägers eine unzureichende Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel in Gestalt der unterlassenen Amtsermittlung rügen (zu den Anforderungen: z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43), ist dieser Verstoß nicht gegeben. Dazu ist dem FG-Urteil (S. 4) eine entsprechende Bürgschaftsvereinbarung und -inanspruchnahme nicht zu entnehmen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls (zu dessen Beweiskraft: § 94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung --ZPO--) wurde der wesentliche Inhalt der Akten vorgetragen, ohne dass die Kläger auf den Vortrag korrigierend reagiert oder auf eine entsprechende Aufklärungsmaßnahme hingewirkt oder einen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt hätten. Gleichwohl haben die fachkundig vertretenen Kläger rügelos zur Sache verhandelt und damit ihr Rügerecht durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO; vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 2008 IX B 207/07, BFH/NV 2008, 2022, m.w.N.).

Rz. 8

b) Hinsichtlich der (erst seit Akteneinsicht bekannten) Probeberechnungen des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt) fehlt es für eine Verfahrensrüge bereits an Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit.

Rz. 9

c) Soweit die Kläger rügen, dass das FG-Urteil --trotz Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im November 2000-- keine konkreten Ausführungen zur Berücksichtigung des Auflösungsverlustes des Klägers im Streitjahr 2000 enthält, greift diese Verfahrensrüge nicht durch. Solche Ausführungen waren entbehrlich; denn nach der maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. September 2007 IX B 199/06, BFH/NV 2008, 26; vom 14. Oktober 2009 IX B 105/09, BFH/NV 2010, 443) hatte zum einen zwar die Klägerin, nicht aber der Kläger hinsichtlich der in Frage stehenden Finanzierungsmaßnahmen (Bürgschaften, Darlehen) eigene Aufwendungen getätigt und zum anderen den eigenkapitalersetzenden Charakter seiner Darlehensgewährung nicht nachgewiesen.

Rz. 10

d) Auch die Rüge eines Verfahrensmangels hinsichtlich der zusätzlich geltend gemachten, aber vom FG nicht berücksichtigten Aufwendungen der Klägerin (in den --Nicht-Streit-- Jahren 1997 bis 1999) geht fehl. Denn für die Berücksichtigung solcher die GmbH betreffenden Aufwendungen kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung der Kapitalanteile an (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 2010 IX R 45/09, BFHE 230, 380, BStBl II 2010, 969, m.w.N.); die Klägerin hat aber ihre GmbH-Anteile im November 1999 veräußert, also nicht in den Streitjahren 2000 bis 2002. Entsprechend verweist das FG zutreffend auf das das Jahr 1999 betreffende, rechtskräftig abgeschlossene FG-Verfahren (Az. 15 K 4839/02) und eine mögliche Änderung des Veräußerungsgewinns für nach dem maßgebenden Veräußerungszeitpunkt noch angefallene Aufwendungen (vgl. grds. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897).

 

Fundstellen

Haufe-Index 3281426

BFH/NV 2012, 1783

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