Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauherrengemeinschaften; Bekanntgabe der Feststellungsbescheide an Treuhänder; Anleger als Erwerber

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Bekanntgabe der Feststellungsbescheide für eine Bauherrengemeinschaft an den Treuhänder (Abgrenzung zum Beschluß vom 25. September 1985 IX B 21/85, BFH/NV 1986, 250).

2. Anleger im Bauherrenmodell sind regelmäßig einkommensteuerrechtlich als Erwerber zu beurteilen; ihre Aufwendungen gehören deshalb zu den Anschaffungskosten (insoweit nur Leitsatz unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des IX. Senats, zuletzt im Beschluß vom 30. Januar 1991 IX B 140/89, BFH/NV 1991, 595).

3. Zum Vertrauensschutz und zur Anwendung des Übergangserlasses des BdF vom 14. März 1990, BStBl I 1990, 147 (insoweit nur Leitsatz, Begründung wie im Beschluß vom 24. Juli 1990 IX B 138/89, BFH/NV 1991, 159, dort Abschn. 3).

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) beteiligte sich zusammen mit anderen Anlegern an der Bauherrengemeinschaft Z zur Errichtung einer Wohnanlage mit zehn Eigentumswohnungen. Treuhänderin war die X-Steuerberatungsgesellschaft mbH (Treuhänderin); Beauftragte war die Y-AG. Grundlage des Vertriebs war ein Prospekt, aus dem die Einzelheiten der Finanzierung, Größe, Lage und Grundriß der Wohnungen sowie die Gesamtkosten hervorgehen. In dem formularmäßigen Treuhandvertrag mit Vollmacht vom 19. November 1982 beauftragte der Antragsteller die Treuhänderin mit der Bearbeitung und Durchführung der mit dem Bauvorhaben zusammenhängenden Rechtsgeschäfte und Tätigkeiten einschließlich der steuerlichen Betreuung und erteilte ihr umfassende Vollmacht. Die Treuhänderin übernahm die umfassende steuerliche Beratung und Betreuung im Zusammenhang mit der Durchführung des Bauvorhabens bis zur Beendigung des Treuhandverhältnisses. Über diesen Zeitraum hinaus sollte sie solange aus dem Vertrag berechtigt und verpflichtet bleiben, bis sämtliche Verwaltungsakte endgültig bestandskräftig sind.

Aufgrund des Treuhandvertrages und der Vollmacht schloß die Treuhänderin für den Antragsteller - wie für die übrigen Anleger - eine Reihe von vorformulierten und gleichlautenden Verträgen, u. a. den Grundstückskaufvertrag, einen Gesellschaftsvertrag mit Aufbauverpflichtung zur Durchführung des Vorhabens mit den anderen Beteiligten, einen Bürgschafts-, Zinsgarantie- und Finanzierungsgarantievertrag, einen Werkvertrag mit dem Generalbauunternehmer, einen Architektenvertrag, einen Finanzierungsvermittlungsvertrag sowie einen Vermietungsgarantievertrag.

Auf der Grundlage dieser Verträge wurde für den Antragsteller eine Eigentumswohnung errichtet, deren Gesamtkosten ohne Damnum im Treuhandvertrag mit . . . DM beziffert sind. Die Bauarbeiten waren im April 1984 abgeschlossen.

Die Bauherrengemeinschaft gab die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr 1982, in der die Treuhänderin als Empfangsbevollmächtigte benannt ist, im April 1983 ab. Das früher zuständige Finanzamt A stellte den Werbungskostenüberschuß in einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid zunächst im wesentlichen erklärungsgemäß fest und verteilte ihn auf die Anleger. Mit Bescheid vom 7. Februar 1986, den es der Treuhänderin bekanntgab, änderte das FA A diesen Bescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und kürzte dabei die bisher als sofort abziehbar anerkannten Werbungskosten, insbesondere die Vermittlungsgebühren für die Zwischenfinanzierung sowie die Notarkosten; die Bürgschaftsprovisionen und Zinsgarantiegebühren erkannte das Finanzamt A nicht mehr als Werbungskosten an.

Dadurch verminderte sich der auf den Antragsteller entfallende Anteil an dem Werbungskostenüberschuß von . . . DM auf . . . DM. Den geänderten Bescheid gab der zwischenzeitlich zuständig gewordene Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt B - FA -) am 7. Oktober 1987 jedem der Anleger bekannt, nachdem zweifelhaft geworden war, ob die Treuhänderin noch zum Empfang der Feststellungsbescheide bevollmächtigt war.

Über den Einspruch gegen den geänderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr ist noch nicht entschieden. Das FA lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des gewährten Feststellungsbescheides ab. Der daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag, mit dem der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung in Höhe von . . . DM begehrte, hatte keinen Erfolg. Das FG beurteilte den Antragsteller, wie die übrigen Beteiligten an der Bauherrengemeinschaft, als Erwerber einer fertigen Eigentumswohnung und rechnete deshalb sämtliche Aufwendungen den Anschaffungskosten zu.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Er trägt vor, der geänderte Feststellungsbescheid für 1982 sei rechtswidrig, weil er erst nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen sei. Die Bekanntgabe an die Treuhänderin sei unwirksam, weil das Treuhandverhältnis mit der Baufertigstellung durch Zweckerreichung erloschen sei. Das FG sei außerdem zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Anleger als Erwerber zu beurteilen seien. Sie seien - im Gegensatz zu dem vom erkennenden Senat (Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299) beurteilten Sachverhalt - aufgrund der durchgeführten Bauherrenversammlung jederzeit in der Lage gewesen, das Baugeschehen zu beherrschen und die gesamte Planung zu kippen. In dem Werkvertrag sei die Anwendung der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB, Teil B) vereinbart. Die Verträge des Bauherrenmodells seien nicht vorformuliert gewesen, sondern in jedem Fall ausgehandelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen nach der ständigen Rechtsprechung (seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182) vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dies ist aufgrund einer summarischen Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Feststellungsbescheids zu entscheiden, wobei die Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen nach § 76 FGO so weit gehen muß, daß entschieden werden kann, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Die Beweisaufnahme ist auf präsente Beweismittel beschränkt (BFH-Beschluß vom 23. Juli 1968 II B 17/68, BFHE 92, 440, BStBl II 1968, 589, und Urteil vom 4. Mai 1977 I R 162-163/76, BFHE 123, 3, BStBl II 1977, 765). Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Feststellung eines höheren als des festgestellten Werbungskostenüberschusses im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung begehrt wird (BFH-Beschluß vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637, m. w. N.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Entscheidung der Vorinstanz als zutreffend.

a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Feststellungsbescheides für 1982 bestehen nicht bereits deshalb, weil bei seiner Bekanntgabe Feststellungsverjährung eingetreten sein könnte. Gemäß §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 169 Abs. 2 Nr. 2 und 170 Abs. 1 AO 1977 betrug die Feststellungsfrist vier Jahre und endete mit Ablauf des Jahres 1986. Der geänderte Feststellungsbescheid ist vor Ablauf der Feststellungsfrist ergangen. Die Bekanntgabe an die Treuhänderin war wirksam. Der Antragsteller hatte sie in dem Treuhandvertrag nicht nur zur Empfangsbevollmächtigten (§ 183 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) bestellt, sondern ihr eine umfassende Vollmacht (§ 80 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) zur Vertretung gegenüber dem FA erteilt. Nach dem Treuhandvertrag (Abschn. III 3 und IV 1) war die Treuhänderin zur Vertretung des Treugebers bzw. der Gemeinschaft beim Betriebs-FA, zur Abgabe der Feststellungserklärungen, zur Überprüfung der endgültigen Feststellungsbescheide und zur Fertigung der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte bis zur Auflösung der Bauherrengemeinschaft bevollmächtigt. Die Vollmacht sollte trotz Beendigung des Treuhandvertrages durch Zweckerreichung fortbestehen und erst mit Bestandskraft des jeweiligen Verwaltungsaktes enden (Abschn. IV 6 des Treuhandvertrages). Die Treuhänderin würde sich treuwidrig verhalten, wenn sie sich trotz dieser umfassenden Vollmacht und obwohl sie auch nach Baufertigstellung gegenüber den Finanzbehörden wie eine Bevollmächtigte aufgetreten ist, auf den Standpunkt stellen würde, sie sei nicht berechtigt gewesen, für die an der Bauherrengemeinschaft beteiligten Anleger Feststellungsbescheide entgegenzunehmen (Senatsurteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BStBl II 1991, 120).

Der Beschluß des erkennenden Senats vom 25. September 1985 IX B 21/85 (BFH/NV 1986, 250) steht nicht entgegen. In dem dort entschiedenen Fall war ernstlich zweifelhaft, ob das FA den Feststellungsbescheid noch gegenüber der Treuhänderin bekanntgeben konnte, weil dort das Treuhandverhältnis mit Zweckerreichung - Erwerb des Grundstücks und Erteilung der Abrechnung über das errichtete Bauwerk - endete. Im Streitfall bestand die umfassende Vollmacht, die der Antragsteller der Treuhänderin erteilt hatte, dagegen nach Zweckerreichung fort.

Der Senat kann danach offenlassen, ob der Beginn der Feststellungsfrist für das Streitjahr 1982 gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 3 AO 1977 hinausgeschoben wurde oder der Ablauf der Feststellungsfrist nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 gehemmt war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417589

BFH/NV 1992, 463

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