Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungsnaher Aufwand; Aussetzung der Vollziehung; Gegenrüge im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (NV)

1. Lassen die Erwerber eines für 530 000 DM erworbenen Einfamilienhausgrundstücks das Gebäude noch vor dem Bezug für mehr als 200 000 DM modernisieren, bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß es sich nicht um sofort abziehbaren anschaffungsnahen Aufwand handelt.

2. Hat das FG die Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids ausgesetzt und das FA hiergegen Beschwerde eingelegt, so bedarf eine ,,Gegenrüge" des Antragstellers wegen mangelhafter Sachaufklärung durch das FG jedenfalls der schlüssigen Darlegung.

3. Erledigt sich ein finanzgerichtliches Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung teilweise dadurch, daß der strittige Bescheid wegen eines inzwischen von den Antragstellern geltend gemachten Verlustrücktrags geändert wird, so haben die Antragsteller insoweit die Kosten nach § 138 Abs. 1 FGO zu tragen.

 

Normenkette

EStG 1982 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nrn. 7, 21, 21a; FGO § 69 Abs. 2-3, § 138 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Sie erwarben durch Kaufvertrag vom 11. Juni 1982 zum Preis von 530 000 DM ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, das ihnen am 13. August 1982 übergeben wurde. Nach dem Kaufvertrag hatten die Antragsteller das Recht, das Grundstück ab 1. August 1982 zu betreten und vorbereitende Baumaßnahmen vorzunehmen. Sie ließen anschließend noch vor dem Bezug am 13. Dezember 1982 das 1952 errichtete Gebäude für insgesamt 212 295 DM modernisieren. Davon entfielen auf Ausbauten im Dach und Keller 42 000 DM. Außerdem wurden die Fenster durch Isolierglasfenster ersetzt, die Heizung mit Ersatz der meisten Heizkörper erweitert, die Elektro- und Sanitärinstallation sowie Badezimmereinrichtung erneuert.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1983 machten die Antragsteller von diesen Aufwendungen den Betrag von rd. 150 000 DM als Erhaltungsaufwand geltend, der gemäß § 82b der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung (EStDV) auf fünf Jahre verteilt werden sollte. Ferner begehrten sie den erweiterten Abzug von Schuldzinsen für die Ausbauten gemäß § 21a Abs. 4 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) hielt dagegen anschaffungsnahen Herstellungsaufwand für gegeben, der in Höhe von 35 000 DM nach § 82a EStDV erhöht absetzbar und im übrigen den mit 420 179 DM angesetzten Gebäudeanschaffungskosten hinzuzurechnen sei. Den Schuldzinsenabzug lehnte das FA ab.

Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist, und beantragten zugleich die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerabschlußzahlung. Dem entsprach das FA nur hinsichtlich eines Teilbetrags von . . . DM. Mit dem nunmehr an das Finanzgericht (FG) gerichteten Antrag begehrten die Antragsteller zunächst, die Vollziehung auch hinsichtlich eines Betrags von . . . DM auszusetzen. Nachdem das FA die Einkommensteuer für das Streitjahr während des finanzgerichtlichen Verfahrens wegen eines inzwischen erklärten Verlustrücktrags aus dem Jahre 1985 auf . . . DM herabgesetzt hatte, beantragten die Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheids in Höhe von . . . DM. Das FG gab dem Aussetzungsbegehren im wesentlichen statt. Zwar seien keine verdeckten Mängel gegeben, weil ein gewisser Reparaturaufwand in den Kaufpreis miteinkalkuliert gewesen sei. Auch der erweiterte Schuldzinsenabzug nach § 21a Abs. 4 EStG komme nicht in Betracht, da mit den Ausbauarbeiten vor dem Stichtag des 30. September 1982 begonnen worden sei. Das FG hielt jedoch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids hinsichtlich der anschaffungsnahen Aufwendungen in Höhe von 135 295 DM vor allem im Hinblick auf die Urteile des Hessischen FG vom 12. Dezember 1985 III 440/82 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 279), des Niedersächsischen FG vom 24. Oktober 1986 VIII 165/86 (EFG 1987, 297) und des FG München vom 23. April 1987 X 84/83 E (EFG 1987, 497) für gegeben.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum anschaffungsnahen Aufwand nicht vorlägen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Beschlusses den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1983 abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Minderung der Einkommensteuer 1983 durch den Verlustrücktrag habe sich die Hauptsache erledigt. In der Sache selbst sei dem FG zu folgen. Erhaltungsaufwand liege jedenfalls deshalb vor, weil die Höhe der Aufwendungen auch zum auf den Grund und Boden entfallenden Kaufpreisanteil in Bezug zu setzen sei. Soweit das FG das Vorliegen verdeckter Mängel verneint habe, beruht dies auf der unterlassenen Anhörung des mit der Durchführung der Baumaßnahmen beauftragten Architekten . . . Dessen Anhörung hätte ergeben, daß wesentliche Mängel der sanitären Einrichtungen und Fußbodenbeläge erst während der Bauarbeiten festgestellt worden seien. Auch zum Baubeginn hätte der Architekt . . . zuverlässige und glaubhafte Angaben machen können.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Änderung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung.

Das FG hat zutreffend über die Aussetzung der Vollziehung des Änderungsbescheids entschieden. Die Antragsteller haben diesen Änderungsbescheid entsprechend § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Mai 1988 IX B 110/86, BFH/NV 1989, 176, m.w.N.).

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen nach ständiger Rechtsprechung seit dem Beschluß des BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66 (BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182) vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dies ist aufgrund einer summarischen Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Einkommensteuerbescheids zu entscheiden.

Der Senat kann unerörtert lassen, ob das FG zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ernstliche Zweifel zu Recht bejaht hat, obwohl der Senat bereits im Urteil vom 12. Februar 1985 IX R 114/83 (BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690) anschaffungsnahe Reparatur- und Modernisierungskosten für ein zur Selbstnutzung bestimmtes Wohngebäude als entweder den Anschaffungskosten oder den Herstellungskosten des Gebäudes zuzuordnenden Aufwand beurteilt hat. Denn jedenfalls ist inzwischen die Rechtslage dahingehend geklärt, daß an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum anschaffungsnahen Aufwand festzuhalten ist. Der Senat verweist hierzu auf sein Urteil vom 11. August 1989 IX R 44/86, BFHE 158, 240, BStBl II 1990 , 53.

Geht man hiervon aus, sind entgegen dem FG-Beschluß keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids hinsichtlich der anschaffungsnahen Aufwendungen gegeben, weil die Antragsteller mit verhältnismäßig hohen Aufwendungen das offenbar erheblich verbilligt erworbene Gebäude unstreitig weitgehend modernisiert haben. Es kann auch davon ausgegangen werden, daß sich dadurch der Nutzungswert erheblich erhöht hat. Infolgedessen kann die Vorentscheidung, soweit sie dem Aussetzungsbegehren stattgegeben hat, keinen Bestand haben.

Die Beschwerde des FA erstreckt sich nicht auf den Teil der Begründung des angefochtenen Beschlusses, in dem das FG die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat. Der Senat kann unerörtert lassen, ob die hiergegen von den Antragstellern erhobenen Einwendungen wie im Revisions-, so auch im Beschwerdeverfahren als Gegenrüge zu werten sind. Denn die insoweit gerügte mangelhafte Sachaufklärung durch das FG ist nicht schlüssig dargelegt. Die Behauptung, daß die Vorinstanz den Architekten . . . hätte hören müssen, entbehrt der Darlegung, daß beim FG ein dahingehender Antrag gestellt und abschlägig beschieden worden wäre (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 27/74, BFHE 123, 20, BStBl II 1977, 802). Es ist auch im übrigen nicht ersichtlich, weshalb sich dem FG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, soweit die Antragsteller unterlegen sind. Hinsichtlich der Erledigung des Verfahrens durch die Bescheidsänderung wegen des von den Antragstellern inzwischen geltend gemachten Verlustrücktrags war die Kostenentscheidung nicht nach § 138 Abs. 2 FGO, sondern nach § 138 Abs. 1 FGO (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 138 FGO Tz. 61 und 68) dahingehend zu treffen, daß die Antragsteller auch insoweit die Kosten zu tragen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416785

BFH/NV 1990, 573

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