Leitsatz (amtlich)

Ist streitig, wie sich die Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft zwischen Eheleuten einkommensteuerlich auswirkt, so ist über die streitigen Einkünfte im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung (§ 215 AO) zu befinden. Das gilt auch dann, wenn die Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden oder zu veranlagen sind.

 

Normenkette

AO § 215; EStG §§ 26, 32a

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Steuerpflichtige) betreibt eine Metzgerei, in der seine Ehefrau als Verkäuferin tätig ist. Die Eheleute vereinbarten durch Ehevertrag vom 27. Juli 1965 mit Wirkung vom 9. Mai 1937 (Tag der Eheschließung) den Güterstand der Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) mit gemeinschaftlicher Verwaltung des Gesamtguts durch beide Ehegatten.

Der Beschwerdegegner (FA) veranlagte den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer und zwar für die Veranlagungszeiträume 1965 und 1966 endgültig und für den Veranlagungszeitraum 1967 vorläufig. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erhöhte das FA auf Grund der Feststellungen im Prüfungsbericht vom 21. Juli 1969 durch Sammelberichtigungsbescheid vom 2. Juni 1970 die Einkommensteuer-Schuld 1965 von 4 174 DM auf 4 964 DM und für 1967 von 3 230 DM auf 3 338 DM. Für 1966 beließ es das FA bei der seitherigen Steuerfestsetzung, weil es neue Tatsachen nach § 222 AO nicht für gegeben hielt. Die Änderung der Einkommensteuer-Veranlagungen 1965 und 1967 beruhte auf einer Erhöhung der Einkünfte aus dem Metzgereibetrieb und der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem den Eheleuten gemeinschaftlich gehörenden Grundstück. Die Erhöhung der gewerblichen Einkünfte ergab sich zum Teil dadurch, daß das FA ab 1. Juli 1965 die an die Ehefrau gezahlten "Löhne" nicht mehr als Betriebsausgaben anerkannte. Das FA ging davon aus, daß der Gewerbebetrieb in das Gesamtgut der Gütergemeinschaft falle und ein Steuerpflichtiger an sich selbst mit steuerlicher Wirkung keine Löhne zahlen könne.

Gegen den Sammelberichtigungsbescheid für 1965 und 1967 legte der Steuerpflichtige Einspruch ein. Vor Entscheidung über den Einspruch beantragte er beim FG, die Vollziehung dieses Bescheids auszusetzen. Er machte geltend, der Betriebsprüfungs-Bericht, den das FA der Berichtigung zugrunde gelegt habe, sei fehlerhaft. Die Einnahmen und Privatentnahmen seien für 1966 zu Unrecht um einen Betrag von 650 DM erhöht worden. Auch habe das FA die Lohnzahlungen an seine Ehefrau zu Unrecht ab 1. Juli 1965 nicht mehr als Betriebsausgaben anerkannt. Schließlich hätte das FA eine vom früheren Bevollmächtigten in der Steuererklärung 1965 vorgenommene Zuschätzung zum Umsatz in Höhe von 10 000 DM wieder abziehen müssen.

Das FG wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Es erachtete die Einwendungen des Steuerpflichtigen nicht für so gewichtig, daß sie ernstliche Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids begründen könnten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Steuerpflichtigen, die dieser im einzelnen nicht begründet hat. Das FA hat sich ebenfalls nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuer-Bescheids vom 2. Juni 1970 in dem vom Steuerpflichtigen begehrten Ausmaß.

Mangels eines substantiierten Beschwerdebegehrens des Steuerpflichtigen geht der Senat davon aus, daß der Steuerpflichtige den Beschluß des FG insoweit anfechten wollte, als das FG ihm im Umfang der durch den berichtigenden Einkommensteuer-Bescheid ausgelösten Nachzahlung die Aussetzung der Vollziehung versagt hat. Die Nachzahlung beträgt für 1965 = 790 DM, für 1967 = 108 DM.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zulässig sei, obwohl das Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen war (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO; Beschluß des BFH I B 16/66 vom 15. November 1966, BFH 87, 270, BStBl III 1967, 130). Zu Unrecht hat das FG indes ernstliche Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuer-Bescheids verneint.

Da der Steuerpflichtige und seine Ehefrau am 27. Juli 1965 Gütergemeinschaft vereinbart haben und der Betrieb der Metzgerei unstreitig nicht zum Vorbehaltsgut des Ehemannes (§ 1418 BGB) erklärt worden ist, liegt die Annahme nahe, daß der Gewerbebetrieb zum Gesamtgut der Eheleute gehört. Der Einwand des Steuerpflichtigen, daß die Metzgerei Sondergut (§ 1417 BGB) geworden sei, weil die aus dem Abschluß der Meisterprüfung sich ergebende berufsrechtliche Stellung nicht übertragbar sei, ist nicht schlüssig. Daß eine vereinzelte personenbezogene Rechts position nicht übertragen werden kann, schließt die Übertragbarkeit derjenigen Vermögensgegenstände, die insgesamt den Gewerbebetrieb ausmachen, nicht aus. Dies hat auch die Vorinstanz zutreffend erkannt. Auch das den Eheleuten gemeinschaftlich gehörende Grundstück, aus dem sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezogen haben, dürfte in das Gesamtgut fallen. Gehört aber eine Einkunftsquelle von Eheleuten zum Gesamtgut, das den Eheleuten zur gesamten Hand zusteht (§ 1419 BGB), so sind die Erträge aus dieser Einkunftsquelle gemäß § 11 Nr. 5 StAnpG grundsätzlich beiden Ehegatten je zur Hälfte zuzurechnen. Gehört ein Gewerbebetrieb zum Gesamtgut, so ist das an die mitarbeitende Ehefrau auf Grund eines behaupteten Arbeitsverhältnisses gezahlte Gehalt ihrem Gewinnanteil im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG zuzuzählen (BFH-Urteil I 226/64 vom 1. März 1966, BFH 85, 181, BStBl III 1966, 277).

Ist - wie hier - streitig, ob und wie sich die Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft im einzelnen Fall einkommensteuerlich auswirkt, so ist über die Einkünfte im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung (§ 215 AO) zu befinden (BFH-Gutachten VI D 1/58 S vom 18. Februar 1959, BFH 69, 5, BStBl III 1959, 263, 266 rechte Spalte am Ende; BFH-Urteil VI 161/63 vom 11. März 1966, BFH 86, 50, BStBl III 1966, 389). Daß die an den Einkünften Beteiligten Ehegatten sind, rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme eines Falles von geringerer Bedeutung im Sinne des § 215 Abs. 4 Satz 2 AO (BFH-Urteil IV 190/65 vom 25. Juni 1970, BFH 99, 513, BStBl II 1970, 730).

Auf die Durchführung einer einheitlichen Feststellung der Einkünfte kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Ehegatten gemäß §§ 26, 32a EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden oder zu veranlagen sind. Weder § 215 AO noch andere Vorschriften des geltenden Rechts schließen die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten aus. Allerdings hat die höchstrichterliche Rechtsprechung für diesen Fall vereinzelt die Notwendigkeit einer einheitlichen Feststellung mit der Begründung verneint, hier sei "eine unterschiedliche Einkunftsermittlung infolge der Zusammenveranlagung ausgeschlossen" (Urteil des RFH VI A 640/29 vom 13. November 1930, RStBl 1931, 109; BFH-Urteil IV 39/58 U vom 26. Juni 1958, BFH 67, 237, BStBl III 1958, 364). Dabei wird jedoch das Wesen der Zusammenveranlagung von Ehegatten nicht ausreichend gewürdigt. Die Zusammenveranlagung von Ehegatten gewährleistet - im Gegensatz zum Verfahren der einheitlichen Feststellung von Einkünften nach § 215 AO - keine notwendig einheitliche Entscheidung für und gegen beide Eheleute. Dies haben der IV. Senat des BFH im Urteil IV R 263/66 vom 27. Februar 1969 (BFH 95, 148, BStBl II 1969, 343) und der VI. Senat des BFH in den Urteilen VI R 230/67 vom 11. Juli 1969 (BFH 96, 306, BStBl II 1969, 708) und VI R 301/66 vom 5. Februar 1971 (BFH 101, 358, BStBl II 1971, 331) im einzelnen dargelegt.

Der I. Senat schließt sich der Ansicht des IV. und VI. Senats an. Materiell-rechtlich sind Personen, die zusammen zu veranlagen sind, Gesamtschuldner (§ 7 Abs. 2 StAnpG). Gegenüber Gesamtschuldnern ist die Möglichkeit abweichender Entscheidungen nicht ausgeschlossen (vgl. die auch für die steuerrechtliche Gesamtschuld bedeutsamen §§ 421 ff. BGB). So kann die Steuerschuld gegenüber der Ehefrau verjährt sein, während im Verhältnis zum Ehemann infolge nur gegenüber ihm wirksamer Handlungen die Verjährung unterbrochen worden ist (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 2. bis 4. Auflage, § 147 AO Anm. 13 am Ende). Verfahrensrechtlich kann das FA zwar gegen Gesamtschuldner einen "einheitlichen" Steuerbescheid erlassen (§ 210 Abs. 2 AO). Dabei handelt es sich aber um eine Zusammenfassung zweier Bescheide zu einem (nur äußerlich) gemeinsamen Bescheid, den jeder Ehegatte mit verschiedenen Gründen angreifen oder gegen sich gelten lassen kann (vgl. z. B. BFH-Urteil VI R 301/66, a. a. O.). Auch aus § 7 Abs. 3 Sätze 4 bis 7 StAnpG läßt sich die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung gegen die zusammenveranlagten Ehegatten nicht herleiten. Die dort vorgesehene Aufteilung der Gesamtschuld findet erst im Vollstreckungsverfahren statt und auch dann nur, wenn ein Gesamtschuldner dies beantragt. Die Entscheidung über die Aufteilung ergeht zwar mit Wirkung für und gegen alle Gesamtschuldner. Dies kann indes sinngemäß nur unter der Voraussetzung gelten, daß im Einzelfall gleichlautende Entscheidungen gegenüber beiden Ehegatten tatsächlich vorliegen, und besagt nicht zwingend, daß der Bescheid über die Zusammenveranlagung in allen Fällen eine notwendig einheitliche Entscheidung erfordert.

Der Senat braucht im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob eine einheitliche Entscheidung gegenüber zusammenveranlagten Eheleuten ausnahmsweise dann notwendig ist, wenn beide Eheleute Einkünfte haben, diese Einkünfte streitig sind und die Eheleute einander entgegengerichtete Interessen verfolgen (vgl. BFH-Urteil III 96/62 vom 28. Januar 1966, BFH 85, 327, BStBl III 1966, 327). Im Streitfall besteht kein Grund zu der Annahme, daß die Interessen der Eheleute einander zuwiderlaufen. Das Ziel, das die Eheleute im einzelnen verfolgen, kann es überdies auch nicht rechtfertigen, von einer einheitlichen Feststellung der Einkünfte abzusehen und die Entscheidung über gemeinschaftliche Einkünfte statt dessen in einem Verfahren zu treffen, das gegenüber der einheitlichen Feststellung andere Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden und Gerichte begründen kann.

Über die Zurechnung der Einkünfte aus dem Gesamtgut ist bisher nicht einheitlich - positiv oder negativ - entschieden worden. Daß die strittigen Einkünfte gleichwohl bei der Einkommensteuer-Veranlagung des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau angesetzt worden sind, begründet ernstliche Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des berichtigenden Einkommensteuer-Bescheids im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die Vollziehung des berichtigten Einkommensteuer-Bescheids vom 2. Juni 1970 ist daher in Höhe der vom FA beanspruchten Nachzahlung (für 1965 = 790 DM und für 1967 = 108 DM) auszusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69247

BStBl II 1971, 730

BFHE 1972, 24

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