Leitsatz (amtlich)

Die Absicht, unter Ausnutzung der Steuervergünstigung des § 7b EStG im sogenannten Baupatenverfahren Steuern zu sparen, ist eine Gewinnabsicht im Sinne des § 1 GewStDV.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3 Nr. 2; GewStDV §§ 1, 8-9

 

Tatbestand

Der I. Senat des BFH hat durch Beschluß I R 9/66 vom 23. September 1970 (BFH 100, 106, BStBl II 1970, 810) dem Großen Senat gemäß § 11 Abs. 3 FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

"Macht die Absicht, im Wege der Ausnutzung einer Steuervergünstigung Steuern zu sparen, eine allein die Selbstkosten deckende Betätigung zu einer gewerblichen Tätigkeit (§ 7b EStG - sog. Baupatenverfahren -)?"

1. Der Erblasser der Revisionsbeklagten war Geschäftsführer einer gemeinnützigen Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft und außerdem Angestellter von vier weiteren Wohnungsbauunternehmen. Er hat im Jahre 1956 mehrere unbebaute Grundstücke erworben, um auf ihnen Einfamilienhäuser im sozialen Wohnungsbau zu errichten, die nach Inanspruchnahme der erhöhten Abschreibungen nach § 7b EStG für die beiden ersten Jahre nach Fertigstellung an Kaufanwärter zum Selbstkostenpreis veräußert werden sollten. Zur Durchführung dieser Absicht schloß er im Jahre 1956 mit einer Bauträger-GmbH einen Treuhandvertrag. Aufgrund dieses Vertrages wurde die Bauträger-GmbH als Treuhänderin Eigentümerin der Grundstücke und trat nach außen als Bauherrin und Verfügungsberechtigte auf. Sie errichtete auf den Grundstücken im Jahre 1957 15 Kaufeigenheime, die sie den Kaufinteressenten zunächst gegen einen Mietzins in Höhe der Kostenmiete vermietete. In den Jahren 1959 bis 1962 verkaufte die GmbH die 15 Kaufeigenheime für insgesamt 561 580 DM. Die Gesamtkosten des Bauvorhabens hatten 563 134 DM betragen.

Der Erblasser der Revisionsbeklagten gab in seiner Einkommensteuererklärung für 1957 negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an, die das FA zunächst anerkannte. Es berichtigte aber die Veranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO, nachdem es von den tatsächlichen Zusammenhängen durch die Einkommensteuererklärung 1958 Kenntnis erlangte. Das FA behandelte nunmehr die Betätigung des Erblassers der Revisionsbeklagten als gewerbliche Tätigkeit und zog ihn zur Gewerbekapitalsteuer heran. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG hat auf die Berufung die Einspruchsentscheidung und die Gewerbesteuermeßbescheide mit dem in den EFG 1966, 184 veröffentlichten Urteil aufgehoben, da der Erblasser der Revisionsbeklagten keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 1 GewStDV entfaltet habe; denn er habe weder nachhaltig noch mit der Absicht der Gewinnerzielung im Sinn dieser Vorschrift gehandelt.

Gegen das Urteil des FG hat das FA Revision eingelegt, die bei dem I. Senat unter dem Az. I R 9/66 anhängig ist. Das FA rügt unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 1 GewStG durch das FG. Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor, der Erblasser der Revisionsbeklagten habe eine Vielzahl einzelner in innerem Zusammenhang stehende Handlungen zur Errichtung der 15 Kaufeigenheime vorgenommen. Er sei der eigentliche Bauherr gewesen und habe das Risiko des Bauvorhabens getragen. Sein vorgefaßter Entschluß, durch Ausnutzung der erhöhten Absetzungen gemäß § 7b EStG Einkommensteuer zu sparen, und die genaue Planung des gesamten Projekts weise auf eine unternehmerische Betätigung hin. Die Gewinnabsicht ergebe sich aus dieser Absicht des Steuerpflichtigen. Da die Eigenheime nach Ausnutzung der erhöhten Abschreibungen veräußert worden seien, sei der dadurch erlangte wirtschaftliche Vorteil endgültig und habe nicht nur eine zeitliche Verschiebung der durch die Absetzungen ermöglichten Steuervorteile dargestellt.

2. Der I. Senat beabsichtigt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Er sieht sich aber durch die Urteile des VI. Senats VI 199/65 vom 7. April 1967 (BFH 88, 450, BStBl III 1967, 467) und des IV. Senats IV R 214/66 vom 13. Juli 1967 (BFH 89, 421, BStBl III 1967, 690) hieran gehindert. An seiner eigenen Entscheidung I R 187/66 vom 18. Juni 1969 (BFH 96, 99, BStBl II 1969, 578), die diesen beiden Urteilen des VI. und des IV. Senats in der Beurteilung der gleichen Rechtsfrage entsprach, hält der I. Senat insoweit nicht mehr fest.

Der I. Senat will dahingestellt sein lassen, ob die zur Annahme eines Gewerbebetriebs erforderliche Selbständigkeit des Steuerpflichtigen, die Nachhaltigkeit seiner Betätigung und seine Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr im Sinne des § 1 GewStDV im Streitfall gegeben sind. Nach seiner Auffassung fehlt es aber an der für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit erforderlichen Absicht der Gewinnerzielung; denn diese Absicht fehle, wenn ein Steuerpflichtiger - wie im Streitfall - mit den durch die Tätigkeit zu erzielenden Einnahmen lediglich seine Selbstkosten habe decken wollen (Urteil I 226/62 U vom 27. Mai 1964, BFH 80, 29, BStBl III 1964, 485). Die Absicht, durch Ausnutzung der Steuervergünstigung des § 7b EStG Einkommensteuer zu sparen, sei ein legales Anliegen jedes Steuerpflichtigen und könne nicht als Gewinnerzielungsabsicht im Sinne von § 15 EStG und § 1 GewStDV gewertet werden. Der steuerrechtliche Gewinnbegriff werde in § 4 Abs. 1 EStG definiert als der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Ende des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Wer keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit habe, sei nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung am allgemeinen Wirtschaftsleben beteiligt. Ein "natürliches Gewinnstreben", das die Grundlage jeder Betätigung sei, mache die Tätigkeit eines Steuerpflichtigen selbst dann noch nicht zu einer gewerblichen Betätigung, wenn sie in spekulativer Absicht geschehe. Das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht im Sinne von § 1 GewStDV könne nicht anders als durch die Absicht verwirklicht werden, vermittels einer Betätigung Gewinn im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG zu erzielen.

Gewinn sei insbesondere nicht jede Mehrung des Vermögens. So sei die Ersparung von Ausgaben (wie z. B. von Einkommensteuer) keine Erzielung von Einnahmen, wenn sie auch eine Minderung des Vermögens des Steuerpflichtigen verhindere. Die Ersparung von Ausgaben könne unter dem Aspekt des Gewinnbegriffs sinngemäß nur auf die Ersparung solcher Ausgaben erstreckt werden, die das den Gewinnbegriff bestimmende Vermögen, also das Betriebsvermögen, berührten. Die Einkommensteuer berühre aber das Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen nicht, da sie nicht zu Lasten des Betriebsvermögens gezahlt werde. Ihre Ersparung führe mithin weder zu einer Mehrung des Betriebsvermögens, noch wirke sie seiner Minderung entgegen, noch beeinflusse sie die Höhe des Gewinns des jeweiligen Wirtschaftsjahres.

Betrachte man unter diesen Gesichtspunkten die Vorschrift des § 7b EStG, so lasse sich keine Verbindung dieser steuerlichen Vergünstigung mit dem Gewinnbegriff erkennen.

Der VI. Senat sei demgegenüber im Urteil VI 199/65 (a. a. O.) von einem anderen Gewinnbegriff ausgegangen. Er habe die Absicht der Gewinnerzielung nicht auf die gezielt entfaltete Tätigkeit des Steuerpflichtigen als solche bezogen, sondern auf das allgemeine mit dieser wie mit jeder anderen Betätigung verfolgte Streben nach Gewinn. Daß das BVerfG diese Rechtsauffassung in seinem Beschluß 1 BvR 162/69 vom 16. Mai 1969 (HFR 1969, 347) nicht beanstandet habe, sei darauf zurückzuführen, daß es sich dabei nicht um eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Frage, sondern um eine solche des einfachen Rechts gehandelt habe.

Falls die vom VI. und auch vom IV. Senat in den angeführten Urteilen vertretene Rechtsauffassung zutreffe, ergäben sich folgende Konsequenzen:

a) Abweichend von der Entscheidung VI 10/62 S vom 27. November 1962 (BFH 76, 317, BStBl III 1963, 116) müßten die Herstellungskosten eines Gebäudes um die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG gemindert werden, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück mit Gebäude alsbald nach dem Erwerb des Grundstücks und der Bebauung innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG veräußere. Der Spekulationsgewinn wäre um die in Gewinnerzielungsabsicht ersparte Einkommensteuer zu erhöhen.

b) Im Gegensatz zur Entscheidung IV 136/61 S vom 12. März 1964 (BFH 79, 366, BStBl III 1964, 364) müßte die Errichtung von Häusern zwecks späterer Vermietung im Hinblick auf die Inanspruchnahme des § 7b EStG als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden.

c) Anders als in der Entscheidung IV 139/63 vom 11. Juli 1968 (BFH 93, 281, BStBl II 1968, 775) müßten Wertpapiergeschäfte eines Börsenmaklers im Hinblick auf sein natürliches Gewinnstreben als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden. Dasselbe müßte für jede Vermögensverwaltung gelten, wenn man bereits das "natürliche Gewinnstreben" als ausreichend ansehe für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit im Sinn von § 1 GewStDV.

3. Der VI. Senat hat dem I. Senat auf Anfrage erklärt, daß er an der von ihm im Urteil VI 199/65 vertretenen Rechtsauffassung festhalte. Baupaten betätigten sich in der Art eines Kaufmanns. Das äußere Erscheinungsbild ihres Tätigwerdens sei das eines Gewerbetreibenden. Der Baupate trage auch ein für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs wesentliches Risiko; denn er müsse damit rechnen, bei der Veräußerung der Wohneinheiten seine Selbstkosten nicht zu erzielen. Die Auffassung, daß bei einem Baupaten, der Einkommensteuer spare, darin kein Gewinn liege, weil ersparte Einkommensteuer weder zu den Betriebseinnahmen noch entrichtete Einkommensteuer zu den Betriebsausgaben gehöre, sei im Prinzip zwar richtig. Bei dieser Betrachtung würden aber die dem Baupatenverfahren zugrunde liegenden grundsätzlichen Überlegungen nicht berücksichtigt. Die Steuervergünstigung nach § 7b EStG stehe außerhalb, ja sogar im Gegensatz zu betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Diese Überlegungen müßten daher bei der Prüfung des Merkmals der Gewinnerzielungsabsicht ausscheiden.

Der IV. Senat hat ebenfalls der vom I. Senat vertretenen Rechtsauffassung nicht zugestimmt. In seiner Stellungnahme hat er darauf hingewiesen, daß die Gewinnerzielungsabsicht nicht dahin zu verstehen sei, daß ein Gewinn im Sinne der Gewinnermittlungsvorschriften des §§ 4 ff. EStG erzielt werde. Der nach diesen Vorschriften zu bestimmende Gewinnbegriff sei erst maßgebend, wenn feststehe, daß ein Betrieb im Sinne der Einkunftsart Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständige Tätigkeit vorliege. Der Gewinnbegriff in § 1 GewStDV müsse in einem weiteren, gewissermaßen natürlichen Sinn verstanden werden. Es sei darunter jede Vermögensmehrung zu verstehen. Dazu gehöre jedes in typisch gewerblichen Formen bestimmte Streben nach einer Minderung der Einkommensteuer.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

1. Der I. Senat sieht sich durch die Urteile VI 199/65 und IV R 214/66 gehindert, die Gewerbesteuerpflicht in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall zu verneinen, da er sich damit in Widerspruch setzen würde zu der in diesen beiden Urteilen vertretenen Rechtsauffassung. In allen diesen Fällen haben die Steuerpflichtigen durch die Inanspruchnahme der Vergünstigung des § 7b EStG Verluste bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung errechnet, die bei ihrer Einkommensbesteuerung mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen wurden. Gemeinsam ist allen Fällen auch, daß die Steuerpflichtigen Wohnungsbauunternehmen für den Bau der Kaufeigenheime bzw. Eigentumswohnungen eingeschaltet haben und daß sie, nachdem sie die Steuervergünstigung nach § 7b EStG für die ersten Jahre in Anspruch genommen hatten, die Häuser im wesentlichen zu den Herstellungskosten verkauft haben.

Der nunmehr dem I. Senat zur Entscheidung vorliegende Fall unterscheidet sich von dem Sachverhalt in den beiden angeführten Urteilen des VI. und des IV. Senats nur insofern, als das Grundstück, auf dem die Eigenheime errichtet wurden, von dem Steuerpflichtigen einer Bauträger-GmbH, die die Häuser errichtete, als Treuhänderin zu Eigentum übertragen wurde, während in den vom VI. und IV. Senat entschiedenen Fällen die Steuerpflichtigen Eigentümer der Grundstücke im Rechtssinn geblieben waren. Der I. Senat sieht den Steuerpflichtigen aber als wirtschaftlichen Eigentümer der Grundstücke an. Er ist der Auffassung, daß dieser Unterschied gegenüber den beiden angeführten Urteilen des VI. und des IV. Senats unwesentlich ist und keine von diesen abweichende Entscheidung ohne Anrufung des Großen Senats zuläßt, nachdem sowohl der VI. als auch der IV. Senat auf Anfrage mitgeteilt haben, daß sie an ihrer früheren Rechtsauffassung hinsichtlich des Vorliegens der Gewinnerzielungsabsicht bei den sogenannten Baupaten festhalten.

Da ein wirtschaftlicher Eigentümer ebenso wie ein bürgerlich-rechtlicher Eigentümer die erhöhte AfA nach § 7b EStG beanspruchen kann, wenn er den Wertverzehr des Hauses wirtschaftlich trägt (BFH-Urteil VI 52/63 vom 31. Januar 1964, HFR 1964, 204), ist der I. Senat zutreffend der Auffassung, daß die von ihm beabsichtigte Entscheidung eine Abweichung von den Urteilen VI 199/65 und IV R 214/66 (a. a. O.) bedeuten würde. Da diese Frage für die Beurteilung der Gewerbesteuerpflicht auch entscheidungserheblich ist, bestehen gegen die Zulässigkeit der Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 3 FGO durch den I. Senat keine Bedenken.

2. Der I. Senat hat seine Anrufung darauf beschränkt, ob ein "Baupate" bei dem sogenannten Baupatenverfahren durch die Absicht, durch die Ausnutzung der Steuervergünstigung des § 7b EStG Steuern zu sparen, das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht im Sinne von § 1 GewStDV verwirklicht. Der Große Senat hat daher auch nur hierüber zu entscheiden. Er hat dagegen nicht Stellung zu nehmen zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Baupaten nachhaltig tätig sind.

Der I. Senat geht in dem Anrufungsbeschluß davon aus, daß das Streben nach Gewinn auf die Erzielung einer Vermögensmehrung bei Betriebsvermögen im Sinne von § 4 Abs. 1 EStG gerichtet sein müsse. Demgegenüber hat der IV. Senat in seiner Stellungnahme zur Anfrage des I. Senats darauf hingewiesen, daß der nach § 4 EStG zu bestimmende Gewinnbegriff erst dann maßgebend sein kann, wenn feststeht, daß ein Betrieb im Sinne der Einkunftsarten Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständige Arbeit vorliegt. Der Große Senat teilt diese Auffassung; denn es geht nicht an, als Merkmal für die Feststellung des Gewerbebetriebs einen Begriff zu verwerten, der erst dann für die Besteuerung von Bedeutung sein kann, wenn das Vorliegen eines Gewerbebetriebs festgestellt wurde. Die Auffassung, daß das Streben nach Gewinn im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG Voraussetzung für einen Gewerbebetrieb sei, würde unter anderem dazu führen, daß Unternehmen, die ihrer Struktur nach erst durch besondere Steuervergünstigungen oder durch offene Subventionen rentabel werden können, steuerlich nicht mehr als Gewerbebetriebe behandelt werden könnten (so Urteil des FG Düsseldorf IX 46/64 F vom 25. Februar 1965, EFG 1965, 426).

Daß der Gesetzgeber nicht nur Vermögensmehrungen im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG beim Betriebsvermögen als gewerblichen Gewinn erfaßt haben will, ergibt sich auch aus § 17 EStG, der unter den dort aufgeführten Voraussetzungen die Veräußerung von Kapitalbeteiligungen als gewerblichen Gewinn versteuern läßt. In der Rechtsprechung des BFH wurde ebenfalls bisher bereits der Gewinnbegriff nicht eng aufgefaßt. So wurde z. B. die für die Annahme eines gewerblichen Gewinns erforderliche Gewinnerzielungsabsicht bejaht bei einem Steuerpflichtigen, der ein erworbenes Sperrmarkguthaben, das er zu einem unter dem Nennwert liegenden Betrag erworben hatte, zu dem höheren Nennwert eingezogen hatte (Urteil VI 133/60 U vom 13. Dezember 1961, BFH 74, 331, BStBl III 1962, 127).

Die Absicht der Gewinnerzielung muß vielmehr nach anderen Merkmalen als nach denen des § 4 Abs. 1 EStG bestimmt werden. Es wäre daran zu denken, den Begriff "Gewinnerzielungsabsicht" nach den Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre auszulegen. Darunter wäre dann z. B. das Bestreben zu verstehen, einen in der Währungseinheit Geld ausgedrückten Überschuß der Einnahmen (Erträge) über die Ausgaben (Aufwendungen) einer Rechnungsperiode zu erzielen, also etwas, was auch als "Ertragsrest" bezeichnet werden kann (Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 3. Aufl., Bd. II S. 2328; Haeck/Koehler, DB 1967, 177). Die Übernahme dieser oder ähnlicher betriebswirtschaftlicher Definitionen ist jedoch angesichts der im Ertragsteuerrecht selbständig entwickelten Begriffe nicht angängig, weil dadurch auf anderen Voraussetzungen aufbauende Begriffe in das auf eigenen Grundlagen beruhende Steuerrecht eingeführt würden (so Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 4 Anm. 8).

Ausgangspunkt für die Feststellung, was steuerrechtlich als "Absicht der Gewinnerzielung" anzusehen ist, muß sein, daß durch die Betätigung ein wirtschaftlicher Vorteil angestrebt wird. Das ist freilich keine Besonderheit der gewerblichen Tätigkeit, sondern ein Merkmal, das den Einkünften aller Einkunftsarten im Sinne des § 2 EStG zugrunde liegt. Die Absicht, gewerbliche Gewinne zu erzielen, muß darüber hinaus durch eine Tätigkeit verfolgt werden, die nach allgemeiner Auffassung als unternehmerisch gewertet wird. Es muß sich also um eine Betätigung handeln, die außer der Absicht der Gewinnerzielung auch die anderen drei Merkmale für die Annahme eines gewerblichen Unternehmens erfüllt (§ 1 Abs. 1 GewStDV). Ein in diesem Sinn durch eine gewerbliche Tätigkeit erzielter Gewinn liegt nicht nur vor, wenn sich dieser Gewinn unmittelbar im Geschäftsbetrieb realisiert, sondern auch, wenn er sich durch mit der Tätigkeit verbundene andere wirtschaftliche Vorteile ergibt, insbesondere also durch Steuervorteile. Daß bei Baupaten der durch die Ausnutzung des § 7b EStG sich ergebende wirtschaftliche Vorteil außerhalb der Betätigung auf dem Gebiet des Wohnungsbaues eintritt, steht daher der Annahme eines gewerblichen Gewinns nicht entgegen. Das hängt im übrigen mit der Ausgestaltung dieser Steuervergünstigung zusammen. Wirtschaftlich ist die Steuervergünstigung des § 7b EStG nichts anderes als ein Zuschuß des Staates an die Bauherren zur Förderung des Wohnungsbaues. Wäre ihnen in Höhe dieser Vergünstigung eine Geldzuwendung gemacht worden, so hätten sich dadurch ihre Bauaufwendungen entsprechend vermindert, und es wäre der von den Baupaten erstrebte wirtschaftliche Vorteil unmittelbar im Rahmen ihrer Betätigung bei der Veräußerung der Wohngebäude zu den tatsächlichen Baukosten zutage getreten. Der wirtschaftliche Effekt, der durch die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung des § 7b EStG und den Verlustausgleich bei der Einkommensteuer herbeigeführt wird, ist der gleiche, der sich bei der Zuwendung eines entsprechenden staatlichen Zuschusses ergeben würde. Da im Steuerrecht im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung gleichartige wirtschaftliche Ergebnisse auch gleichbehandelt werden müssen, kann es keinen Unterschied machen, ob der Gewinn in der eigentlichen wirtschaftlichen Betätigung offen zutage tritt oder erst dann, wenn die gesamte planmäßige Tätigkeit eines Steuerpflichtigen als Einheit gewürdigt wird und der erzielte Vorteil in einer außerhalb der eigentlichen Betätigung liegenden Verminderung der Einkommensteuer liegt. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebietet daher, Baupaten steuerlich nicht anders zu behandeln als Bauunternehmer oder Wohnungsbaugesellschaften, die Wohngebäude in der Absicht der Veräußerung erstellen und den Erwerbern die Inanspruchnahme der erhöhten § 7b-Abschreibungen auch für die beiden ersten Jahre zukommen lassen. Daß die Kaufpreise in beiden Fällen verschieden hoch sein werden, hängt mit der unterschiedlichen Kalkulation zusammen und ändert an der grundsätzlichen Gleichheit beider Fälle nichts.

Der Einwand, daß es jedem Steuerpflichtigen gestattet sei, seine steuerlichen Verhältnisse so zu gestalten, wie es für ihn am günstigsten ist (BFH-Urteile IV 246/50 S vom 22. August 1951, BFH 55, 449, BStBl III 1951, 181; IV 83/50 U vom 17. Oktober 1951, BFH 55, 548, BStBl III 1951, 223), kann nicht dazu führen, daß der planmäßig durch Ausnutzung des § 7b EStG erlangte Steuervorteil nicht als Gewinn im Sinne von § 1 GewStDV anzusehen ist. Baupaten werden vom BFH in ständiger Rechtsprechung als Bauherren im Sinne von § 7b EStG anerkannt und es wird ihnen - wie es auch in dem vom anrufenden I. Senat zu entscheidenden Fall geschehen ist - die Steuervergünstigung des § 7b EStG zugestanden (z. B. Urteil VI 199/65, a. a. O.). Das Recht zur günstigsten Gestaltung der Verhältnisse bedeutet aber nicht, daß Auswirkungen, die sich aus einer gewählten Gestaltung ergeben, steuerlich unbeachtet bleiben müssen.

Der Große Senat hat lediglich über die im Anrufungsbeschluß des I. Senats gestellte Frage zu entscheiden. Er kann daher nicht Stellung nehmen zu den am Ende des Anrufungsbeschlusses angeführten Konsequenzen, die sich nach Auffassung des I. Senats aus einer Billigung der vom VI. und IV. Senat in den Urteilen VI 199/65 und IV R 214/66 (a. a. O.) vertretenen Rechtsauffassung ergeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413104

BStBl II 1972, 700

BFHE 106, 84

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