Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

1. Die Divergenzrüge erfüllt nicht die formellen Voraussetzungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, wenn der Beschwerdeführer nur fehlende Übereinstimmung der angefochtenen Vorentscheidung mit einer Entscheidung des BFH geltend macht, ohne abweichende abstrakte Rechtssätze aus der angefochtenen Entscheidung darzulegen.

2. Wird ein Verfahrensmangel als Zulassungsgrund geltend gemacht, müssen nicht nur die den Verfahrensmangel ergebenden Tatsachen genau angegeben werden, sondern der Beschwerdeführer muß außerdem darlegen, daß das angefochtene Urteil auf dem Mangel beruhen kann.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte im September 1987 die Stundung sowie die Verrechnung der gegen sie festgesetzten Umsatzsteuernachzahlung für 1986 mit einem von ihr in der Umsatzsteuervoranmeldung für das IV. Quartal 1984 geltend gemachten Erstattungsanspruch. Zuvor hatte sie bereits im Januar 1986 den Erstattungsanspruch zur Sicherheit an eine Bank abgetreten und dieses dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) angezeigt.

Das FA hatte der Voranmeldung für das IV. Quartal 1984 nicht zugestimmt und verweigerte auch in der Jahresveranlagung 1984 den von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug, auf dem der zur Verrechnung gestellte Erstattungsanspruch beruhen sollte. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren hiergegen erhobene Klage führte im Juni 1991 zur Festsetzung des begehrten Erstattungsbetrages.

Zuvor hatte das FA den Antrag auf Verrechnungsstundung am 13. Oktober 1987 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde war erfolglos. Das FA hatte daraufhin im Wege der Zwangsvollstreckung der Umsatzsteuer 1986 eine Sicherungshypothek auf einem Grundstück der Klägerin eintragen lassen. Aus dem Verkaufserlös dieses Grundstücks hatte die Klägerin im Oktober 1989 die Umsatzsteuerschuld 1986 einschließlich der Säumniszuschläge getilgt.

Den -- dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden -- Antrag der Klägerin vom 18. Oktober 1989 auf Erlaß der Säumniszuschläge lehnte das FA ab. Beschwerde und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Finanzbehörden (FA, Oberfinanzdirektion) hätten den Erlaßantrag ermessensfehlerfrei abgelehnt. Ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen habe verweigert werden dürfen, da die Klägerin weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen sei und weil auch keine Erlaß- oder Stundungssituation in Beziehung auf die Hauptschuld bestanden habe. Der Prüfung einer Stundungssituation bedürfe es im Hinblick auf die bestandskräftige Ablehnung eines Stundungsantrages nicht. Im übrigen habe wegen der Abtretung des Umsatzsteuer-Erstattungsanspruchs 1984 an die Bank eine -- auf möglicher Aufrechnungslage beruhende -- Stundungssituation gar nicht vorgelegen. Einen Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen hätten die Finanzbehörden ebenfalls ablehnen können, da die Klägerin nicht erlaßbedürftig gewesen sei.

Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO zuzulassen.

1. Soweit die Klägerin die Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung stützt, genügt die Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, wonach in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Sache dargelegt werden muß.

Der Vortrag der Klägerin, einer grundsätzlichen Klärung bedürfe die Auffassung des FG zur sicherheitshalber erfolgten Abtretung und die daraus gezogenen Konsequenzen, läßt nicht erkennen, welche konkrete Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärbar sein soll.

2. Soweit die Klägerin Divergenz rügt, erfüllt ihr Vorbringen ebenfalls nicht die formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Bei einer auf den Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde ist die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus einer Entscheidung des BFH und der angefochtenen Vorentscheidung erforderlich (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. April 1991 V B 62/89, BFH/NV 1992, 746, und vom 28. März 1991 V B 118/89, BFH/NV 1992, 744).

Die Klägerin hat insoweit zwar eine Reihe von BFH-Entscheidungen angeführt und hat -- jedenfalls teilweise -- Bemerkungen zur Wiedergabe des Entscheidungsinhalts gemacht. Es kann dahingestellt bleiben, ob hierin ein Vortrag entsprechender abstrakter Rechtssätze zu sehen ist. Denn die Klägerin hat es unterlassen, diesbezügliche abstrakte Rechtssätze aus der angefochtenen Vorentscheidung darzulegen, die mit Rechtssätzen aus den angeführten Urteilen des BFH unvereinbar seien. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, fehlende Übereinstimmung geltend zu machen.

3. Eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers ist ebenfalls nicht aufgrund der diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift auszusprechen.

a) Das Vorbringen der Klägerin, rechtswidriges Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Erstattung von Umsatzsteuer IV/84 und Umsatzsteuer 1984 sowie der Sicherungscharakter der Abtretung seien in der Sachverhaltsschilderung des FG-Urteils nicht enthalten, läßt sich als Rüge des Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) auffassen, was grundsätzlich einen Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellen kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 26). Hierauf läßt sich jedoch eine Revisionszulassung nicht stützen, da das FG- Urteil beide Tatsachenkomplexe wiedergibt.

Das ebenfalls gegenüber den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens ergangene Urteil des FG vom 4. Juni 1991 enthält eine ausführliche Darstellung der Tatumstände, die zum Entstehen des Vorsteuerabzugs der Klägerin geführt haben, sowie der Verweigerung der Anspruchserfüllung durch das FA im Rahmen des Umsatzsteuervoranmeldungsverfahrens und der Umsatzsteuerjahresveranlagung. Da dieses Urteil den Beteiligten im Zeitpunkt des Erlasses der Vorentscheidung bereits bekannt war, konnte das FG in der Vorentscheidung wegen der Darstellung des weiteren Sachverhalts wirksam auf dieses Urteil Bezug nehmen, so daß dessen Inhalt Bestandteil der Vorentscheidung wurde.

Den Ausführungen des angefochtenen Urteils ist eindeutig zu entnehmen, daß das FG vom Sicherungscharakter der Abtretung ausgegangen ist.

b) Auch soweit die Klägerin vorbringt, die Vorentscheidung habe fälschlicherweise angenommen, daß der Erstattungsanspruch aus der Umsatzsteuerjahresveranlagung 1984 abgetreten worden sei, greift die darin enthaltene Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten nicht durch. Wird ein Verfahrensmangel als Zulassungsgrund geltend gemacht, so müssen nicht nur die Tatsachen genau angegeben werden, die den Verfahrensmangel ergeben. Vielmehr muß außerdem dargelegt werden, daß das angefochtene Urteil auf dem Mangel beruhen kann. Hierbei ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Juli 1992 V B 53/92, BFH/NV 1993, 333 m. w. N.).

Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht die Vorentscheidung nicht auf der Annahme des FG, daß die Klägerin den Erstattungsanspruch aus der Umsatzsteuerjahresveranlagung 1984 abgetreten hat. Aufgrund dieser Annahme hat das FG zwar gefolgert, daß eine Stundungssituation nicht bestanden habe. Die Folgerung hat dem FG -- wie sich aus den Worten: "Im übrigen hat ... eine Stundungssituation ... auch nicht vorgelegen." ergibt -- aber nur als zusätzliche Begründung für seine Auffassung gedient, daß ein Erlaß der Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit nicht geboten war. Auch wenn tatsächlich eine Stundungssituation vorgelegen hätte, wäre die Entscheidung des FG nicht anders ausgefallen, da das FG nach seiner Rechtsansicht die Prüfung einer Stundungssituation im Hinblick auf die bestandskräftige Ablehnung eines Stundungsantrages nicht für erforderlich hielt.

c) Sollte die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das FG habe sich in seiner Entscheidung nicht mit dem Verhalten des Beklagten als Grund für eine sachliche Unbilligkeit auseinandergesetzt, haben rügen wollen, das Urteil sei grob lückenhaft und daher nicht mit Gründen versehen, beruft sie sich auf einen absoluten Revisionsgrund (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), auf den eine Nichtzulassungsbeschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht zulässigerweise gestützt werden kann (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679 m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420262

BFH/NV 1995, 525

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