Entscheidungsstichwort (Thema)

Befangenheit

 

Leitsatz (NV)

Allein mit dem Hinweis auf die Mitwirkung in einem anderen Rechtsstreit, der zuungunsten des Ablehnenden entschieden worden ist, wird die Besorgnis der Befangenheit eines Richters nicht schlüssig dargelegt.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 42-47

 

Tatbestand

Die Kläger, Revisionskläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben gegen das Urteil des Finanzgerichts persönlich Revision und Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Im Verlauf dieser Verfahren haben die Kläger im Schreiben vom 4. Juli 1996 vorgebracht, daß der Vorsitzende Richter am Bundesfinanzhof A nach § 41 Nr. 6 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kraft Gesetzes an der Ausübung des Richteramtes in diesen Verfahren ausgeschlossen sei, weil er in anderen Nebenverfahren betreffend die Klage ... (Beschwerden und Prozeßkostenhilfe-Verfahren) mitentschieden habe. In einem weiteren Schreiben vom 23. Juli 1996 bringen die Kläger zum Ausdruck, daß über diesen Ausschluß gemäß § 46 Abs. 1 und 2 ZPO ein anderer Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zu entscheiden habe.

Der Senat wertet dieses Vorbringen als Ablehnungsgesuch nach § 42 Abs. 1 ZPO.

 

Entscheidungsgründe

Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555). Dieser Ablehnungsgrund ist nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Es müssen hinreichend substantiiert und nachvollziehbar Tatsachen vorgetragen werden, die bei objektiver Betrachtung die Besorgnis rechtfertigen könnten, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. August 1992 III S 21/92, BFH/NV 1993, 183; vom 22. Januar 1993 III S 44, 45/92, nicht veröffentlicht; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 51 Anm. 23, m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt das vorliegende Ablehnungsgesuch nicht.

Die Kläger rügen lediglich, daß der Vorsitzende Richter am Bundesfinanzhof A in anderen Nebenverfahren betreffend das finanzgerichtliche Verfahren ... mitgewirkt hat. Allein der Hinweis auf die Mitwirkung in einem anderen Rechtsstreit, der zuungunsten der Ablehnenden entschieden wurde, bedeutet aber keine schlüssige Darlegung der Besorgnis der Befangenheit (BFH-Beschluß vom 30. August 1995 XI B 114/95, BFH/NV 1996, 225).

Die behaupteten Voraussetzungen für einen Ausschluß kraft Gesetzes gemäß § 41 Nr. 6 ZPO liegen offensichtlich nicht vor. Ausgeschlossen ist ein Richter nach dieser Vorschrift nur dann, wenn er in einem früheren Rechtszug -- d. h. an einer Entscheidung in dieser Sache in der unteren Instanz -- mitgewirkt hat. Das ist hier nicht der Fall und wird von den Klägern auch nicht vorgebracht.

Da die für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen feststehen (die Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Bundesfinanzhof A an mehreren Nebenverfahren in der Streitsache), bedurfte es keiner dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters (BFH-Beschluß vom 14. Juni 1994 VII B 34/94, BFH/NV 1995, 131).

Nachdem das Ablehnungsgesuch nicht als mißbräuchlich zu werten ist, entscheidet der Senat darüber gemäß §§ 45 Abs. 1, 47 ZPO in der Besetzung ohne den abgelehnten Richter (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., § 51 Anm. 55).

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren im Rahmen des Revisionsverfahrens bzw. des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision handelt (Gräber/Koch, a. a. O., § 51 Anm. 57).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422317

BFH/NV 1997, 791

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