Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsersuchen der Zollfahndung an eine Bank wegen Goldkäufen

 

Leitsatz (NV)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein Zollfahndungsamt eine Bank um die Vorlage von Unterlagen über ihre Edelmetallankäufe in einem bestimmten Zeitraum ersuchen kann.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 93, 97; FGO § 69

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (Zollfahndungsamt - ZFA -) richtete an die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), eine Sparkasse, das auf die §§ 93, 97 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Ersuchen, einem Beamten die Unterlagen für Edelmetallankäufe mit Mehrwertsteuer für den Zeitraum . . . zwecks Prüfung vorzulegen. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin wies die Oberfinanzdirektion (OFD) im wesentlichen mit folgenden Gründen zurück: Im Bereich des Edelmetallschmuggels sei hinreichend bekannt, daß insbesondere Banken, Sparkassen und Scheideanstalten häufig Abnehmer geschmuggelten Edelmetalles seien, hinsichtlich dessen die Einfuhrumsatzsteuer bei der Einfuhr hinterzogen worden sei. So seien in der Bundesrepublik Deutschland von Anfang 1986 bis Mitte 1987 Edelmetallschmuggelfälle mit einem Tatwert von 424 Mio DM aufgedeckt worden. Es seien daher Prüfungen bei Banken, Sparkassen und sonstigen potentiellen Abnehmern erforderlich, weil der einzelne Steuerpflichtige unbekannt ist und eine Feststellung des Besteuerungsfalls auf andere Art und Weise nicht möglich sei. Das Bankgeheimnis sei nicht betroffen, da die Antragstellerin nicht als Kreditinstitut, sondern als Edelmetallhändlerin tätig geworden sei. Die Antragstellerin erhob dagegen Klage, insbesondere mit der Begründung, es handele sich um eine unzulässige Ermittlung ins Blaue hinein.

Nachdem das ZFA den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung des Auskunftsersuchens abgelehnt hatte, stellte die Antragstellerin einen gleichen Antrag beim Finanzgericht (FG). Diesem gab das FG mit dem angefochtenen Beschluß statt und ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Das FG führte im wesentlichen aus:

Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Auskunfts- und Vorlageersuchens. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe zwar die Rechtmäßigkeit eines Sammelauskunftsersuchens in einem Fall bejaht (vgl. Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484); der vom BFH dort entschiedene Fall könne aber mit dem Vorliegenden nicht gleichgesetzt werden.

Es sei in keinem einzigen Fall festgestellt worden, daß die Antragstellerin Edelmetalle eingekauft habe. In den Vorfällen, die in den Ermittlungsakten des ZFA aufgeführt seien, sei sie in einem Fall lediglich im Rahmen der Zahlungsabwicklung für das von einem anderen Kreditinstitut angekaufte Gold tätig gewesen.

Aus dem Sitz der Antragstellerin an einem Ort, von dem aus Schiffsverkehr mit . . . stattfinde, ergebe sich zwar ein Verdacht, daß über diesen Weg Gold eingeschmuggelt werde, nicht jedoch ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, daß die Antragstellerin eingeschmuggeltes Gold angekauft habe. Daß allein die allgemeine Lebenserfahrung, daß Gold eingeschmuggelt werde, bei hinreichender Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Ermittlungsmaßnahmen gegenüber der Antragstellerin gestatte, begegne ernstlichen Zweifeln.

Es sei auch ernstlich zweifelhaft, ob nicht die gesetzliche Wertung des § 30 a Abs. 2 bis 5 AO 1977 bei der Ermessensbetätigung des ZFA auch dort berücksichtigt werden müsse, wo sich ein Kreditinstitut als Edelmetallhändler betätige. Dem entspreche, daß die Vorschrift die Finanzbehörden umfassend zur Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses zwischen den Kreditinstituten und ihren Kunden verpflichte.

Seine Beschwerde begründet das ZFA im wesentlichen wie folgt:

Das Finanzamt (FA) habe nicht genügend die Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484) und des FG Hamburg (Urteile vom 4. Dezember 1986 V 66/86, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 275, und vom 20. Februar 1986 V 80/85, EFG 1987, 9) berücksichtigt. Die Feststellung des FG, es habe sich in keinem einzigen Fall ergeben, daß die Antragstellerin Edelmetalle angekauft habe, werde bestritten. Aus der Beschwerdeschrift der Antragstellerin ergebe sich das Gegenteil. § 30 a AO 1977 stehe dem Auskunftsersuchen nicht entgegen. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut der Vorschrift. § 30 a AO 1977 gelte für Ermittlungen bei ,,Kreditinstituten". Kreditinstitute seien nach der Begriffsbestimmung in § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) Unternehmen, die Bankgeschäfte betrieben. § 30 a AO 1977 berechtige mithin die Banken nicht, Auskünfte über Edelmetallgeschäfte zu verweigern.

Das ZFA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht die Vollziehung des angefochtenen Bescheides ausgesetzt, da ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen (§ 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bestehen ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO, wenn bei der (überschlägigen) Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken; andererseits ist nicht erforderlich, daß die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (vgl. die Rechtsprechungsübersicht bei Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Anm. 88). In diesem Sinn ergeben sich hier ernstliche Zweifel.

Es spricht im vorliegenden Fall manches für die Auffassung des ZFA, daß der vorliegende Fall dem Fall entspricht, den der Senat im Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484 zu beurteilen hatte. Die OFD hat auf die besonderen Erfahrungen der Verwaltung mit dem Edelmetallschmuggel in der dem Ersuchen vorangegangenen Zeit hingewiesen und dabei die Quantität und Qualität dieser Schmuggelfälle dargelegt. Dafür, daß das ZFA von solchen Erfahrungen ausgehen durfte, sprechen auch die vom ZFA vorgelegten Presseveröffentlichungen. Auch erscheint die Auffassung nicht unvertretbar, daß ein Kreditinstitut (Sparkasse) wie die Antragstellerin, soweit es keine Bankgeschäfte im eigentlichen Sinn betreibt, sondern als Edelmetallankäufer tätig wird, nicht im selben Umfang die Rücksichtnahme auf sein Verhältnis zu den Kunden verlangen kann wie ein Kreditinstitut, das Bankgeschäfte tätigt (vgl. § 1 Abs. 2 KWG).

Andererseits hat das ZFA keinen Fall benennen können, in dem die Antragstellerin eingeschmuggeltes Edelmetall gekauft hat. Zwar hat die Antragstellerin ihren Sitz in einem Ort, in dem aus . . . kommende Schiffe anlegen, so daß die Annahme nicht fern liegt, daß bei ihr versucht werde, in . . . steuerfrei gekauftes und danach eingeschmuggeltes Edelmetall wieder zu verkaufen. Ob das ausreicht, um das angefochtene Sammelauskunftsersuchen zu rechtfertigen, ist aber bei der im vorliegenden Verfahren nur anzustellenden überschlägigen Prüfung nicht zweifelsfrei. Immerhin hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484 ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß bei Sammelauskunftsersuchen besonders sorgfältig zu prüfen ist, ob sie mit dem Recht in Einklang stehen.

Obwohl nicht davon ausgegangen werden kann, daß die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen, sind doch genügend Gründe zutage getreten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechts- und Tatfragen bewirken. Damit aber liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen für die Annahme vor, daß ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO gegeben sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416753

BFH/NV 1990, 279

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