Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlender Klärungsbedarf aufgrund bestehender höchstrichterlicher Rechtsprechung/Tätigkeit eines Insolvenzverwalters als vermögensverwaltende Tätigkeit; Verfassungskonformität der Differenzierung zwischen Gewerbebetrieben und Freiberuflern; Kein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes durch Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe

 

Leitsatz (NV)

1. An der für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung notwendigen Klärungsbedürftigkeit einer bestimmten Rechtsfrage fehlt es, wenn diese durch die Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, welche eine erneute Prüfung und Entscheidung der Frage durch den BFH erfordern.

2. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Tätigkeit von Insolvenzverwaltern eine vermögensverwaltende Tätigkeit und keine freiberufliche Tätigkeit dar. Die Betätigung als Insolvenzverwalter hat sich zu einem eigenen Beruf entwickelt.

3. Auch ein überwiegend als Insolvenzverwalter tätiger Rechtsanwalt kann im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG vermögensverwaltend tätig werden.

4. Die selbständige vermögensverwaltende Tätigkeit kann nach Maßgabe der nur noch im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG eingreifenden so genannten Vervielfältigungstheorie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als Gewerbebetrieb zu qualifizieren sein.

5. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestehen für die Differenzierung zwischen Gewerbebetrieben einerseits und Freiberuflern andererseits hinreichende tragfähige Gründe, die einen Verfassungsverstoß ausschließen.

6. Soweit für die Einordnung einer Tätigkeit als selbständige Tätigkeit oder als Gewerbebetrieb auf sämtliche Umstände und die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles abzustellen ist, liegt darin kein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes.

7. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden, insbesondere dann, wenn diese durch eine vom Gesetzgeber akzeptierte langjährige Rechtsprechung zusätzlich konkretisiert worden sind.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; InsO § 56 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 10.05.2007; Aktenzeichen 9 K 369/07)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).

Entgegen der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) vertretenen Ansicht kommt den von ihr unterbreiteten Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie höchstrichterlich geklärt sind.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung muss im Hinblick auf eine bestimmte --abstrakte und im Streitfall entscheidungserhebliche-- Rechtsfrage gegeben sein. Die Rechtsfrage muss ferner klärungsbedürftig sein. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a. dann, wenn die in Rede stehende Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, welche eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erfordern (BFH-Beschluss vom 13. Juni 2007 X B 34/06, BFH/NV 2007, 1703).

Gleichermaßen fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 30. August 2007 XI B 1/07, BFH/NV 2007, 2280, 2281).

Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat (BFH-Beschluss vom 25. Oktober 2007 VIII B 21/07, BFH/NV 2008, 214, m.w.N.).

Maßgebend für das Vorliegen des geltend gemachten Zulassungsgrundes sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde (BFH-Beschluss vom 6. Juli 1995 III B 41/94, BFH/NV 1996, 299, m.w.N.).

1. Die Tätigkeit von Konkursverwaltern, Zwangsverwaltern oder Insolvenzverwaltern ist nach ständiger Rechtsprechung eine vermögensverwaltende Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und keine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Insoweit hat sich die Betätigung als Insolvenzverwalter zu einem eigenen Beruf entwickelt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 3. August 2004  1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2004, 1649).

Angesichts der Entwicklung in den letzten Jahrzehnten kann nach der Entscheidung des BVerfG die Tätigkeit als Insolvenzverwalter auch nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der Berufsausübung von Rechtsanwälten oder von Kaufleuten angesetzt werden. Dieser Beruf ist nicht an eine bestimmte berufliche Vorbildung gebunden (§ 56 Abs. 1 der Insolvenzordnung --InsO--; s. auch Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19. Dezember 2007 IV AR (VZ)6/07, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2008, 717).

2. Ebenso entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des BFH (zuletzt Urteil vom 12. Dezember 2001 XI R 56/00, BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202, m.umf.N.), dass für einen überwiegend als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren --oder dem gleichgestellt als Insolvenzverwalter-- tätigen Rechtsanwalt diese Grundsätze in vergleichbarer Weise gelten, d.h. auch ein Rechtsanwalt kann i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG vermögensverwaltend tätig werden. Die gegen die Entscheidung des XI. Senats des BFH eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Beschluss vom 5. März 2003  1 BvR 437/02, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2003, 394).

Die selbständige vermögensverwaltende Tätigkeit kann nach Maßgabe der nur noch im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG eingreifenden sog. Vervielfältigungstheorie (dazu grundlegend BFH-Urteil vom 11. August 1994 IV R 126/91, BFHE 175, 284, BStBl II 1994, 936) unter Berücksichtigung der Gesamtumstände im Einzelfall zum Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) werden.

Während die Kommentarliteratur im Wesentlichen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zustimmt (vgl. Stuhrmann in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, 8. Aufl., § 18 Rz B 116, 229; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 264; Güroff in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 18 Rz 236 "Insolvenzverwalter", 329 und 335; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 18 Rz 155; Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 18 Rz 97, m.w.N.; ferner bereits Kanzler in Finanz-Rundschau --FR-- 1994, 114; im Ergebnis ebenfalls Kempermann in FR 2002, 391; ferner ausführlich und dem Urteil des XI. Senats des BFH zustimmend Finanzgericht --FG-- Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Juni 2007  4 K 2063/05, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 1523, dazu Schmid, juris PR-InsR 6/2008 Anm. 6), haben sich kritisch Korn (§ 18 EStG Rz 98) sowie zahlreiche Autoren in Besprechungen zur Entscheidung des XI. Senats des BFH geäußert.

Indes hat sich der XI. Senat des BFH mit sämtlichen von der Klägerin erhobenen Einwendungen bereits auseinandergesetzt, sie allerdings abweichend von deren Rechtsansicht beantwortet.

Überdies hat zwischenzeitlich das BVerfG mit Beschluss vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04 (Der Betrieb --DB-- 2008, 1243) entgegen der Vorlage des Niedersächsischen FG vom 21. April 2004  4 K 317/91 (EFG 2004, 1065) sowohl die Norm in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG und damit die Gewerbesteuer insgesamt als auch in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als --am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gemessen-- vereinbar mit dem GG beurteilt.

Ausführlich hat es sich dabei mit der Differenzierung zwischen Gewerbebetrieben einerseits und Freiberuflern andererseits auseinandergesetzt und dafür hinreichende tragfähige Gründe bejaht.

Der Typus des freien Berufes habe sich den übrigen Gewerbetreibenden nicht soweit angenähert, dass eine Differenzierung zu einem Gleichheitsverstoß führte. Auch sei die Bundesregierung in dem Entwurf zu einer sog. Gemeindewirtschaftsteuer keineswegs davon ausgegangen, es bestünden zwischen Gewerbetreibenden und selbständig Tätigen keine signifikanten Unterschiede. Vielmehr habe sie lediglich darauf hingewiesen, die Berufsbilder hätten sich gegeneinander verschoben und überschnitten sich, so dass die Abgrenzung schwieriger und streitanfälliger geworden sei (BTDrucks 15/1517, S. 11).

Dies könne den Gesetzgeber zwar durchaus nach Ansicht des BVerfG berechtigen, Gewerbetreibende und freie Berufe einheitlich mit einer betrieblichen Ertragsteuer zu belasten, zwinge ihn jedoch nicht aus Gründen des Gleichheitsschutzes zu diesem Schritt.

Schließlich stellt die Notwendigkeit, bei der Einordnung einer Tätigkeit als selbständiger Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG oder als Gewerbebetrieb auf sämtliche Umstände und die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles abzustellen, keinen Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes dar.

Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bzw. sog. Typusbegriffe ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden, insbesondere wenn sie durch eine vom Gesetzgeber akzeptierte langjährige Rechtsprechung zusätzlich konkretisiert worden sind (vgl. z.B. Kammerbeschluss des BVerfG vom 3. Juli 2007  1 BvR 1696/03, Deutsches Verwaltungsblatt 2007, 1172, m.w.N.; ferner z.B. zur Abgrenzung privater Vermögensverwaltung von einem Gewerbebetrieb Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2038084

BFH/NV 2008, 1874

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