Entscheidungsstichwort (Thema)

AdV; Zugangsvoraussetzung bei dem FG völlig neu unterbreitetem Problembereich; Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens der Finanzverwaltung bei der Umqualifikation von i.R. einer Zebragesellschaft erzielten Einkünfte

 

Leitsatz (NV)

  1. Die Zugangsvoraussetzung des von der Behörde vor der Anrufung des Gerichts ganz oder zum Teil abgelehnten AdV-Antrages ist nach dem Normzweck der in § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO geregelten Zugangsvoraussetzung nicht erfüllt, wenn dem Gericht ein völlig neuer Problembereich unterbreitet wird, der zuvor noch nicht Gegenstand der Prüfung durch die Finanzbehörde gewesen ist.
  2. Die von der Finanzverwaltung (vgl. Nichtanwendungserlass des BMF vom 8. Juni 1999, DB 1999, 1352) entgegen der Rechtsprechung des erkennenden Senats (seit dem Urteil vom 11. Dezember 1997 III R 14/96, BFHE 185, 177) angewendeten Verfahrensgrundsätze für die Umqualifikation von im Rahmen einer sog. Zebragesellschaft erzielten Einkünfte, wonach das Gesellschafts-Finanzamt über die Höhe eines Veräußerungsgewinns endgültig entscheiden soll, sind eindeutig rechtswidrig.
  3. Im Hinblick auf die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Senats ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem positiven Ausgang auch des Hauptsacheverfahrens zu rechnen, so dass eine Sicherheitsleistung nicht festzusetzen ist. Eine an sich grundsätzlich in Betracht kommende Aussetzung des Verfahrens bezüglich des Einkommensteuerbescheides scheidet dann aus, wenn das Gesellschafts-Finanzamt unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass es im Hinblick auf den für es bindenden Nichtanwendungserlass des BMF keinesfalls den fehlenden Grundlagenbescheid zu erlassen beabsichtigt.
 

Normenkette

AO 1977 § 179 Abs. 3, § 268 Abs. 1, § 278 Abs. 3, § 279; EStG § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 136 Abs. 1, § 74

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (EFG 1999, 291)

 

Tatbestand

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurden als Eheleute im Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller ist als Kaufmann im Streitjahr u.a. bei der A-GmbH und der B-GmbH in X (nicht selbständig) tätig gewesen. Er war ferner Eigentümer bzw. Miteigentümer verschiedener Grundstücke sowie an mehreren gewerblichen oder vermögensverwaltenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts beteiligt. Im Rahmen einer bei den Antragstellern durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass auch der Erlös aus der im Jahr 1990 erfolgten Veräußerung seines Anteils an dem Mehrfamilienhaus in D, als Gewinn im Rahmen seines aufgrund seiner zahlreichen weiteren An- und Verkaufsgeschäfte im Immobilienbereich gegebenen gewerblichen Grundstückshandels zu erfassen sei. Die O-GbR (künftig: GbR) hatte das Grundstück 1988 in ihr Gesamthandseigentum erworben und 1990 veräußert. Der Antragsteller war an dieser GbR zu einem Drittel beteiligt.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -FA―) rechnete dem Antragsteller dementsprechend in dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten zusammengefassten Einkommensteuerbescheid vom 14. April 1998 einen anteiligen gewerblichen Veräußerungsgewinn in Höhe von 531 285 DM (unter Berücksichtigung einer entsprechenden Gewerbesteuerrückstellung) zu. Zur näheren Begründung nimmt der Bescheid in den Erläuterungen auf den Prüfungsbericht vom 26. Januar 1998 Bezug. Mit Schreiben vom 7. Juli 1998 teilte das FA dem steuerlichen Berater der Antragsteller u.a. mit, es bleibe bei seiner Auffassung, dass die Einkünfte aus der ―anteiligen― Veräußerung des Grundstücks auf der Ebene des Gesellschafters umzuqualifizieren seien und der Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1521) durch die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht überholt sei.

Über den gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1990 von den Antragstellern eingelegten fristgerechten Einspruch hat das FA noch nicht entschieden. Das FA Z hatte die Einkünfte der GbR im Feststellungsbescheid vom 13. Februar 1992 als solche aus Vermietung und Verpachtung einheitlich und gesondert festgestellt.

Das FA setzte den Vollzug der Einkommensteuer für 1990 in Höhe von 102 346 DM hinsichtlich der Antragstellerin ohne Sicherheitsleistung aus bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den gegen den Einkommensteuer-Änderungsbescheid für 1990 am 20. April 1998 eingelegten Einspruch und lehnte den Aussetzungsantrag des Antragstellers bezüglich des hier streitigen Veräußerungsgewinns mit Bescheid vom 7. Juli 1998 ab. Hiergegen legten die Antragsteller mit Schreiben vom 28. Juli 1998 Einspruch ein. Mit Bescheid vom 13. Juli 1998 teilte das FA antragsgemäß die ausgesetzte Einkommensteuer auf, und zwar in Höhe von 71 366,95 DM auf die Antragstellerin und in Höhe von 30 979,05 DM auf den Antragsteller. Unter dem 29. September 1998 setzte das FA schließlich rückwirkend die nach Aufteilung auf den Antragsteller entfallende Einkommensteuer 1990 (259 846 DM), nebst Zinsen (62 352 DM) insgesamt bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den gegen den Einkommensteuer-Änderungsbescheid eingelegten Einspruch, längstens jedoch bis zur Erteilung des geänderten Feststellungsbescheides für die GbR durch das FA Z aus. Das FA behielt sich im Übrigen vor, die Aussetzung der Vollziehung nach pflichtgemäßem Ermessen zu widerrufen.

Unter dem 22. September 1998 hatte das FA Z für die GbR einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen, in welchem es für den Antragsteller anteilige laufende gewerbliche Einkünfte (aus der Veräußerung des Grundstücks) in Höhe von 641 325 DM (ohne Gewerbesteuerrückstellung) festgestellt hatte. Wegen eines Bekanntgabemangels gab das FA Z den geänderten Feststellungsbescheid am 15. Dezember 1998 erneut bekannt (vgl. Aktenvermerk des FA vom 12. Januar 1999). Am 11. September 1998 hatten die Antragsteller beim Finanzgericht (FG) beantragt, die Einkommensteuer für 1990 in Höhe von 281 564 DM, nebst Zinsen in Höhe von 67 575 DM ohne Sicherheitsleistung auszusetzen. Die Antragsteller machten geltend, der Einkommensteuerbescheid sei bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. Darüber hinaus lägen aber auch nicht die Voraussetzungen für einen gewerblichen Grundstückshandel vor.

Das FG lehnte mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 291 veröffentlichtem Beschluss vom 28. Dezember 1998 den Antrag der Antragstellerin als unzulässig und den des Antragstellers als unbegründet ab. Hiergegen richtet sich die vom FG ―wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage bezüglich des Verfahrens bei der abweichenden Einkünftequalifikation für einen Gesellschafter― zugelassene Beschwerde der Antragsteller.

Während des Beschwerdeverfahrens hat das FA Z mit Bescheid vom 10. Juni 1999 die Vollziehung des geänderten Feststellungsbescheides vom 15. Dezember 1998 zunächst bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder eines geänderten Bescheides ausgesetzt, sich allerdings die nachträgliche Anforderung einer Sicherheitsleistung vorbehalten. Daraufhin setzte das FA unter dem Vorbehalt des Widerrufs den Vollzug des geänderten Einkommensteuerbescheides für 1990 vom 14. April 1998 mit Bescheid vom 25. Juni 1999 hinsichtlich der Einkommensteuer in Höhe von 259 846 DM und hinsichtlich der Zinsen in Höhe von 62 352 DM ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den gegen den geänderten Feststellungsbescheid 1990 vom 15. Dezember 1998 beim FA Z anhängigen Einspruch aus. Allerdings gewährte es die Aussetzung der Vollziehung nur unter der aufschiebenden Bedingung, dass bis zum 30. August 1999 eine Sicherheitsleistung in Höhe von 322 000 DM erbracht werde. Zur Begründung für die Anordnung der Sicherheitsleistung nahm das FA auf seine Stellungnahme gegenüber dem FG vom 4. November 1998 Bezug.

Das FA Z hob dann unter Hinweis auf den Nichtanwendungserlass vom 8. Juni 1999 (Der Betrieb ―DB― 1999, 1352) bezüglich des Urteils des BFH vom 11. Dezember 1997 III R 14/96 (BFHE 185, 177) mit Bescheid vom 15. Juli 1999 den geänderten Feststellungsbescheid für 1990 vom 15. Dezember 1998 auf und stellte den ursprünglichen Feststellungsbescheid vom 13. Februar 1992, der für den Antragsteller Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2 345 DM sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 2 115 DM festgestellt hatte, wieder her.

Das FA hat daraufhin mitgeteilt, nach Aufhebung des geänderten Feststellungsbescheides für 1990 durch das FA Z ende die im Bescheid vom 25. Juni 1999 auf die Aussetzung der Vollziehung dieses Feststellungsbescheides gestützte Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Einkommensteuerbescheides für 1990.

Mit der Beschwerde, welcher das FG nicht abgeholfen hat, trugen die Antragsteller zunächst vor:

Entgegen der Rechtsauffassung des FG besitze die Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis für ihren Aussetzungsantrag. Das FA habe nämlich mit Schriftsatz vom 7. Dezember 1998 zu erkennen gegeben, gemäß § 278 Abs. 2 AO 1977 wegen der Einkommensteuerschuld auch in das Vermögen der Antragstellerin zu vollstrecken. Soweit der Antrag der Antragsteller abgelehnt worden sei, habe das FA den Veräußerungsgewinn im Einkommensteuerbescheid für 1990 ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erfasst.

Die Antragsteller modifizierten dann ihr ursprüngliches Vorbringen entsprechend der geänderten Verfahrenslage.

Das FA sei in einem ihm nicht zustehenden Zuständigkeitsbereich tätig geworden. Es sei nicht berechtigt, in eigener Zuständigkeit abweichend von dem die GbR betreffenden Feststellungsbescheid 1990 nunmehr in die Einkommensteuerfestsetzung gewerbliche Einkünfte einzubeziehen. Durch Aufhebung des geänderten Feststellungsbescheides für 1990 vom 15. Dezember 1998 sei für den Einkommensteuerbescheid 1990 eine wesentliche Grundlage entfallen. Im Umfang der Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides sei dessen Vollziehung auszusetzen. Selbst wenn die Einkommensteuerfestsetzung materiell-rechtlich richtig wäre, sei sie wegen des Verstoßes gegen Verfahrensrecht rechtswidrig. Dem Urteil des BFH in BFHE 185, 177, wonach ―übertragen auf den Streitfall― das FA die Art der streitigen Einkünfte festzusetzen habe und dies insoweit Grundlagenbescheid für das FA Z hinsichtlich der von diesem festzustellenden Höhe der Einkünfte sei, könne nicht gefolgt werden. Es bedürfe nach § 179 Abs. 1 AO 1977 einer gesetzlichen Grundlage für die gesonderte Feststellung der Einkünfte nur der Art, nicht aber auch der Höhe nach. § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sehe indes nur die Feststellung von Einkünften vor. Eine analoge Anwendung auch auf die isolierte Feststellung nur der Einkunftsart führe zu einem belastenden Verwaltungsakt, der einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfe.

Das FG billige dem FA zudem unter Verkennung der vom BFH in seinem Urteil in BFHE 185, 177 aufgestellten verfahrensrechtlichen Grundsätze die Befugnis zu, Art und Höhe der streitigen Einkünfte bereits vor dem Ergehen eines geänderten Feststellungsbescheides durch das FA Z gemäß § 155 Abs. 2 AO 1977 vorläufig im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für 1990 festzustellen. Gehe man überdies mit dem FG von der Untrennbarkeit der Feststellung von Art und Höhe der Einkünfte aus, so hätte es dem FA keinerlei Zuständigkeit einräumen dürfen, vielmehr die Anwendung des o.g. BFH-Urteils ablehnen müssen (vgl. dazu auch Kohlhaas, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1998, 1458, 1459). Nach der Gesetzeslage könne die Feststellung der Einkünfte nach Art und Höhe nur in die Zuständigkeit des Gesellschafts-FA fallen. Dem BFH-Urteil in BFHE 185, 177 lasse sich nicht entnehmen, dass das FA befugt gewesen wäre, den Veräußerungsgewinn zumindest vor Erlass eines geänderten Feststellungsbescheides durch das FA Z zu erfassen. Entgegen dem FG und mit dem Urteil des FG Münster vom 23. Juli 1998 11 K 5679/96 E, F (EFG 1998, 1682, Revision XI R 39/98) sei weiterhin davon auszugehen, dass die im Einkommensteuerbescheid für 1990 erfasste Zuordnung des Veräußerungsgewinns als gewerbliche Einkünfte nach § 157 Abs. 2 AO 1977 keinerlei Bindungswirkung entfalte. Ohne eine solche Bindungswirkung könne indes kein Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO 1977 vorliegen. Halte man das BFH-Urteil in BFHE 185, 177, wie das FG, für anwendbar, so stelle der geänderte Einkommensteuerbescheid für 1990 keinen rechtswirksamen Bescheid dar, der Grundlagenbescheid für einen Feststellungsbescheid des FA Z sein könnte.

Da der Einkommensteuerbescheid rechtswidrig sei, seien sie ―die Antragsteller― nicht bereit, die geforderte Sicherheitsleistung für die AdV zu erbringen. Das öffentliche Interesse einer Sicherheitsleistung entfalle, wenn mit Gewissheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten sei (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1988 IV R 220/85, BFHE 154, 532, BStBl II 1989, 39, 40). Hier dürfe nicht unentschieden bleiben, ob die Einkünfte auf der Gesellschafts- oder Gesellschafterebene umzuqualifizieren seien. Folge der BFH der Rechtsauffassung der Antragsteller, wonach die Einkünfte vom Gesellschafts-FA umzuqualifizieren seien, wäre der Einkommensteuerbescheid 1990 aufzuheben. Die AdV sei dann gleichbedeutend mit der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides. Eine Sicherheitsleistung sei in diesem Falle nicht mehr gerechtfertigt. Das FG habe sich, wie auch das FA, dagegen auf das Urteil des BFH in BFHE 185, 177 gestützt. Zwischenzeitlich habe das BMF mit Schreiben in DB 1999, 1352, allerdings die Nichtanwendung dieses Urteils verfügt.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses des FG vom 28. Dezember 1998, den Vollzug des Einkommensteuerbescheides 1990 in dem vom FA mit Verfügung vom 29. September 1998 ausgesetzten Umfang weiterhin ohne Festsetzung einer Sicherheitsleistung auszusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise die Gewährung der AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Eine weitere Aussetzung komme nicht mehr in Betracht. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Frage, ob ―wie vom FA vertreten― die Einkünfte im Einkommensteuerbescheid umzuqualifizieren seien oder die (gewerblichen) Einkünfte im Einkommensteuerbescheid nur vorläufig i.S. von § 155 Abs. 2 AO 1977 anzusetzen wären, weil noch ein Feststellungsbescheid oder ein Einkünftezuordnungsbescheid zu erlassen sei, bestünden jedenfalls in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für 1990.

Die Anforderung einer Sicherheitsleistung sei ermessensgerecht. Selbst bei einer Erfolgsaussicht dürfe wegen ernsthafter Gefährdung des Steueranspruchs eine Sicherheit verlangt werden (BFH-Beschlüsse vom 29. Juni 1977 VIII S 15/76, BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726, 728; vom 28. März 1968 V B 32/67, BFHE 92, 164, BStBl II 1968, 470, und BFH-Urteil vom 1. September 1965 II 124/63 U, BFHE 83, 499, BStBl III 1965, 678). Der Grad der Erfolgsaussichten könne allerdings das Bedürfnis nach einer Sicherheitsleistung beeinflussen. Im Streitfall sei davon auszugehen, dass die Einkommensteuer für das Streitjahr 1990 zutreffend festgesetzt worden und mithin im Ergebnis zu zahlen sei. Zum anderen erscheine der Steueranspruch gefährdet. Der Antragsteller habe nämlich ausweislich der Steuerakten seine 50 %igen Beteiligungen an drei GmbH's unentgeltlich auf die Antragstellerin übertragen. Danach sei nicht auszuschließen, dass der Antragsteller weitere Vermögenswerte bereits übertragen habe oder dies noch tun werde, um die Durchsetzung der Steuerforderung zu vereiteln.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerden sind zulässig.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist jedoch unbegründet. Hingegen ist die Beschwerde des Antragstellers begründet und der gegen ihn ergangene ablehnende Beschluss des FG aufzuheben. Die vom FA mit Bescheid vom 29. September 1998 ausgesetzten Beträge sind bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1990 vom 14. April 1998 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

1. Das FG hat den Antrag der Antragstellerin auf AdV des gegen sie ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheides für 1990 vom 14. April 1998 im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Das FA hatte bereits die Vollziehung der (aufgrund der von der Antragstellerin beantragten Aufteilung der Einkommensteuerschuld für 1990) auf die Antragstellerin noch entfallenden rückständigen Beträge (Einkommensteuer und Zinsen) mit Bescheid vom 7. Juli 1998 in Verbindung mit dem Aufteilungsbescheid vom 13. Juli 1998 ohne Sicherheitsleistung bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den am 20. April 1998 eingelegten Einspruch ausgesetzt.

Der Antrag an das Gericht der Hauptsache, die Vollziehung ganz oder teilweise auszusetzen, ist aber nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) oder die weiteren Gründe nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nrn. 1 oder 2 FGO im Zeitpunkt der Antragstellung beim Gericht vorliegen. Das war hier nicht der Fall.

Mit Schriftsatz vom 17. April 1998 (beim FA eingegangen am 20. April 1998) hatte Steuerberater Y u.a. Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1990 namens der Antragsteller eingelegt und beantragt, die Vollstreckung wegen dieser Steuer jeweils auf den Betrag zu beschränken, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO 1977 bei einer Aufteilung der Steuer ergebe und eine AdV auch "über die Aussetzungsanträge über die Feststellungsbescheide hinaus" begehrt. Nachdem das FA diesem Aussetzungsantrag hinsichtlich der Antragstellerin entsprochen, den Antrag bezüglich des Antragstellers jedoch abgelehnt hatte, hat der jetzige Prozessbevollmächtigte dagegen zwar Einspruch eingelegt. Da das FA jedoch dem Antrag auf AdV der nach Aufteilung der von den Antragstellern als zusammen veranlagten Ehegatten gesamtschuldnerisch geschuldeten Einkommensteuer für 1990 hinsichtlich der Antragstellerin in vollem Umfang entsprochen hat, sind die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO nicht erfüllt. Denn diese Vorschrift setzt nach ihrem Sinn und Zweck voraus, dass die Finanzbehörde mit den für die Gewährung bzw. Ablehnung der AdV wesentlichen Gründen befasst worden ist und eine Aussetzung danach ganz oder teilweise abgelehnt haben (vgl. Beschlüsse des FG Hamburg vom 25. September 1980 V 171/80, EFG 1981, 251, und vom 31. Dezember 1981 II 296/81, EFG 1982, 360).

Unter den Voraussetzungen des § 278 Abs. 2 AO 1977 wird die aufgrund der bestandskräftig gewordenen Aufteilung nach §§ 268 Abs. 1, 278 Abs. 1 AO 1977 eingetretene Beschränkung der Vollstreckung zwar betragsmäßig wieder bis zur Höhe des gemeinen Wertes der Zuwendung erweitert (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1983 VII R 22/83, BFHE 140, 138, BStBl II 1984, 287). Das FA hat aber erstmals im Schriftsatz vom 7. Dezember 1998 an das FG beantragt, den Antragstellern aufzugeben, u.a. das unentgeltlich vom Antragsteller auf die Antragstellerin übertragene Vermögen für die Prüfung anzugeben, ob die Antragsteller in der Lage seien, Sicherheitsleistung anzubieten, weil das FA trotz Aufteilung der Steuerschuld die Möglichkeit habe, nach § 278 Abs. 2 AO 1977 vorzugehen. Abgesehen davon, dass der damit zusammenhängende Sachverhalt bisher in keiner Weise konkretisiert und eine nach Maßgabe des § 278 Abs. 2 AO 1977 bevorstehende erweiterte Vollstreckung gegen die Antragstellerin von dieser ebenso wenig konkret vorgetragen worden ist, handelt es sich insoweit jedenfalls um einen im Rahmen des vom FA verbeschiedenen Aussetzungsantrag noch in keiner Weise zu prüfenden bzw. geprüften und damit völlig neuen Problembereich. Bevor das Gericht gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO mit diesem Sachverhalt befasst wird, ist deshalb nach dem Normzweck des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zuvor dem FA Gelegenheit zur Prüfung im Rahmen eines ggf. zu stellenden neuen Antrags auf AdV zu geben. Wird die durch den Aufteilungsbescheid (§ 279 AO 1977) vorgenommene quantitative Einschränkung des mit dem Steuerbescheid verbundenen Leistungsgebotes vom FA nicht beachtet, so ist der Steuerpflichtige nämlich gehalten, gegen weitergehende Vollziehungsmaßnahmen vorzugehen und insoweit einstweiligen Rechtsschutz zu begehren (vgl. Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz. 95, m.w.N.).

2. Der Antrag des Antragstellers ist zulässig und begründet.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise gemäß § 69 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage im summarischen Beschlussverfahren nicht abschließend zu entscheiden. Es ist überdies nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (BFH-Beschluss vom 20. Mai 1998 III B 9/98, BFHE 186, 236, BStBl II 1998, 721, unter Ziff. 3. a der Gründe, m.w.N.).

Der erkennende Senat hat mit Urteil in BFHE 185, 177 nach Beteiligung des BMF für die verfahrensmäßige Abwicklung der Umqualifizierung von im Rahmen sog. Zebragesellschaften erzielter Einkünfte Grundsätze aufgestellt. An diesen Grundsätzen hat der Senat in seinem Urteil vom 10. Dezember 1998 III R 61/97 (BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390, unter Ziff. 3.) festgehalten. Danach hat das für die persönliche Besteuerung des Gesellschafters zuständige FA (Wohnsitz-FA) die verbindliche Entscheidung über die Einkünftezuordnung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgrund von dem Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft verwirklichter Besteuerungsmerkmale zu treffen. Dieser Bescheid ist Grundlagenbescheid für die vom jeweiligen Gesellschafts-FA verbindlich für den Gesellschafter vorzunehmende Einkünfteermittlung. Die Einkünfteermittlung des Gesellschafts-FA ist wiederum Grundlagenbescheid für die abschließende Erfassung dieser Einkünfte bei der Einkommensteuerfestsetzung.

Im Streitfall hat das FA als Wohnsitz-FA in dem geänderten Einkommensteuerbescheid vom 14. April 1998 den anteiligen Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks in D durch die GbR als gewerblichen Veräußerungsgewinn im Rahmen eines vom Steuerpflichtigen unterhaltenen gewerblichen Grundstückshandels qualifiziert und zugleich betragsmäßig ermittelt. Die betragsmäßige Ermittlung und Feststellung hätte aber nur vorläufig erfolgen dürfen. Der geänderte Einkommensteuerbescheid für 1990 war mithin von Anfang an rechtswidrig, weil das FA diesen Bescheid auch hinsichtlich der Höhe des streitigen Gewinns endgültig erlassen hat. Außerdem hätte der Erlass eines vorläufigen Bescheides vorausgesetzt, dass das FA Z die Absicht gehabt hätte, insoweit noch einen Folgebescheid zu erlassen. Das war hier nicht der Fall. Das FA Z hatte hinsichtlich des vorgenannten Grundstücks bereits durch Feststellungsbescheid vom 13. Februar 1992 lediglich laufende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2 345 DM sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 2 115 DM für jeden Gesellschafter festgestellt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 II R 24/93, BFH/NV 1996, 450). Der geänderte Feststellungsbescheid vom 15. Dezember 1998, mit dem das FA Z als Gesellschafts-FA einen anteiligen gewerblichen Veräußerungsgewinn in Höhe von 641 325 DM ermittelt und festgestellt hatte, ist mit geändertem Feststellungsbescheid 1990 vom 15. Juli 1999 im Hinblick auf den Nichtanwendungserlass des BMF vom 8. Juni 1999 ersatzlos aufgehoben worden.

Die Verfahrensweise des FA entspricht der im Schreiben des BMF vom 29. April 1994 (BStBl I 1994, 282, unter Tz. 2) vertretenen Auffassung, nach der das Gesellschafts-FA die endgültige Entscheidung über die Höhe des Veräußerungsgewinns zu treffen hat. Sie ist ―gemessen an der Rechtsprechung des erkennenden Senats― eindeutig rechtswidrig, so dass eine AdV zu gewähren ist.

b) Die AdV erfasst nicht nur die anteilige Einkommensteuer, sondern auch die festgesetzten Zinsen, da es sich insoweit um eine von dem streitigen Einkommensteuerbetrag abhängige Nebenleistung handelt (vgl. BFHE 186, 236, BStBl II 1998, 721, unter Ziff. 3. b der Gründe, und BFH-Beschluss vom 16. März 1995 VIII B 158/94, BFH/NV 1995, 680, 682, m.w.N.).

c) Eine Sicherheitsleistung ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO nicht zu verlangen.

Die insoweit zu treffende Ermessensentscheidung ist am Zweck der Sicherheitsleistung zu orientieren, Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang zu vermeiden. Dieses öffentliche Interesse tritt indes dann zurück, wenn mit Gewissheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127, 129; vom 28. Juni 1994 V B 18/94, BFH/NV 1995, 515, und BFH-Urteil in BFHE 154, 532, BStBl II 1989, 39, 40; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Rz. 145, m.umf.N.).

Der Antragsteller hat zu Recht auf den nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit großer Wahrscheinlichkeit für ihn zu erwartenden positiven Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingewiesen.

Der Senat hat zwar im Urteil in BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390, unter Ziff. 3. der Gründe unter Nachweis früherer Rechtsprechung ausgeführt, sofern das Wohnsitz-FA abschließend entschieden habe, sei die Einkommensteuerfestsetzung infolge der Kompetenzüberschreitung rechtswidrig. Jedoch bestehe von Anfang an die Möglichkeit, durch Erlass des fehlenden Grundlagenbescheides bzw. eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO 1977 diese Rechtswidrigkeit zu heilen. Das Hauptsacheverfahren gegen die Einkommensteuerfestsetzung sei dann nach § 74 FGO auszusetzen, um dem Gesellschafts-FA die Gelegenheit zu geben, den fehlenden Grundlagenbescheid zu erlassen (BFH-Urteil vom 29. April 1987 I R 167/83, BFH/NV 1987, 629).

Eine solche Aussetzung des Verfahrens scheide aber aus, wenn deutlich ist, dass das Gesellschafts-FA den fehlenden Grundlagenbescheid nicht erlassen wird. So ist es im Streitfall. Denn das FA Z hat den geänderten Feststellungsbescheid vom 15. Dezember 1998, in welchem es in Folge der Qualifizierung des anteiligen Gewinns aus der Veräußerung des Mehrfamilienhauses in D als gewerbliche Einkünfte die Höhe dieses Veräußerungsgewinns auf 641 325 DM festgestellt hatte, mit Bescheid vom 15. Juli 1999 aufgehoben. Der Grund für diese Aufhebung liegt darin, dass das FA Z in Übereinstimmung mit dem Nichtanwendungserlass zu dem Senatsurteil in BFHE 185, 177 der Auffassung ist, das beklagte FA sei endgültig für die Feststellung auch der Höhe des Veräußerungsgewinns zuständig. Ein Feststellungsbescheid des FA Z ist bei der gegenwärtigen Sachlage daher nicht zu erwarten.

Danach ist auch unter Berücksichtigung der die Verwaltung bindenden Wirkung des BMF-Schreibens vom 8. Juni 1999 von einer so hohen Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren auszugehen, dass das öffentliche Interesse an einer Sicherung des Steueranspruchs hier zurücktreten muss. Insoweit ist es unerheblich, ob der angefochtene Verwaltungsakt aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben ist und ob er im Übrigen den Steueranspruch materiell-rechtlich an sich zutreffend berücksichtigt hat. Der Finanzverwaltung ist es im Übrigen unbenommen, den Verfahrensmangel der Einkommensteuerfestsetzung durch den erneuten Erlass eines entsprechenden Feststellungsbescheides zu beseitigen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 13/84, BFHE 142, 96, BStBl II 1985, 3, Ziff. 3. der Gründe).

3. Die Aussetzung der Vollziehung ist in dem vom FA zunächst mit Verfügung vom 29. September 1998 ausgesprochenen Umfang bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens anzuordnen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. März 1986 VI B 44/84, BFHE 146, 218, BStBl II 1986, 475, 476, m.w.N.).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 6. August 1971 III B 7/71, BFHE 103, 126, BStBl II 1972, 17), wobei die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten bei verbundenen Verfahren getrennt werden müssen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 135 FGO Tz. 24, m.w.N.).

Die Antragsteller haben beide die Aussetzung der nach der Aufteilung noch auf den Antragsteller entfallenden Beträge beantragt. Die Antragstellerin unterliegt insoweit, da ihr Antrag unzulässig und ihre Beschwerde unbegründet ist, in vollem Umfang. Danach tragen das FA und die unterlegene Antragstellerin die Gerichtskosten je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten trägt das FA die des obsiegenden Antragstellers in vollem Umfang. Die Antragstellerin trägt hingegen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425142

BFH/NV 2000, 827

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