Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringungs- und Pflegeaufwendungen nach Vermögensübertragung

 

Leitsatz (NV)

Aufwendungen für die Unterbringung und Pflege eines bedürftigen Angehörigen sind nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, soweit der Steuerpflichtige von dem Angehörigen dessen gesamtes sicheres Vermögen in einem Zeitpunkt übernommen hat, als dieser sich bereits im Rentenalter befand.

 

Normenkette

EStG §§ 33, 33a

 

Tatbestand

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1990 und 1991 (Streitjahre) machten die Kläger und Antragsteller (Kläger) die Aufwendungen für die Unterbringung und Pflege des Vaters des Klägers in einem Wohnstift in Höhe von ... DM für 1990 und ... DM für 1991 als außergewöhnliche Belastung geltend.

Der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte bei den Einkommensteuerveranlagungen Aufwendungen für Pflegeleistungen für 1990 in Höhe von ... DM und für 1991 in Höhe von ... DM als außergewöhnliche Belastung. Der Einspruch führte zu einer Verböserung. Das FA ließ die bisher anerkannten Kosten in der Einspruchsentscheidung im Hinblick auf dem Kläger übertragene Vermögenswerte nicht zum Abzug zu. Der Vater des Klägers hatte dem Kläger im Dezember 1973 ein Einfamilienhausgrundstück unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen. Im Januar 1980 verzichtete er auf das Nießbrauchsrecht. Es ergab sich eine Nachzahlung für 1990.

Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Aufwendungen des Klägers für die Unterbringung und Pflege seines Vaters in dem Wohnstift als Krankheitskosten an, die es insoweit als außergewöhnliche Belastung berücksichtigte, als sie die Renteneinkünfte des Vaters überstiegen.

Hiergegen hat das FA Revision eingelegt, mit der es im wesentlichen geltend macht, im Hinblick auf die dem Kläger von seinem Vater zugewandten Vermögenswerte sei eine Berücksichtigung der vom FG als außergewöhnliche Belastung anerkannten Aufwendungen ausgeschlossen.

Den Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung gab das FA insoweit statt, als es -- ausgehend von dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. März 1995 (BStBl I 1995, 182) -- die dem Vater des Klägers gesondert in Rechnung gestellten Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigte und die Vollziehung in Höhe der Nachzahlungsbeträge, für 1990 zusätzlich in Höhe eines Erstattungsbetrags von ... DM, aussetzte.

Mit dem am 27. Juni 1996 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz beantragen die Kläger die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide in Höhe der Beträge, die sich aufgrund der Steuerfestsetzungen des FG ergeben:

1990 ... DM,

1991 ... DM.

Das FA beantragt, den Antrag zurückzu weisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache -- hier der BFH -- die Voll ziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Eine besondere Härte wird im Streitfall nicht geltend gemacht. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung des Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263, m. w. N.).

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Es kann offenbleiben, ob und in welcher Höhe dem Kläger Aufwendungen für die Pflege seines Vaters erwachsen sind, die -- dem Grunde nach -- § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugeordnet werden können und mit welchen Beträgen die Kosten für die Unterbringung anzusetzen sind, die nur für einen Abzug in den Grenzen des § 33a Abs. 1 EStG in Betracht kommen. Auch kann dahinstehen, inwieweit die -- die Unterbringungskosten nicht übersteigende -- Rente des Vaters des Klägers nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnen wäre. Denn -- wie das FA zu Recht geltend macht -- steht bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der Berücksichtigung der dem Käger entstandenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung bereits die vorangegangene Vermögensübertragung entgegen.

Der BFH hat zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Zusammenhang zwischen der Vermögensübertragung durch die pflegebedürftige Person auf den Steuerpflichtigen einerseits und der Erbringung von Aufwendungen für die Unterbringung und Pflege durch den Steuerpflichtigen andererseits so eng ist, daß eine Berücksichtigung der Aufwendungen des Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung gemäß §§ 33, 33a Abs. 1 EStG ausscheidet, bisher nicht Stellung genommen. Auch im Schrifttum wird -- soweit ersichtlich -- die Problematik nicht behandelt.

Der Senat ist -- bei summarischer Prüfung -- der Auffassung, daß jedenfalls dann, wenn die Mittellosigkeit und damit die Unterstützungsbedürftigkeit eines Angehörigen vom Steuerpflichtigen adäquat dadurch (mit-) verursacht worden ist, daß ihm der Angehörige zuvor Vermögen übertragen hat, eine Berücksichtigung der Unterstützungsleistungen als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen ist.

Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine Zwangsläufigkeit i. S. von §§ 33 Abs. 2, 33a Abs. 1 EStG nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige die Möglichkeit hatte, den Aufwendungen auszuweichen (BFH-Urteil vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147). Entscheidend ist daher darauf abzustellen, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zur Bestreitung der Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Dabei ist auf die wesentliche Ursache abzustellen und zu fragen, ob der Steuerpflichtige diese aus für ihn zwangsläufigen Gründen gesetzt hat (Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774).

Eine wesentliche Ursache für das Entstehen der Aufwendungen des Klägers waren einmal der Eintritt der Pflegebedürftigkeit seines Vaters und die dadurch bedingte Unterbringung in dem Wohnstift. Eine weitere -- nicht zu vernachlässigende -- wesentliche Ursache für die vom Kläger erbrachten Leistungen war aber auch der Umstand, daß der Vater des Klägers neben seinem Altersruhegeld nicht über ausreichende Mittel verfügte, um die notwendigen Kosten für seine Unterbringung und Pflege in dem Wohnstift selbst zu tragen. Dieser weitere wesentliche Grund für die strittigen Leistungen des Klägers wurde indes von ihm selbst nicht aus einer Zwangslage heraus und nicht unfreiwillig, sondern durchaus eigenverantwortlich dadurch zumindest entscheidend mitverursacht, daß er seinerzeit das ihm von seinem Vater angebotene Anwesen schenkweise übernommen und somit dazu beigetragen hat, daß diesem im Streitzeitraum -- über seine Rente hinaus -- keine ausreichenden Mittel mehr zur Verfügung standen, um seinen infolge der Pflegebedürftigkeit erhöhten Bedarf zu decken. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß der vom Kläger übernommene Wert im Streitzeitraum noch nicht aufgezehrt war.

Der Vater des Klägers war bei der Übergabe des Hausgrundstücks im Jahre 1973 65 Jahre und beim Verzicht auf das Nießbrauchsrecht im Jahre 1980 71 Jahre alt. In diesem Alter muß -- auch in einem Fall, in dem, wie möglicherweise hier, insoweit keinerlei Anzeichen erkennbar sind -- stets mit dem Eintritt einer Pflegebedürftigkeit gerechnet werden. Es ist deshalb keine ungewöhn liche, außerhalb der Lebenserfahrung liegende und mithin nicht adäquate Folge der bürgerlich-rechtlich vorbehaltlosen Übertragung aller sicheren Vermögenswerte an einen nahen Angehörigen, daß dieser bei späterer Bedürftigkeit des Betreffenden für ihn eintreten muß; das gilt jedenfalls, wenn der Betreffende bei der Übertragung bereits das Rentenalter erreicht hatte -- und folglich mit dem Aufbau einer ausreichenden Alterssicherung nicht mehr gerechnet werden konnte -- und seine Renten- oder sonstigen Versorgungsansprüche zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit offenkundig unzureichend waren. Daß der Vater des Klägers bis zum Konkurs 1982 ein Bauunternehmen geführt hat, das eine aus reichende Existenzgrundlage dargestellt haben soll, führt zu keiner anderen Betrachtung. Es liegt nicht außerhalb der Lebens erfahrung, daß ein Betrieb in der hier gegebenen Größenordnung innerhalb weniger Jahre ohne Rettung wesentlicher Vermögenswerte -- wie im Streitfall geschehen -- verlorengehen kann und daß der bisherige Eigentümer im Fall der Pflegebedürftigkeit auf die Unterstützung insbesondere seiner Angehörigen angewiesen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421908

BFH/NV 1997, 392

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