Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmißbrauch

 

Leitsatz (NV)

1. Treffen bei einer rechtlichen Gestaltung wirtschaftlich unangemessene und wirtschaftlich angemessene Teile zusammen, so ist ernstlich zweifelhaft, ob der Rechtsfolge des § 42 AO 1977 die Gesamtgestaltung oder nur die unangemessenen Teile unterliegen.

2. Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die nur über Geldvermögen verfügt, zum Zweck der Liquidation veräußert und hat das Finanzamt diese Gestaltung nach § 42 AO 1977 nicht anerkannt, so ist aus den im Beschluß des Senats vom 3. Februar 1993 I R 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426 dargelegten Gründen Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.

3. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO setzt nur eine einmalige Ablehnung durch die Finanzbehörde, nicht eine Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung für jeden Verfahrensabschnitt voraus.

4. Ist der Verfahrensgegenstand derselbe, so genügt für die Zulässigkeit eines Antrags auf Aufhebung der Vollziehung, daß das Finanzamt einen Antrg auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; FGO § 69 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Antragsteller zu 1 bis 3 waren - neben weiteren Gesellschaftern - Kommanditisten der P-KG, die zur Durchführung eines Bauvorhabens gegründet worden war. Sie gründeten zusammen mit ihren Ehefrauen am 16. April 1982 zu je 1/6 die D-GmbH. Zwölf Tage nach der Gründung der D-GmbH übertrugen die Antragsteller zu 1 bis 3 ihre Anteile an der P-KG auf die D-GmbH zu Buchwerten.

Die Antragsteller zu 1 bis 3 gründeten ferner die O-KG. Diese erwarb ein Grundstück, das bebaut werden sollte. Die O-KG veräußerte im Dezember 1982 eine Teilfläche aus diesem Grundstück für 16 Mio DM an A. Diesen Grundstücksanteil sollte die P-KG zu einem Festpreis von ca. ... DM im Auftrag der A bebauen (Vertrag vom 28. April 1983; Vorentwurf vom 16. Juni 1982). A löste den Generalübernehmervertrag wegen Verstoßes der gegen die Vorschriften über die Bewilligung von Fördermitteln des Sozialministers des Landes Niedersachsen am 6. Oktober 1983 auf. Am 17. Oktober 1983 einigten sich die Vertragsparteien, daß die P-KG als Ersatz für entgangenen Gewinn 8,6 Mio DM von A erhalten sollte. Dieser Betrag wurde am 25./26. Oktober 1983 bezahlt.

Am 7. Dezember 1983 beschlossen die Gesellschafter der P-KG, der mittlerweile weitere Gesellschafter beigetreten waren, diese gemäß §§ 46ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG), § 20 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) rückwirkend zum 1. Juli 1983 auf die Z-GmbH, die Antragstellerin zu 4, umzuwandeln. Die Z-GmbH übte seit dem Tag ihrer Gründung keine Geschäftstätigkeit aus. In der Umwandlungsbilanz der P-KG zum 30. Juni 1983 wurden auf der Aktivseite u.a. stille Reserven aus schwebenden Geschäften in Höhe von 6,18 Mio DM und auf der Passivseite ein Umwandlungsgewinn in derselben Höhe ausgewiesen. Dieser Betrag resultierte aus der Zahlung der A abzüglich der der P-KG bereits entstandenen Kosten. Der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Behandlung nicht und erfaßte unter Hinweis auf § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) den Umwandlungsgewinn als laufenden Gewinn der P-KG.

Im Rahmen einer anschließenden Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die D-GmbH den Gewinnanteil an der P-KG 1983 auf Festgeldkonten angelegt hatte und die Gesellschafter der D-GmbH 1984 ihre Anteile an der D-GmbH für 1,866 Mio DM an die F-GmbH und Co. KG veräußert hatten. Als Vermittler dieses Kaufs war ein von den Antragstellern wiederholt eingeschalteter Treuhänder aufgetreten. Der Kaufpreis entsprach nach den Feststellungen der Betriebsprüfung nach Abzug eines geringen Gewinns für die Käuferin dem Barvermögen der D-GmbH. Die Geschäftstätigkeit der D-GmbH hatte sich in dem Halten der Beteiligung an der P-KG erschöpft. Am 18. März 1988 wurde die D-GmbH im Handelsregister gelöscht. Aufgrund dieser Feststellungen änderte das FA den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1983 erneut und rechnete gemäß § 42 AO 1977 den bisher der D-GmbH zugerechneten Gewinnanteil an der P-KG in Höhe von 1757261 DM den Antragstellern zu 1 bis 3 zu.

Die Antragsteller zu 1 bis 3 legten gegen den Gewinnfeststellungsänderungsbescheid 1983 vom 19. Mai 1988 Einspruch ein und beantragten Aussetzung der Vollziehung. Diesem Antrag wurde bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung stattgegeben. Ein während des Klageverfahrens gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde nach eigenen Angaben des FA im Klageverfahren mit Schreiben vom 24. Juli 1990 abgelehnt.

Den von den Antragstellern zu 1 bis 3 jeweils an das Gericht gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 22. April 1992 ab.

Nach Zulassung und Einlegung der Revision beantragten die Antragsteller zu 1 bis 3 nunmehr beim Bundesfinanzhof (BFH) mit Schriftsatz vom 18. Juni 1993, die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids 1983 der P-KG vom 2. Januar 1989 insoweit aufzuheben, als darin den Antragstellern ein Gewinnanteil von jeweils 585754 DM zugerechnet wurde, und zwar rückwirkend ab 14. März 1990.

Ferner beantragt die aus der Umwandlung der P-KG hervorgegangene Z-GmbH als Beigeladene (Antragstellerin zu 4), die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids 1983 der P-KG aufzuheben.

Das FA beantragt unter Hinweis auf § 69 Abs. 4 FGO in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung, die Anträge als unzulässig zurückzuweisen. Zu jedem Verfahrensabschnitt sei ein gesonderter Antrag an das FA zu stellen.

Daraufhin beantragten die Antragsteller zu 1 bis 3 mit Fax vom 2. September 1993 beim FA Aufhebung der Vollziehung, die versagt wurde. Im übrigen sind sie der Auffassung, daß § 69 Abs. 4 FGO i.d.F. vom 1. Januar 1993 ohne materielle Änderung Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) übernommen habe.

 

Entscheidungsgründe

A. Der Antrag der Antragsteller zu 1 bis 3 auf Aufhebung der Vollziehung ist zulässig. Der Antrag der Antragstellerin zu 4 ist als unzulässig abzulehnen.

1. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die durch einen Steueränderungsbescheid eingetretene Rechtswirkung ist auch im Verfahren der Feststellung eines einheitlichen und gesonderten Gewinns im Wege der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 FGO zu gewähren (vgl. BFH-Beschluß vom 28. November 1973 IV B 33/73, BFHE 110, 506, BStBl II 1974, 220; vgl. auch Beschluß des Großen Senats vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637 m.w.N.).

2. Dem Antrag steht § 69 Abs. 4 FGO i.d.F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) nicht entgegen.

Gemäß § 69 Abs. 4 FGO ist ein Antrag an das Gericht gemäß § 69 Abs. 3 FGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Eine einmalige Ablehnung genügt (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Juni 1982 VIII B 29/82, BFHE 136, 67, BStBl II 1982, 608; Beschluß vom 22. Oktober 1980 I S 1/80, BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99). Der von Koch in Gräber (Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Rdnr. 64) vertretenen gegenteiligen Auffassung, auf die sich das FA beruft, ist der BFH für die Zeit der Geltung des Art. 3 § 7 VGFGEntlG nicht gefolgt. Aus der geringfügig abweichenden Fassung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ergibt sich für die neue Rechtslage nichts Abweichendes (vgl. auch Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 12/1061 S. 15; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 17). Entgegen der Auffassung des FA galt Art. 3 § 7 VGFGEntlG auch für das Revisionsgericht (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1991 II S 3/90, BFH/NV 1992, 189).

Ein Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO ist auch dann i.S. des § 69 Abs. 4 FGO abgelehnt worden, wenn er aufgrund des seinerzeitigen Verfahrensstandes auf Aussetzung der Vollziehung gerichtet war, beim Antrag an das Gericht aufgrund einer mittlerweile geleisteten Zahlung aber eine Aufhebung der Vollziehung zu beantragen ist und der zuletzt gestellte Antrag im übrigen mit dem früher gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung identisch ist (vgl. auch BFH-Beschluß vom 23. Februar 1989 V B 60/88, BFHE 105, 503, BStBl 19879, 396). Da das FA nach eigenen Angaben mit Schreiben vom 24. Juli 1990 den Aussetzungsantrag abgelehnt hat, sind die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO erfüllt. Der Verfahrensgegenstand im Verfahren über die Aufhebung der Vollziehung ist identisch mit dem des Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung.

3. Der (selbständige) Antrag der Antragstellerin zu 4 ist unzulässig.

Aussetzung der Vollziehung eines einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheids kann nur derjenige beantragen, gegen den sich der angefochtene Feststellungsbescheid richtet oder der selbst klagebefugt ist (BFH-Beschluß vom 22. Januar 1991 X S 1/91, BFH/NV 1991, 430; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Rdnr. 17). Die Antragstellerin zu 4 ist weder Adressatin des Feststellungsbescheides, noch ist sie klagebefugt.

Die Antragstellerin zu 4 ist aus der Umwandlung gemäß § 46ff. UmwG der P-KG hervorgegangen. Mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister ist die P-KG voll beendet. Die Klagebefugnis der P-KG in Sachen Gewinnfeststellung ist damit entfallen. Die Antragstellerin zu 4 tritt nicht in die gesetzliche Prozeßstandschaft der P-KG gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO ein (vgl. BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520; vom 27. April 1988 II R 201/84, BFHE 153, 208, BStBl II 1988, 681). Als Rechtsnachfolger im weiten Sinn der P-KG werden im Verfahren über die Gewinnfeststellung nur die durch den Gewinnfeststellungsbescheid beschwerten Personen angesehen. Das sind die bis zur Umwandlung an der P-KG Beteiligten (BFH-Urteil vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326; im Grundsatz ebenso BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15). Der VIII.Senat hat allerdings für die Aussetzung der Vollziehung eine Ausnahme zugelassen, wenn die Rechtsnachfolgerin Gesellschafterin der umgewandelten Personenhandelsgesellschaft war (vgl. Beschluß vom 23. Dezember 1988 VIII S 27/85, BFH/NV 1989, 528). Da die Antragstellerin zu 4 nach den Angaben in der Feststellungserklärung 1983 nicht Gesellschafterin der P-KG war, können diese Überlegungen nicht auf den Streitfall übertragen werden.

B. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung in Sachen Feststellungsbeteiligte ist begründet. Da damit (vorläufig) jegliche Zurechnung von Gewinnanteilen bei den Antragstellern zu 1 bis 3 entfällt, ist über die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der unterlassenen Feststellung eines tarifbegünstigten Umwandlungsgewinns bestehen, nicht mehr zu entscheiden.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung einer Tatfrage bewirken (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Da im Streitjahr 1983 die D-GmbH zivilrechtlich Gesellschafterin der P-KG war, können die Antragsteller zu 1 bis 3 nur dann Feststellungsbeteiligte sein, wenn ein Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 mit der Rechtsfolge vorliegt, daß steuerlich die Antragsteller zu 1 bis 3 anstelle der D-GmbH als Mitunternehmer zu behandeln sind. Dies ist aus materiellen und formellen Gesichtspunkten ernstlich zweifelhaft.

1. Nach § 42 Satz 1 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426, m.w.N.).

Unangemessen ist im allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541 m.w.N.). Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Rechtsgestaltungen sind hingegen umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt u. ä. (vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1337). Unter Anlegung dieses Maßstabs kann die im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung in ihrer Gesamtheit als unangemessen beurteilt werden, denn ihr objektiv feststellbares Ziel war letztlich nur, den Antragstellern zu 1 bis 3 wirtschaftlich den Gewinn der P-KG zukommen zu lassen. Dieses wirtschaftliche Ergebnis wäre auf einfachste Weise bei Aufrechterhaltung der Mitunternehmerstellung der Antragsteller zu 1 bis 3 bei der P-KG zu erreichen gewesen.

Löst man allerdings die Gesamtgestaltung in die Einzelkomponenten auf, so ist festzustellen, daß nur Teile hiervon unangemessen sind. So ist die Übertragung von Mitunternehmeranteilen auf eine Kapitalgesellschaft allein grundsätzlich keine unangemessene Rechtsgestaltung. Dem Steuerpflichtigen steht es im Grundsatz frei, seine steuererheblichen Aktivitäten als Einzelunternehmer, Mitunternehmer oder durch eine Kapitalgesellschaft, an der er beteiligt ist, auszuüben. Für die zuletzt genannte Alternative sieht das Gesetz eine Besteuerung der Gewinne der Kapitalgesellschaft (vgl. § 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) und letztlich bei den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft - unabhängig von der Beteiligungsquote - vor (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Dementsprechend hatte auch die D-GmbH die Mitunternehmergewinne der P-KG zu versteuern. Die Tatsache, daß die Antragsteller zu 1 bis 3 damit unmittelbar keine Mitunternehmergewinne nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mehr zu versteuern hatten, liegt in der Systematik der selbständigen Besteuerung der Körperschaft. Ihr liegt grundsätzlich kein Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 zugrunde. Es bestehen daher ernstliche Zweifel, ob es, wovon das FG ausgegangen ist, bezüglich der Übertragung der Mitunternehmeranteile auf die D-GmbH überhaupt besonderer außersteuerlicher Gründe bedarf. Die Prüfung der Frage, ob ausnahmsweise etwas anderes gelten muß, wenn die Kapitalgesellschaft nach der Gesamtkonzeption keinerlei wirtschaftliche Aktivitäten entwickeln soll, muß dem Verfahren in der Hauptsache vorbehalten bleiben.

Isoliert betrachtet ist auch die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die im Privatvermögen gehalten werden, kein Gestaltungsmißbrauch, wenn die Veräußerungsgewinne mangels wesentlicher Beteiligung nicht besteuert werden können. Das Gesetz erfaßt bewußt (vgl. § 17 Abs. 1 EStG) Gewinne, die anläßlich der Veräußerung von Kapitalanteilen entstehen, erst ab einer Beteiligung von mehr als 1/4. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, daß diese Besteuerungslücke bei geringeren Beteiligungsquoten grundsätzlich nicht über § 42 AO 1977 geschlossen werden darf.

Eine unangemessene Rechtsgestaltung kann sich allerdings im Streitfall daraus ergeben, daß die Antragsteller zu 1 bis 3 zur Vermeidung einer Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Anteile an der D-GmbH zum Zweck der Liquidation an die F-GmbH & Co. KG veräußert haben, obgleich eine Liquidation durch die Antragsteller selbst unter Berücksichtigung der Tatsache nahelag, daß die D-GmbH - mangels Geschäftsbetrieb - nur über Barvermögen verfügte. In einem vergleichbaren Fall hat es der Senat unter Berücksichtigung der in der Literatur hierzu vertretenen Auffassungen abgelehnt, diese Rechtsfrage im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung endgültig zu entscheiden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Beschluß des Senats in BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426 Bezug genommen. Aus den dort genannten Gründen bestehen daher auch im Streitfall ernstlich materielle Bedenken am Vorliegen eines Gestaltungsmißbrauchs.

2. Eine Aufhebung der Vollziehung ist ferner auch aus formellen Gründen geboten, weil ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die Konsequenzen eines ggf. zu bejahenden Gestaltungsmißbrauchs im Verfahren zur Feststellung der Gewinne der P-KG zu ziehen sind.

Gemäß § 42 Satz 2 AO 1977 entsteht ein Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Die Besonderheit der streitgegenständlichen Rechtsgestaltung liegt darin, daß Teile der Gesamtgestaltung, insbesondere die Gründung der D-GmbH und die Übertragung der Mitunternehmeranteile auf die D-GmbH isoliert betrachtet, wie dargelegt, nicht unangemessen sind. Es ist daher nicht mit der notwendigen Gewißheit auszuschließen, daß nur der Teil der Gesamtgestaltung, der (möglicherweise) ausschließlich der Vermeidung der aus § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG resultierenden Rechtsfolge diente, unangemessen ist. Der Steueranspruch, der sich aus § 42 Satz 2 AO 1977 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergibt, richtet sich grundsätzlich unmittelbar gegen die Antragsteller zu 1 bis 3 und deren Ehefrauen. Einer Feststellung, daß die Antragsteller zu 1 bis 3 Mitunternehmer der P-KG sind, bedarf es zur Verwirklichung der Rechtsfolge des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG daher nicht.

Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aufhebung der Vollziehung der Folgebescheide zu entscheiden (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 6 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419580

BFH/NV 1994, 684

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