Entscheidungsstichwort (Thema)

Progressiver ESt-Tarif nicht verfassungswidrig; Steuerschulden erhöhen nicht Existenzminimum

 

Leitsatz (NV)

  1. Eine NZB ist nicht ordnungsgemäß begründet, wenn lediglich behauptet wird, die entscheidungserhebliche Norm (hier: § 32a EStG) sei verfassungswidrig. Der progressive ESt-Tarif ist auch offenkundig verfassungsgemäß.
  2. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, das Existenzminimum (Grundfreibetrag) wegen Steuerschulden aus früheren Veranlagungszeiträumen zu erhöhen.
 

Normenkette

EStG § 32a; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Rechtswidrigkeit der Vorentscheidung rügen, kommt eine Revisionszulassung schon dem Grunde nach nicht in Betracht. Die in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe sind abschließend. Soweit die Kläger Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO) geltend machen, entspricht ihre Beschwerdebegründung nicht den von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO gestellten Anforderungen.

Eine Rechtsfrage hat nur dann grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem Revisionsverfahren auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―; vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnrn. 8 ff., m.w.N.). Der Beschwerdeführer muss daher in der Beschwerdebegründung, in der er die grundsätzliche Bedeutung darlegen muss, darauf eingehen, inwieweit die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage der Klärung bedarf. Die bloße Behauptung, die vom FG angewendete Vorschrift (hier: progressiver Verlauf der Einkommensteuer) sei verfassungswidrig, genügt nicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 62). Es ist auch nicht offenkundig, dass ein progressiv verlaufender Einkommensteuertarif verfassungswidrig sein könnte. Letztlich berücksichtigt er nur die mit höherem Einkommen steigende Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (sog. vertikale Steuergerechtigkeit, vgl. z.B. Beschlüsse des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84 u.a., BStBl II 1990, 653, 659, und vom 3. Mai 1995 1 BvR 1176/88, BStBl II 1995, 758).

Die Kläger verkennen ferner, dass nach dem eindeutig im Gesetz zum Ausdruck gelangten Willen des Gesetzgebers die Einkommensteuer auf das im jeweiligen Veranlagungszeitraum erzielte Einkommen erhoben wird und bei steigendem Einkommen eine höhere steuerliche Belastung eintreten soll. Eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen, die diesem gesetzgeberischen Ziel widersprechen, wäre rechtswidrig.

Soweit die Kläger Abweichung von Entscheidungen des BVerfG rügen, hätten sie nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. die Entscheidungen des BVerfG mit Datum und Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichnen müssen, von denen das FG ihrer Auffassung nach abgewichen ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 63, m.w.N.). Sollten sich die Kläger auf die Entscheidung des BVerfG zur Steuerfreiheit des Existenzminimums in BStBl II 1990, 653 berufen wollen, so bleibt darauf hinzuweisen, dass danach zwar das Existenzminimum im Rahmen der jährlichen Steuerfestsetzung steuerfrei bleiben muss. Einen Rechtssatz, wonach im Jahr der Zahlung von Steuerschulden das steuerfrei zu belassende Existenzminimum um die Steuerschulden aus den Vorjahren zu erhöhen ist, hat das BVerfG aber nicht aufgestellt. Im Übrigen übersehen die Kläger, dass sie die geschuldete Einkommensteuer bereits im jeweiligen Veranlagungszeitraum in Form von Einkommensteuervorauszahlungen gemäß § 37 des Einkommensteuergesetzes hätten entrichten müssen.

Im Übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510046

BFH/NV 2001, 34

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