Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Divergenz; Anforderungen an die Rüge übergangener Beweisanträge

 

Leitsatz (NV)

  1. Hat das FG einen Rechtssatz gebildet, der von einer Entscheidung des BFH abweicht, führt dies nur dann zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO, wenn die Möglichkeit besteht, daß das Urteil des FG auf der Grundlage der divergierenden Auffassung des BFH anders ausgefallen wäre. An der Möglichkeit fehlt es, wenn das FG den Rechtssatz im weiteren Verlauf seiner Urteilsgründe zur Angleichung an die Entscheidung des BFH eingeschränkt sowie die Voraussetzungen der Einschränkung geprüft und verneint hat.
  2. Zur ordnungsgemäßen Rüge, das FG habe Beweisanträge übergangen, reicht die bloße Behauptung, in der mündlichen Verhandlung die Nichterhebung der angebotenen Beweise gerügt zu haben, nicht aus. Gibt die Sitzungsniederschrift zu diesem Punkt nichts her, muß vielmehr weiter vorgetragen werden, daß die Protokollierung der Rüge verlangt und - im Falle einer Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen - eine Protokollberichtigung beantragt worden ist.
 

Normenkette

FGO §§ 94, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 160 Abs. 4, §§ 164, 295 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 4. Oktober 1991 vereinbarten die Sparkasse X, deren in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betriebene Grundstücksgesellschaft (im folgenden: GS) und die Y-GmbH, planen und bauen (im folgenden: Y), daß die GS und die Y auf einem bestimmten Grundstück der Sparkasse gemeinsam ein Wohn- und Geschäftshaus errichten werden, das in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt werden solle. Weiter war vorgesehen, daß die Sparkasse eine als Anlage beigefügte Teilungserklärung beurkunden lassen und die Teilung beim Grundbuchamt beantragen werde. Die Y übernahm es, die Abgeschlossenheitsbescheinigung und die Baugenehmigung zu beantragen. Sodann hieß es, nach Beurkundung der Teilungserklärung werde die Sparkasse einen Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan näher bezeichneten Teileigentumseinheit an die GS und die restlichen Miteigentumsanteile "an die von der Y zu benennenden Wohnungskäufer" verkaufen. Bauplanung, Auftragsvergabe und Bauleitung wurden der Y übertragen. Diese hatte ab Baubeginn den auf dann noch nicht benannte Käufer entfallenden Kaufpreis gegenüber der Sparkasse vorzulegen. In Vollzug dieses Vertrages nahm die Sparkasse die Grundstücksteilung vor und holte die Y die Baugenehmigung ein.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 4. Dezember 1991 erwarb die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) von der Sparkasse einen näher bezeichneten Miteigentumsanteil "verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 im ersten Geschoß, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Bad" zum Preis von 11 914 DM. In § 6 des Vertrages hieß es, die Sparkasse beabsichtige, acht weitere Miteigentumsanteile nebst Sondereigentum zu veräußern, so daß eine Eigentümergemeinschaft von 10 Personen bestehen werde. Gemäß § 7 verpflichteten sich die Vertragspartner, gemeinsam mit anderen Miteigentümern das Gebäude zur Entstehung des in der Teilungserklärung beschriebenen Sonder- und Gemeinschaftseigentums zu erstellen, wobei die weitere Planung Sache der Beteiligten sei.

Am selben Tag schloß die Klägerin mit der Y einen Vertrag über die Errichtung der bereits im Grundstückskaufvertrag bezeichneten Eigentumswohnung zum Festpreis von 233 086 DM.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) nahm an, die Klägerin habe als einheitlichen Leistungsgegenstand eine fertige Eigentumswohnung erworben, und setzte mit Bescheid vom 1. Juni 1992 bei einer Bemessungsgrundlage von 245 000 DM die Grunderwerbsteuer auf 4 900 DM fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin vorgetragen hatte, die Initiative für das Bauvorhaben sei nicht von der Sparkasse oder der Y, sondern von den heutigen Eigentümern ausgegangen, die sich alle untereinander gekannt hätten, und deshalb sei die Steuer auf 238 DM herabzusetzen, blieben erfolglos.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, das Finanzgericht (FG) sei von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. September 1989 II R 28/87 (BFHE 158, 139, BStBl II 1989, 986) abgewichen (a) und habe einen Beweisantrag übergangen (b). Außerdem sei die Sache von grundsätzlicher Bedeutung (c). Dazu trägt sie vor:

a) In der genannten Entscheidung habe der BFH für maßgebend gehalten, was die Vertragsparteien mit Rechtsfolgewillen vereinbart hätten, und den Erwerb fertiger Eigentumswohnungen als einheitlichen Leistungsgegenstand verneint, wenn eine kleine, durch persönliche Beziehungen verbundene Gruppe von sich aus initiativ werde, den Plan fasse, ein Bauvorhaben mit einem bestimmten Aufwand zu errichten, dafür ein Grundstück suche und dann den Bau selber in Auftrag gebe. Davon sei das FG mit dem Rechtssatz abgewichen, bei Aufteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz sei trotz getrennter Verträge über den Erwerb des Miteigentumsanteils am Grundstück und über die Errichtung des Gebäudes Erwerbsgegenstand zwingend die fertige Eigentumswohnung, weil eine Eigentumswohnung nicht für sich allein, sondern nur durch Errichtung des ganzen Gebäudes hergestellt werden könne.

b) Bereits in der Klageschrift sei Zeugenbeweis für die Behauptung angeboten worden, die Y habe, solange die Vertragsverhandlungen zwischen den heutigen Eigentümern und der Sparkasse andauerten, die notwendigen baubehördlichen Angelegenheiten aus Freundschaft des Geschäftsführers zu ihnen sowie wegen der Anwesenheit vor Ort, abgewickelt. In der mündlichen Verhandlung sei das Unterlassen der Beweiserhebung ausdrücklich gerügt worden. Wäre der Beweis erhoben worden, hätte sich ergeben, daß die Initiative für das Bauvorhaben von der Personengruppe um die Klägerin ausgegangen sei und daß deren Absichten durch einen Freund der Gruppe über dessen Firma, die Y, verwirklicht worden seien.

c) Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage, ob die Belastung sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit Grunderwerbsteuer zulässig sei. Dazu verweist die Klägerin auf die Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 15. September 1998 VII (III) 371/92 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1999, 443).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

a) Die von der Klägerin zitierten Rechtssätze des FG und des BFH ergeben keine entscheidungserhebliche Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Eine Abweichung abstrakter Rechtssätze beider Gerichte führt nur dann zur Zulassung der Revision, wenn die Möglichkeit besteht, daß das Urteil des FG auf der Grundlage der divergierenden Ansicht des BFH anders ausgefallen wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Mai 1995 II B 10/95, BFH/NV 1995, 1044). Diese Möglichkeit besteht aber nur dann, wenn es sich bei dem herausgestellten abstrakten Rechtssatz des FG um einen tragenden Rechtssatz seiner Entscheidung handelt. Dies trifft auf den von der Klägerin wiedergegebenen Rechtssatz aus der Vorentscheidung nicht zu. Das FG hat diesen Rechtssatz nämlich unmittelbar anschließend im nächsten Absatz dahin eingeschränkt, daß es denkbar sei, daß sich die Erwerber sämtlicher Miteigentumsanteile eines noch unbebauten Grundstücks zu einer Bauherrengemeinschaft zusammenschließen und gemeinsam das gesamte Gebäude errichten. Die Voraussetzungen dieser Einschränkung, die dem wiedergegebenen Rechtssatz aus der genannten BFH-Entscheidung entspricht, hat es sodann verneint. Der um diese Einschränkung verkürzte Rechtssatz des FG ist somit für die Entscheidung nicht tragend gewesen; wird er aber um diese Einschränkung ergänzt, fehlt es bereits an einer Abweichung.

b) Die Rüge des Verfahrensmangels genügt nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Das Übergehen eines Beweisantrages kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt hat, obwohl dort zu erkennen war, daß das Gericht den Beweis nicht erheben werde (vgl. BFH-Beschluß vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372). Demgemäß gehört zu einer ordnungsgemäßen Rüge, das FG habe Beweisanträge übergangen, u.a. die Darlegung, daß die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden sei oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem habe gerügt werden können. Dazu reicht die bloße Behauptung, in der mündlichen Verhandlung sei die Nichterhebung des angebotenen Beweises beanstandet worden, nicht aus. Da sich dazu aus dem Sitzungsprotokoll nichts ergibt, wäre weiter erforderlich gewesen vorzutragen, in der mündlichen Verhandlung eine Protokollierung der Rüge verlangt und ―im Fall einer Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen― eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 der Zivilprozeßordnung (ZPO) beantragt zu haben (vgl. BFH-Entscheidungen vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562, sowie vom 14. September 1993 VIII R 84/90, BFHE 174, 233, BStBl II 1994, 764). Dies ist nicht geschehen.

c) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist erst nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO geltend gemacht worden. Insoweit ist die Beschwerde unzulässig. Wie sich aus § 115 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO ergibt, ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Einmonatsfrist nicht nur einzulegen, sondern auch zu begründen. Nach Ablauf der Beschwerdefrist ist nur noch eine Erläuterung und Vervollständigung rechtzeitig geltend gemachter Zulassungsgründe möglich (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610). Nach Ablauf der Beschwerdefrist erstmals geltend gemachte Zulassungsgründe können nicht mehr berücksichtigt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424788

BFH/NV 2000, 582

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