Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH bei behaupteter atypisch stiller Gesellschaft; Vorgesellschaft; Feststellungsfrist nach Steuerhinterziehung bei einheitlicher Gewinnfeststellung; Schätzung wegen entwendeter Unterlagen

 

Leitsatz (NV)

1. Behauptet der Antragsteller im Rahmen eines PKH-Antrages das Zustandekommen einer atypisch stillen Gesellschaft, so muß er den Abschluß und den Inhalt eines Gesellschaftsvertrages schlüssig dartun und geeignete Beweismittel benennen.

2. Zu einer eigenmächtigen Erhöhung seiner Einlagen ist der atypisch stille Gesellschafter nicht berechtigt. Regelmäßig bleibt das ursprüngliche Verhältnis der Einlagen für die Gewinnverteilung maßgebend.

3. Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung verlängert sich die Feststellungsfrist infolge einer Steuerhinterziehung gegenüber denjenigen Gesellschaftern, denen die verkürzten Gewinne oder überhöhten Verluste zugerechnet worden sind. Die verlängerte Verjährungsfrist greift nur bezüglich der hinterzogenen Beträge ein. Unerheblich ist, wer die Steuerhinterziehung begangen hat.

4. Die Besteuerungsgrundlagen sind im Schätzungswege festzustellen, unabhängig davon, aus welchen Gründen die erforderlichen Unterlagen und Aufzeichnungen für Zwecke der Besteuerung nicht vorgelegt werden können.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 140, 162 Abs. 1-2, § 169 Abs. 2 S. 2, § 171 Abs. 5, § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 181 Abs. 1, 3 S. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 707, 722 Abs. 2; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; EStG § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2; EGAO Art. 97 § 10; FGO § 58 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 2, § 142; GmbHG § 11 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 41; HGB § 230 Abs. 1, § 238 Abs. 1; RAO § 144 Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 Abs. 1, § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 S. 4

 

Tatbestand

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich im Hauptverfahren gegen im Anschluß an eine 1985 begonnene Prüfung der Steuerfahndungsstelle (Fahndungsbericht vom 18. November 1988) erlassene geänderte einheitliche Feststellungsbescheide für die Streitjahre 1976 bis 1978, 1979 bis 1983 und den für 1984 mangels Abgabe einer Feststellungserklärung im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erlassenen Feststellungsbescheid.

Den Antrag des Klägers, ihm für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und Steuerberater A beizuordnen, hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 23. Juli 1993 wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Für das hiergegen angestrebte Beschwerdeverfahren hat der Kläger ebenfalls unter Beifügung einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 19. August 1993 Gewährung von PKH und die Beiordnung von Steuerberater A als Prozeßbevollmächtigten beantragt. Er trägt vor, er verfüge entgegen der auf die unbewiesenen Annahmen der Steuerfahndung gestützten Behauptungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) über kein verwertbares bzw. einsetzbares Vermögen.

Das FG übernehme die unbewiesenen Behauptungen und Vermutungen des FA. Es habe Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt, weil es vor Erlaß seiner Entscheidung ihm nicht Gelegenheit gegeben habe, zu dessen Sachwürdigung und Rechtsansichten Stellung zu nehmen. Es hätte PKH bewilligen müssen, da sowohl schwierige und ungeklärte Sach- als auch Rechtsfragen und zusätzlich besondere Umstände in seiner Person vorlägen. Es fehle an der Feststellung der einzelnen Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung, so daß die verjährten Besteuerungszeiträume "aus dem Rechtsstreit herausfielen".

Würden die Einlagen der weiteren Gesellschafter steuerrechtlich nicht anerkannt, weil sie von ihm persönlich erbracht worden seien, so müsse sein Kapital entsprechend aufgestockt und ihm höhere Verluste zugewiesen werden. Anderenfalls müßten die nachweislich für die Entwicklung verbrauchten Beträge als Sonderbetriebsausgaben erfaßt werden. Auf jeden Fall sei danach die gesamte Gewinnverteilung zu ändern.

Eine Schätzung für 1984 habe das FA nicht vornehmen dürfen. Er werde an der Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten durch seine Inhaftierung und durch Aktenwegnahme bzw. anschließenden Aktendiebstahl gehindert. Er habe die Akten zwar seinerzeit beiseite geschafft, nicht jedoch vernichtet. Sein Sachvortrag sei deshalb als wahr zu unterstellen. Das FG müsse die "Aktenstehler" als Zeugen befragen. Er sei verhandlungsunfähig und überdies durch das "Tätigkeitsverbot" der Justizvollzugsanstalt gehindert, seinen Prozeß zu führen.

Das FA tritt der Bewilligung von PKH entgegen.

Es hat von sich aus auf die Feststellungen der Steuerfahndung im Verhandlungsbericht zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers hingewiesen. Danach habe der Kläger über erhebliches Geldvermögen bei der D-Bank im Ausland verfügt, ohne die Verwendung bzw. den Verbleib bisher nachvollziehbar belegt zu haben. Im Klageverfahren vor dem FG habe er zudem vorgetragen, Eigentümer einer Eigentumswohnung zu sein.

Darüber hinaus fehle der Beschwerde die hinreichende Aussicht auf Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

1. a) Der Antrag auf PKH für das dem Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) unterliegende Beschwerdeverfahren ist zulässig (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. Januar 1988 X B 97/87, BFH/NV 1990, 153 m. w. N.).

b) Der Kläger leitet seine Verhandlungsunfähigkeit aus den für ihn als Strafgefangenen bestehenden sowie den zusätzlich angeordneten Beschränkungen ab. Der Senat versteht dieses Vorbringen nicht in dem Sinne, daß der Kläger von Anfang an oder während der Gerichtsverfahren i. S. des § 58 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) prozeßunfähig wäre, mit der Folge, daß nicht nur eine Sachentscheidungsvoraussetzung fehlte, sondern aufgrund einer mangelnden Prozeßhandlungsvoraussetzung, die ohne gesetzliche Vertretung vorgenommenen Prozeßhandlungen unwirksam wären (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1977 VII R 42/74, BFHE 121, 385, BStBl II 1977, 434, 436 m. w. N.). Vielmehr will der Kläger lediglich geltend machen, er sei in der Wahrnehmung prozessualer Möglichkeiten durch außerhalb seiner Person liegende Umstände behindert.

2. Der Antrag des Klägers ist jedoch unbegründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO -- i. V. m. § 142 FGO).

a) Der Senat läßt dahingestellt, ob die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen (§ 114 Satz 1 ZPO i. V. m. § 142 FGO), wonach eine Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufzubringen in der Lage sein darf, erfüllt sind.

b) Die Gewährung von PKH setzt in tatsächlicher Hinsicht voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO i. V. m. § 142 Abs. 1 und 2 FGO).

Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, wenn bei summarischer Prüfung die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als aussichtslos erscheint, also eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein vollständiges oder zumindest teilweises Obsiegen des Antragstellers besteht. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (BFH-Beschluß vom 5. Februar 1993 VIII B 103/92, BFH/NV 1993, 351, 352 m. w. N.).

Bei der Entscheidung, ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als hinreichend anzusehen, wenn die für und gegen einen Erfolg sprechenden Gründe als gleichwertig einzustufen sind. Bei der Abwägung dieser Umstände darf noch keine abschließende Prüfung vorgenommen werden (BFH/NV 1993, 351, 352; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 13. März 1990 2 BvR 94/88 u. a., BVerfGE 81, 347, 357).

3. a) Der Senat läßt offen, ob das FG den Nachweis der persönlichen Bedürftigkeit trotz fehlender Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO unter Rückgriff auf Unterlagen und Kenntnisse aus anderen selbständigen Verfahren als erbracht ansehen durfte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Mai 1990 VII S 28/89, BFH/NV 1991, 336; vom 9. Januar 1991 III S 10/90, BFH/NV 1991, 836).

b) Die Beschwerde hat -- auch unter Berücksichtigung des von dem fachkundigen Kläger eingereichten Vortrags -- keine hinreichenden Erfolgsaussichten (vgl. auch den BFH-Beschluß vom 29. April 1991 IV B 165/90, BFH/NV 1992, 388 zur Gewährung von PKH bei behaupteter atypischer stiller Gesellschaft).

Hinreichende Erfolgsaussichten fehlen bereits deshalb, weil der Kläger das Vorliegen einer atypisch stillen Beteiligung lediglich behauptet, jedoch in keiner Weise substantiiert dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht hat (BFH-Beschluß vom 26. April 1993 VI B 162/92, BFH/NV 1993, 682).

aa) Eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung ist bereits bei Zweifeln durchzuführen, ob mehrere Beteiligte an denselben Einkünften beteiligt sind (§§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung -- AO 1977 --; BFH-Urteil vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239).

Unerheblich ist, ob sich mehrere stille Gesellschafter nebeneinander an denselben Unternehmen beteiligen oder ob die stillen Gesellschafter ihrerseits -- zusätzlich -- untereinander gesellschaftsrechtlich verbunden sind (BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1985 IV B 30/85, BFHE 144, 395, BStBl II 1986, 68; Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 7. November 1988 II ZR 46/88, BGHZ 106, 7, 10; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 1550; Fichtelmann, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Still im Steuerrecht, 3. Aufl., S. 10).

bb) Die stille Gesellschaft setzt als Gesellschaft einen Gesellschaftsvertrag voraus (vgl. BGH-Urteil vom 26. Juni 1989 II ZR 128/88, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1990, 573; BFH-Urteil vom 10. Februar 1978 III R 115/76, BFHE 124, 374, BStBl II 1978, 256). Dieser kann regelmäßig formfrei und auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen (Paulick/Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 4. Aufl., S. 147, 347; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 52. Aufl., § 705 Tz. 4).

Die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters leitet sich allein aus dem Gesellschaftsvertrag ab. In diesem ist die Beteiligung nach Art, Umfang und Höhe festzulegen und zu bestimmen, ob sie sich auf Gewinn und Verlust, nur den Gewinn oder auch auf das Gesellschaftsvermögen erstrecken soll (vgl. Karsten Schmidt, a.a.O., S. 1545; Paulick/Blaurock, a.a.O., S. 77, 78, 137 und 138). Berufen sich Gesellschafter auf mündliche Abreden, so müssen sie dartun und beweisen, daß diese tatsächlich getroffen und vollzogen worden sind (Paulick/Blaurock, a.a.O., S. 347).

Nach § 230 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) ist stiller Gesellschafter, wer sich an einem Handelsgewerbe, das ein anderer betreibt, mit einer Vermögenseinlage beteiligt, wobei die Einlage so zu leisten ist, daß sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäftes übergeht. Außerdem muß der stille Gesellschafter -- wie jeder Gesellschafter einer Personengesellschaft -- den anderen Gesellschaftern partnerschaftlich gleichberechtigt gegenüberstehen und am Gewinn des Unternehmens beteiligt sein (BFH-Urteile vom 26. Juni 1990 VIII R 81/85, BFHE 161, 472, 476; vom 7. Dezember 1983 I R 144/79, BFHE 140, 275, BStBl II 1984, 373, 374). Als gewerbliche Einkünfte sind die Einkünfte aus einer solchen Beteiligung nur zu behandeln, wenn eine Gesellschaft vorliegt, bei welcher die stillen Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --; BFH-Urteile vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BFHE 170, 345, 349; vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, 313). Die Beteiligung eines Stillen am Verlust kann ausgeschlossen werden. Fehlt eine vertragliche Bestimmung des Verlustanteils, ist diese im Zweifel gleich dem Gewinnanteil zu bemessen (vgl. § 722 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --; Paulick/Blaurock, a.a.O., S. 106).

Zur Erhöhung der Einlage ist ein Gesellschafter nach § 707 BGB weder verpflichtet noch eigenmächtig berechtigt (vgl. Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 28. Aufl., § 109 A 4). Durch Beitragserhöhungen werden die Rechte in der Gesellschaft -- zumindest für den Fall der Auseinandersetzung -- gestärkt. Grundsätzlich bestimmt der Gesellschaftsvertrag, ob und welche Beiträge zu leisten sind. Zu einer Erhöhung ist ein einvernehmlicher Beschluß der Gesellschafter erforderlich (Palandt, a.a.O., § 707 Tz. 1; Paulick/Blaurock, a.a.O., S. 82). Sollten sich die Gewinnanteile nach den Einlagen richten, so bleibt das ursprüngliche Verhältnis regelmäßig maßgebend, auch wenn erhöhte Einlagen später in einem anderen Verhältnis zum Gesamt-Geschäftsvermögen stehen (Baumbach/Duden/Hopt, a.a.O., § 231 I 1).

cc) Der Kläger hat auch im Hinblick auf den ablehnenden Beschluß des FG vom 23. Juli 1993 keine Veranlassung gesehen, seine Behauptung, zwischen der X-GmbH und weiteren Beteiligten hätten jeweils atypische stille Gesellschaften bestanden, hinreichend schlüssig darzutun und Beweismittel anzugeben (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Er ist nicht nur kraft Vorbildung und einschlägiger beruflicher Betätigung fachkundig, sondern verfügt als ehemaliger Steuerberater der X-GmbH und der weiteren angeblich Beteiligten zudem im wesentlichen über die notwendigen tatsächlichen Kenntnisse.

Das FG hat deshalb zu Recht im Rahmen der lediglich summarischen Prüfung die erforderliche Wahrscheinlichkeit von atypischen stillen Gesellschaften jeweils zwischen dem Kläger zu 2, den Beigeladenen zu 1 und 2 und der X-GmbH verneint. Es fehlt nicht nur der hinreichend substantiierte Vortrag der Mindestvoraussetzungen solcher stillen Gesellschaften, sondern vor allem auch eine glaubhafte Darstellung, wer für die X-GmbH mit Vertretungsmacht aufgetreten sein soll. Der Kläger war in den Streitjahren nicht vertretungsberechtigt für die X-GmbH (vgl. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -- GmbHG --); er ist erst im Jahre 1987 zum Generalbevollmächtigten berufen worden.

Ebensowenig kann von einem wirksamen zivil- und steuerrechtlichen Gesellschaftsvertrag zwischen der X-GmbH einerseits und dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 3 sowie dem Kläger andererseits ausgegangen werden. Der Kläger hat nachdrücklich die Auffassung vertreten, der undatierte Vertrag mit der X-GmbH sei nicht rückdatiert worden, sondern tatsächlich unter dem als Vertragsbeginn festgelegten Datum, nämlich am 1. Mai 1976, abgeschlossen worden. Ausgehend von diesem Vortrag des Klägers sind keine Umstände ersichtlich, die im Rahmen einer lediglich summarischen Prüfung zu einer zumindest gleichgewichtigen gegenteiligen Annahme berechtigen könnten. Das FG hat zu Recht auf den vor der späteren, im notariellen Errichtungsvertrag verwendeten abweichenden Bezeichnung der X-GmbH gebrauchten Namen Y-GmbH verwiesen. Fehlende Umsatzsteuer-Voranmeldungen bis zum November 1976 sprechen ebenfalls dafür, daß die GmbH noch nicht rechtswirksam entstanden war.

Zutreffend hat das FG schließlich darauf hingewiesen, daß die erst durch den notariellen Vertrag vom 11. Oktober 1976 entstandene Gründungsgesellschaft mit der durch die nachfolgende Eintragung im Handelsregister am 22. März 1977 entstandene GmbH (vgl. § 11 Abs. 1 GmbHG) rechtlich identisch ist, dies hingegen nicht hinsichtlich der sog. Vorgesellschaft gilt (BFH- Urteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91, 92). Vor dem 11. Oktober 1976 konnte mithin keine atypisch stille Gesellschaft mit Wirkung für und gegen die erst zu diesem Zeitpunkt handels- und steuerrechtlich entstandene X-GmbH wirksam vereinbart werden.

Unbeschadet des für die Feststellungszeiträume 1979 bis 1984 eingreifenden Verbots der Schlechterstellung im finanzgerichtlichen Verfahren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; BFH-Urteil vom 31. Juli 1991 I R 57/90, BFH/NV 1992, 200, 201) gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, daß der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 3 oder der Kläger nach Errichtung der X- GmbH eine wirksame Vereinbarung atypisch stiller Gesellschaften nachgeholt hätten. Der Kläger hat insbesondere die notwendigen gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen bezüglich der von ihm als Steuerberater der X-GmbH vorgenommenen Einbuchungen weiterer Einlagen nicht schlüssig dargetan.

dd) Ebensowenig hat der Kläger tatsächlich oder rechtlich erhebliche Einwendungen hinsichtlich der vom FG bejahten Voraussetzungen für eine infolge der vom Kläger begangenen Steuerhinterziehung verlängerten Verjährungsfrist vorgetragen.

Für den Feststellungszeitraum 1976 gelten gemäß Art. 97 § 10 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) noch die Vorschriften der Reichsabgabenordnung (AO) über die Verjährung. Nach der AO gab es keine eigenständige Verjährungsregelung für gesonderte Feststellungen, vielmehr richtete sich die Verjährung nach derjenigen der Folgesteuer (Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 181 Anm. 1). Für die Einkommensteuer als Folgesteuer betrug die Verjährungsfrist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 AO fünf Jahre, bei hinterzogenen Steuern zehn Jahre. Ab 1977 läuft nach § 181 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 eine selbständige Feststellungsfrist (BFH- Urteil vom 4. April 1989 VIII R 265/84, BFHE 156, 371, BStBl II 1989, 593), auf die die Verjährungsvorschriften sinngemäß anzuwenden sind (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977).

Für alle Streitjahre galt die verlängerte Verjährungsfrist freilich nur hinsichtlich derjenigen Beträge, die hinterzogen worden sind (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, "soweit").

Die Festsetzungsfrist wird nur gegenüber demjenigen Steuerpflichtigen verlängert, der die verkürzte Steuer schuldet. Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung verlängert sich die Festsetzungsfrist gegenüber denjenigen Gesellschaftern, denen die verkürzten Gewinne oder überhöhten Verluste zugerechnet worden sind (BFH-Urteil vom 1. August 1968 IV R 177/66, BFHE 93, 239, BStBl II 1968, 740; Urteil des FG des Saarlandes vom 11. Dezember 1985 I 51/85, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1986, 158; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 169 AO 1977 Tz. 8 a. E.).

Hinsichtlich der verkürzten Beträge müssen die nach den Grundsätzen der FGO festzustellenden objektiven und subjektiven Merkmale des § 370 AO 1977 vorliegen (BFH-Urteil vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36, 40 m. w. N.); unerheblich ist, wer die Hinterziehung begangen hat. Das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale ist nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften der AO 1977 und der FGO, nicht nach der Strafprozeßordnung zu beurteilen, so daß für die Feststellung einer Steuerhinterziehung kein höherer Grad von Gewißheit erforderlich ist als für andere Tatsachen, für die das FA die Feststellungslast trägt.

Der fachkundige Kläger hat sich damit begnügt, lediglich abstrakt die Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung aufzuführen, auf die Feststellungslast des FA hinzuweisen und pauschal zu behaupten, die Auffassung des FG sei falsch.

Selbst wenn der Kläger nicht strafrechtlich wegen dieses Komplexes verurteilt worden ist, sind keine Gründe ersichtlich, die gegen die Annahme einer vom Kläger begangenen Steuerhinterziehung hinsichtlich der Jahre 1976 bis 1979 sprächen. Für die späteren Jahre ist der Ablauf der normalen Feststellungsfrist ohnehin durch die Anfang 1985 begonnene Fahndungsprüfung gehemmt worden (§ 171 Abs. 5 AO 1977). Der steuerrechtlich ausgebildete Kläger war sich über die Voraussetzungen einer atypisch stillen Gesellschaft völlig im klaren. Wie ausgeführt, hatte er jedoch keine Umstände vorgetragen, die die Annahme einer wirksamen atypisch stillen Gesellschaft auch nur wahrscheinlich machten. Unter diesen Umständen bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, daß der Kläger durch Abgabe unrichtiger Feststellungserklärungen sowohl zu seinen Gunsten als auch für die angeblich atypisch Beteiligten schuldhaft ungerechtfertigte Steuervorteile in Gestalt von unberechtigten Verlustzuweisungen erlangt hat (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977).

ee) Da nach der im PKH-Verfahren gegenwärtig erkennbaren Sach- und Rechtslage keine atypisch stillen Gesellschaften mit der X-GmbH zustande gekommen sind, dem FG indessen eine Verböserung verwehrt ist (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), stellt sich die Frage einer weitergehenden Veränderung der Gewinnverteilung zu Gunsten des Klägers nicht, ebensowenig die Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Dezember 1991 XI R 42, 43/88, BFHE 167, 347, BStBl II 1992, 585, 587) bzw. die Berücksichtigung von wertlos gewordenen Rückzahlungsforderungen aus Darlehen, die der Kläger der X-GmbH als atypisch stiller Gesellschafter gewährt hätte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881, 888; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 15 Tz. 84 a cc).

ff) Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen für den Feststellungszeitraum von 1984 ist nach Grund und Höhe zu Recht vom FG nicht beanstandet worden.

Können Bücher oder Aufzeichnungen, die ein Steuerpflichtiger nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorgelegt werden, so hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 Abs. 1 AO 1977). Die X-GmbH als Geschäftsinhaberin traf im Jahr 1984 nach § 238 Abs. 1 HGB, §§ 41 ff. GmbHG die Pflicht, Bücher zu führen und Jahresabschlüsse zu fertigen, und zwar auch für Zwecke der Besteuerung (§ 140 AO 1977, § 5 Abs. 1 EStG). Unerheblich ist, aus welchem Grunde diese Unterlagen nicht vorgelegt werden können (Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO 1977 Tz. 5). Soweit die Ursachen und das Verschulden als das Ergebnis beeinflussende Umstände zu berücksichtigen sind, hat der Kläger weder zur Höhe Einwendungen erhoben noch sind diesbezügliche Anhaltspunkte ersichtlich.

gg) Das FG war, zumal im summarischen Verfahren, in dem keine abschließende Sachentscheidung ergeht und den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, in dem er die objektiven Bewilligungsvoraussetzungen grundsätzlich in der Begründung des Antrags mit eigenen Angaben darlegen muß (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. April 1986 IV B 9/86, BFH/NV 1986, 762; vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149 m. w. N.) nicht gehalten, vorweg die Würdigung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu erörtern.

Eine weitere Sachaufklärung (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 28. November 1990 VII B 126/90, BFH/NV 1991, 549, 550) bot sich im Hinblick auf den unsubstantiierten Vortrag des Klägers nicht an (vgl. auch § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO zur erhöhten Mitwirkungspflicht des Antragstellers im PKH-Verfahren).

hh) Es ist offensichtlich, daß nach der rechtlichen Beurteilung sowohl des FG als auch des erkennenden Senats keine schwierigen, noch nicht geklärten Rechtsfragen abschließend entschieden werden müssen (vgl. dazu auch Beschluß des BVerfG in NJW 1991, 413, 414 m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65056

BFH/NV 1995, 28

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