Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Schlüssige Darlegung von Verfahrensmängeln, Verletzung des rechtlichen Gehörs, abgelehnte Terminsänderung, Unrichtigkeiten im Tatbestand, Verletzung der Sachaufklärungspflicht

 

Leitsatz (NV)

  1. Ist ein Beteiligter nach dem Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung für eine mündliche Verhandlung von zwei Stunden Dauer mit einer enthaltenen zehn- bis fünfzehnminütigen Pause verhandlungsfähig, besteht kein erheblicher Grund für eine Terminsänderung.
  2. Die mangelnde Vorbereitung eines Beteiligten auf die mündliche Verhandlung rechtfertigt grundsätzlich keine Terminsänderung.
  3. Einwendungen gegen die Richtigkeit des Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu rügen, sondern müssen ggf. zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemacht werden.
 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2, §§ 108, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 227 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 19.11.2002; Aktenzeichen 8 K 4498/01)

 

Tatbestand

I. Die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes) durch den Bescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Steuerberaterkammer) wurde vom Finanzgericht (FG) auf Grund mündlicher Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Am Tag vor der mündlichen Verhandlung hatte der Kläger per Telefax die Verlegung des Termins beantragt, wobei er sich auf gesundheitliche Gründe berufen hatte. Eine von Seiten des FG veranlasste amtsärztliche Untersuchung des Klägers führte zu dem Ergebnis, dass die Verhandlungsfähigkeit des Klägers an dem Tag der mündlichen Verhandlung für die Dauer einer Verhandlung von zwei Stunden mit einer enthaltenen zehn- bis fünfzehnminütigen Pause von dem Amtsarzt bejaht wurde. Daraufhin teilte das FG dem Kläger mit, dass dem Antrag auf Terminsverlegung nicht entsprochen werde. Vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung übersandte der Kläger per Telefax weitere Arztberichte sowie Unterlagen zur Klagebegründung, machte geltend, dass die Beibringung weiterer Unterlagen innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht möglich gewesen sei, und bat erneut um Anberaumung eines neuen Termins. Zur mündlichen Verhandlung vor dem FG erschien der Kläger nicht.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, welche er allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) stützt, rügt der Kläger, dass ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem FG kein rechtliches Gehör gewährt worden sei und dass deshalb das FG den maßgeblichen Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt habe. Sowohl der Tatbestand als auch die Entscheidungsgründe des Urteils enthielten in mehrfacher Hinsicht Unrichtigkeiten. So habe das FG in der Urteilsbegründung ausgeführt, dass gegen ihn beim Amtsgericht B ein Strafverfahren anhängig sei. Dies sei unzutreffend. Im Zeitpunkt der Urteilsverkündung durch das FG habe es lediglich ein gegen ihn gerichtetes Ermittlungsverfahren gegeben. Das FG sei daher bei seiner Überzeugungsbildung von einer Sachverhaltsdarstellung ausgegangen, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen werde.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift der vom Kläger als Grund für die Zulassung der Revision geltend gemachte Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt ist, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.

1. Zwar kann die einen Verfahrensmangel darstellende Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs auch in einer unzutreffenden Behandlung eines Antrags auf Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung gesehen werden (§ 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung ―ZPO―; Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 15. Juni 2001 IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579). Im Streitfall hat der Kläger jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass die Ablehnung der von ihm beantragten Terminsverlegung ungerechtfertigt gewesen ist. Nach den Feststellungen des FG, welche es auf Grund einer angeordneten amtsärztlichen Untersuchung des Klägers getroffen hat, war der Kläger am Tag der mündlichen Verhandlung trotz einer Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes grundsätzlich verhandlungsfähig, so dass ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorlag. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten, sondern trägt lediglich vor, es sei dahingestellt, ob seine Verhandlungsfähigkeit am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG gegeben gewesen sei oder nicht. Soweit sich der Kläger darüber hinaus auf vorgelegte Arztberichte und das Attest seines Hausarztes beruft, belegen diese lediglich die vom Kläger geltend gemachten Rückenprobleme, sagen jedoch nichts über seine Verhandlungsfähigkeit aus.

Auch soweit das FG dem Antrag auf Terminsverlegung das Geltendmachen einer mangelnden Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung entnommen, dieses jedoch ebenfalls nicht als einen erheblichen Grund angesehen hat, dem Antrag zu entsprechen, hat der Kläger keinen Verfahrensmangel dargelegt. Nach § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist die mangelnde Vorbereitung einer Partei kein erheblicher Grund für eine Terminsänderung, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt. Das FG hat insoweit festgestellt, dass der Kläger in der Vergangenheit mit zwei gerichtlichen Verfügungen gemäß § 79b FGO aufgefordert worden ist, seine Vermögensverhältnisse darzulegen und entsprechende Belege beizubringen. Wenn das FG unter diesen Umständen eine etwaige mangelnde Vorbereitung des Klägers auf die mündliche Verhandlung als nicht genügend entschuldigt angesehen hat, ist darin kein Verfahrensmangel zu sehen. Die Beschwerde trägt insoweit auch nichts vor; der Kläger macht lediglich geltend, dass er sich stets bemüht habe, Beweismittel beizubringen.

2. Einwendungen gegen die Richtigkeit des im FG-Urteil festgestellten Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren zu rügen, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gemacht werden (BFH-Beschluss vom 7. Mai 1999 IX B 20/99, BFH/NV 1999, 1369). Soweit sich der Kläger mit dem Tatbestand des angefochtenen Urteils auseinander setzt, macht er im Übrigen nicht lediglich Unrichtigkeiten geltend, sondern er greift im Tatbestand wiedergegebenes eigenes Vorbringen auf, welches er bekräftigt bzw. erläutert, und er stellt im Tatbestand bzw. im Sitzungsprotokoll wiedergegebenes Vorbringen der Steuerberaterkammer als unzutreffend dar. Dass damit keine Gründe für die Zulassung der Revision dargelegt werden können, bedarf keiner weiteren Begründung (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

3. Sofern der Kläger geltend macht, dass das FG seine Überzeugung auf der Grundlage eines unvollständig ermittelten Sachverhalts gebildet und damit seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt habe, weil die Ausführungen in den Urteilsgründen hinsichtlich eines gegen ihn anhängigen Strafverfahrens falsch seien, ist ein Verfahrensmangel schon nicht in ausreichender Weise dargelegt, weil das Beschwerdevorbringen offensichtlich nicht zutreffend ist. Der insoweit in der Beschwerdebegründung wörtlich zitierte Satz über ein gegen den Kläger in B anhängiges Strafverfahren stammt entgegen der Darstellung des Klägers nicht aus der Urteilsbegründung des FG, sondern aus dem Sitzungsprotokoll, und gibt auch keine Feststellung des FG, sondern einen Vortrag des Vertreters der Steuerberaterkammer in der mündlichen Verhandlung wieder. In den Entscheidungsgründen des Urteils des FG findet sich kein Hinweis darauf, dass das FG seine Überzeugungsbildung auf ein gegen den Kläger anhängiges Strafverfahren gegründet hat.

4. Soweit sich der Kläger mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander setzt, hält er die Würdigung der Tatsachen durch das FG, mit der Folge der Annahme des Eintritts sowie des Fortbestands des Vermögensverfalls auf Seiten des Klägers, für unzutreffend und versucht, diese Annahme durch weiteres Vorbringen und die Vorlage weiterer Unterlagen zu entkräften und nachzuweisen, dass er entgegen der Ansicht des FG über Einnahmen verfügt, die dazu dienen, die Ausgaben zu decken und den bestehenden Verbindlichkeiten nachzukommen. Darüber hinaus bekräftigt er sein Vorbringen, dass Mandanteninteressen jedenfalls nicht gefährdet seien, und bringt auch zu diesem Punkt weitere Unterlagen bei. Damit wendet sich der Kläger aber allein gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1076984

BFH/NV 2004, 217

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