Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

1. Die fehlende Begründung der Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens führt nicht zur Unzulässigkeit, wenn das Begehren des Beschwerdeführers erkennbar ist.

2. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt in Betracht, wenn während des Verfahrens wegen der Ablehnung einer Steuerfestsetzung für einen Voranmeldungszeitraum ein Jahressteuerbescheid ergeht, gegen den Einspruch eingelegt wird.

 

Normenkette

FGO §§ 74, 128 Abs. 1, § 129; UStG § 18 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Antrag der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf Steuerfestsetzung für den Voranmeldungszeitraum 1. Quartal 1993 durch Bescheid vom 1. September 1994 ab. Dagegen erhob die Klägerin am 11. September 1995 Klage. Während des Klageverfahrens lehnte das FA die Festsetzung von Umsatzsteuer gegen die Klägerin für das Kalenderjahr 1993 durch Bescheid vom 10. März 1997 ab, weil die Klägerin nicht Unternehmer sei. Gegen diesen Bescheid, der den mit der Klage angefochtenen Bescheid ersetzte, legte die Klägerin am 11. April 1997 Einspruch ein. Einen Antrag beim Finanzgericht (FG) nach §68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stellte sie nicht.

Darauf setzte das FG das Verfahren wegen Ablehnung der Festsetzung von Umsatzsteuer für das 1. Quartal 1993 in entsprechender Anwendung von §74 FGO bis zur Entscheidung über den bezeichneten Bescheid vom 10. März 1997 durch Beschluß vom 23. Mai 1997 aus. Eine Ausfertigung des Beschlusses ist den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Darin ist die Sendung als am 5. Juni 1997 empfangen bezeichnet worden.

Mit einem am 20. Juni 1997 bei dem FG eingegangenen Telefax legte die Klägerin "fristwahrend" Beschwerde ein, die sie bisher nicht begründet hat.

Die Geschäftsstelle des Senats wies die Klägerin auf den Eingang der Beschwerde nach dem Ablauf der Beschwerdefrist am 19. Juni 1997 und auf §56 FGO (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) hin. Darauf teilte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit, daß der Zustellungsnachweis versehentlich mit dem falschen Datum (des 5. Juni 1997) versehen worden sei. Er versicherte anwaltlich, daß die Sendung erst am 6. Juni 1997 im Anwaltsbüro eingegangen sei. Er fügte die Kopie eines Briefumschlages des FG mit einem Poststempel " ... 5. 6. 97" bei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluß des FG vom 23. Mai 1997 ist rechtmäßig.

1. Die Beschwerde (§128 Abs. 1, Abs. 2 Halbsatz 2 FGO) ist zulässig. Sie ist formgerecht innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem FG eingelegt worden (§129 Abs. 1 FGO). Der Senat sieht es als bewiesen an, daß der angefochtene Beschluß des FG erst am 6. Juni 1997 bei den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist (zur Widerlegung der Beweiskraft des Zustellungsnachweises vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92, BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603 zu II. 1. b). Darauf weist auch ein Briefumschlag in den Akten über eine offenbar zunächst vergebliche Bekanntgabe des Beschlusses vom 23. Mai 1997 mit einem Vermerk über eine erneute Absendung (erst) am 5. Juni 1997 hin. Somit ist die am 20. Juni 1997 bei dem FG angebrachte Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden.

Die fehlende Begründung der Beschwerde, deren Begehren erkennbar ist, führt nicht zur Unzulässigkeit (BFH-Beschluß vom 27. September 1994 VIII B 64--76/94, BFH/NV 1995, 526; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §129 Tz. 6).

2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das FG mußte das Verfahren wegen der Ablehnung des Antrags auf Festsetzung von Umsatzsteuer für das 1. Quartal 1993 in entsprechender Anwendung von §74 FGO aussetzen.

Da der Verwaltungsakt, durch den ein Antrag auf Erlaß eines Steuerbescheids abgelehnt wird, verfahrensrechtlich einem entsprechenden Steuerbescheid gleichsteht (vgl. die Klarstellung in §172 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --), sind die für den beantragten Steuerbescheid geltenden Verfahrensregeln maßgebend. Der während des finanzgerichtlichen Verfahrens wegen des (positiven oder negativen) Bescheids, der eine Umsatzsteuervorauszahlung für einen Voranmeldungszeitraum betrifft (§18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG 1993 --), bekanntgegebene (positive oder negative) Bescheid über Umsatzsteuer für das Kalenderjahr (§18 Abs. 3 UStG 1993) erledigt den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid. Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich in dem Jahressteuerbescheid festgestellt (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 1994 V R 39/92, BFHE 174, 268, BStBl II 1994, 538 zu II. 1.). Es besteht eine Prozeßlage, die derjenigen vergleichbar ist, bei der ein ursprünglicher Bescheid ersetzt wird, gegen den Ersetzungsbescheid Einspruch eingelegt und kein Antrag nach §68 FGO gestellt worden ist (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. BFH- Beschluß vom 29. Juni 1995 II B 108/94, BFH/NV 1996, 214; weitere Nachweise bei Gräber/Koch, a. a. O., §74 Rz. 13). Es muß deshalb im Streitfall abgewartet werden, ob der erledigende (negative) Jahressteuerbescheid Bestand hat oder ob er aufgrund der Anfechtung wegfällt. Nur im letztbezeichneten Fall tritt der ursprüngliche Bescheid für den Voranmeldungszeitraum wieder in Kraft. Das FG mußte bei dieser Prozeßlage das Verfahren gegen den Bescheid vom 1. September 1994 aussetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66656

BFH/NV 1998, 602

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge