Entscheidungsstichwort (Thema)

Besetzungsrüge wegen Wahl ehrenamtlicher Richter

 

Leitsatz (NV)

Die Wahl ehrenamtlicher Richter ist jedenfalls nicht schwerwiegend fehlerhaft, wenn die zu wählenden Personen nur nummernmäßig vorgeschlagen werden, die Ausschußmitglieder sich aber anhand der Vorschlagslisten darüber informieren können, welche Personen mit den vorgeschlagenen Nummern bezeichnet sind.

 

Normenkette

FGO §§ 26, 116 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der . . . Senat des . . . Finanzgerichts (FG) hat nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 18. März 1991 unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter X und Y die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im wesentlichen abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Mit ihrer Revision machen die Kläger geltend, das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Ausschuß zur Wahl der ehrenamtlichen Richter habe in seiner Sitzung vom 16. Februar 1990 die ehrenamtlichen Richter nicht ordnungsgemäß gewählt. Der Präsident des FG bzw. die Ausschußmitglieder hätten die zu wählenden Personen aus den Vorschlagslisten nummernmäßig benannt. Von einer Wahl der ehrenamtlichen Richter könne nicht gesprochen werden, wenn nur anonyme Nummern, nicht aber Personen namensmäßig aufgerufen würden. Die Wahl habe 55 Minuten gedauert. Es sei unmöglich, in dieser Zeitspanne 260 Personen namensmäßig zu wählen. Lediglich dem Präsidenten des FG habe eine Vorschlagsliste mit 780 Namen zur Verfügung gestanden, die aber nach der Niederschrift nicht zur Wahl aufgerufen worden seien. Die Kläger berufen sich zum Nachweis ihres Vortrags auf die Niederschrift über die Sitzung des Ausschusses zur Wahl der ehrenamtlichen Richter, die sie abschriftlich vorgelegt haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Verfahrensrevision der Kläger ist unzulässig und deshalb nach § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.

Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist.

1. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat der erkennende Senat durch Beschluß vom heutigen Tag als unbegründet zurückgewiesen.

2. Gründe, die eine zulassungsfreie Revision rechtfertigen, liegen nicht vor.

Die Rüge, das FG sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil die beiden mitwirkenden ehrenamtlichen Richter nicht ordnungsgemäß gewählt seien, kann zwar gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO die zulassungsfreie Revision begründen. Die Kläger haben jedoch einen derartigen Verfahrensmangel nicht in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2, letzter Halbsatz FGO genügenden Weise dargetan. Sie machen geltend, die ehrenamtlichen Richter des FG seien nur als anonyme Nummern, nicht aber als Personen aufgerufen und von den Ausschußmitgliedern gewählt worden. Dieser Vortrag genügt nicht, um eine substantiierte Besetzungsrüge zu begründen. Denn damit ist nicht dargetan, daß die ehrenamtlichen Richter nicht ordnungsgemäß gewählt wurden.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung führt die unrichtige Anwendung einer Besetzungsvorschrift nur dann zu einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO, wenn sich der Gesetzesverstoß gleichzeitig als Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) darstellt. Nicht jeder Fehler bei der Wahl der ehrenamtlichen Richter begründet deshalb einen Besetzungsfehler im Sinne dieser Vorschrift. Das Gericht ist insbesondere dann nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn der Fehler so schwerwiegend ist, daß von einer Wahl nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 9. Februar 1988 9 C 256/86, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ - 1988, 724, BFH-Urteil vom 17. Januar 1989 VII R 187/85, BFH/NV 1989, 532, und BFH-Beschluß vom 31. Juli 1989 VIII R 41/86, BFH/NV 1990, 511, jeweils m. w. N.). Solche schwerwiegenden Fehler der Wahl der ehrenamtlichen Richter sind im Streitfall nicht dargetan. Nach § 26 Abs. 1 FGO wählt der Wahlausschuß (§ 23 FGO) aus den Vorschlagslisten (§ 25 FGO) mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Stimmen die erforderliche Anzahl von ehrenamtlichen Richtern. § 26 FGO schreibt kein bestimmtes Wahlverfahren vor. Der Vorschrift ist lediglich zu entnehmen, daß überhaupt eine Wahl stattgefunden haben muß (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 25. April 1988 1 BvR 7/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1989, 443; BFH-Beschluß vom 4. März 1987 II R 47/86, BFHE 149, 23, BStBl II 1987, 438, Abschn. 4). Der Wahlausschuß muß deshalb eine Auswahl der ehrenamtlichen Richter treffen, die nicht vom Zufall abhängig sein darf, z. B. nicht von einem Losverfahren. Es muß eine konkret personenbezogene Entscheidung der Mitglieder des Wahlausschusses vorliegen (BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 532). Es genügt dagegen z. B. die Ziehung von Nummern, die einzelnen Personen der Vorschlagsliste zugeordnet sind, mit der anschließenden einstimmigen Erklärung des Ausschusses, diese Personen sollten zu Schöffen bzw. ehrenamtlichen Richtern gewählt sein (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19. Juni 1985 2 StR 197/85 - 2 StR 98/85, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 2341). Jedenfalls keinen schwerwiegenden Fehler des Wahlverfahrens bedeutet es deshalb, wenn die zu wählenden Personen in den Vorschlagslisten, die dem Ausschuß vorliegen, mit Nummern und mit Namen bezeichnet sind, die Mitglieder des Wahlausschusses ihre Vorschläge zur Wahl unter diesen Nummern abgeben und die anderen Mitglieder diesem Vorschlag zustimmen, vorausgesetzt, die Ausschußmitglieder können sich anhand der Vorschlagslisten darüber informieren, welche Personen mit den vorgeschlagenen Nummern bezeichnet sind. Die Möglichkeit, sich darüber zu informieren, welche Personen mit den vorgeschlagenen Nummern gemeint waren, bestand ausweislich der von den Klägern vorgelegten Niederschrift über den Wahlvorgang. Nach der Niederschrift lagen den Ausschußmitgliedern sieben Vorschlagslisten vor, die der Präsident des FG aufgrund der Vorschläge der angehörten Berufsvertretungen aufgestellt hatte. Aus diesen Vorschlagslisten benannten die Ausschußmitglieder nummernmäßig jeweils Personen, denen die Ausschußmitglieder sodann einstimmig zustimmten. Daß, wie die Kläger vortrugen, nur dem Präsidenten des FG eine Vorschlagsliste zur Verfügung stand, auf der alle 780 Namen der zur Wahl stehenden Personen zusammgefaßt waren, macht die Wahl selbst dann nicht ungültig, wenn den Ausschußmitgliedern diese Liste nicht zugänglich gewesen sein solle. Denn sie konnten sich ausweislich der Niederschrift über den Wahlvorgang jedenfalls aus den sieben Einzelvorschlagslisten über die jeweils zu wählende Person informieren.

Die Rüge der Kläger, aus der Niederschrift über die Wahl sei nicht feststellbar, welche anderen Personen außer dem Präsidenten Wahlvorschläge gemacht hätten, weil der Wahlablauf in der Niederschrift nur in groben Umrissen wiedergegeben sei, greift ebenfalls nicht durch. Es ist nicht erkennbar, inwieweit durch den von den Klägern geltend gemachten Mangel die Wahl der ehrenamtlichen Richter beeinträchtigt sein könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418447

BFH/NV 1992, 761

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