Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung bei verunglücktem Unternehmensvertrag

 

Leitsatz (NV)

1. Eine GmbH wird im Außenverhältnis grundsätzlich durch ihren Geschäftsführer vertreten.

2. Eine GmbH wird aus einem Ergebnisabführungsvertrag nur dann zivilrechtlich verpflichtet, wenn sie bei seinem Abschluß ordnungsgemäß vertreten war.

3. Die Erfüllung einer vermeintlichen Verbindlichkeit gegenüber einer nahestehenden Person ist als verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 zu beurteilen.

4. Die §§ 14 und 17 KStG 1977 enthalten eine dem § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 vorgehende Regelung.

5. Aus der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 darf nicht automatisch auf das Vorliegen einer ,,anderen Ausschüttung" i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 geschlossen werden.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2-3; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2, §§ 14, 17, 27

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Das FG hat durch Beschluß vom 14. 2. 1990 den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) wegen Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1986 und 1987 abgelehnt und die Beschwerde zugelassen. Der Beschluß wurde der Antragstellerin am 8. 3. 1990 zugestellt. Sie legte am 14. 3. 1990 beim FG Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat. Der Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragstellerin ist eine GmbH, deren Geschäftsanteile in den Streitjahren 1986 und 1987 von R und L gehalten wurden. Die Antragstellerin betrieb ein . . . R und L hatten ihre Anteile an der Antragstellerin in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eingebracht, die sie zusammen mit ihrem Vater V und ihren Brüdern H und F am 28. November 1984 gegründet hatten. H und F waren die alleinigen Gesellschafter der F-GmbH. H und F brachten ihre Anteile an der F-GmbH in die GbR ein. In dem Vertrag über die GbR war vereinbart, daß die Brüder im Innenverhältnis von gleichen Leistungen und gleichen Risiken der Gesellschafter ausgingen.

Am 2. Januar 1986 schlossen R, L, H und F als Gesellschafter der Antragstellerin bzw. der F-GmbH einen ,,Unternehmensvertrag", aufgrund dessen beide Gesellschaften auf gemeinsame Rechnung betrieben werden sollten. Handelsrechtlich sollte ein Konzernverhältnis bestehen. Im Außenverhältnis sollte nur noch die Antragstellerin auftreten. Sie sollte als Konzernobergesellschaft fungieren und das Recht haben, die F-GmbH zu vertreten. Beide Gesellschaften sollten ab dem 1. Januar 1986 gleiche Ergebnisse erzielen. Die Antragstellerin sollte der F-GmbH deren Verluste ersetzen.

In ihren Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 1986 und zum 31. Dezember 1987 wies die Antragstellerin Ergebnisabführungsbeträge in Höhe von . . . DM (1986) und in Höhe von . . . DM (1987) als Aufwand aus. Der Aufwand wurde auf einem Verrechnungskonto als Verbindlichkeit gegenüber der F-GmbH verbucht.

Das FA behandelte die Ergenisabführungsbeträge sowohl als verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 als auch als andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977. Es setzte die Ergebnisabführungsbeträge bei der Ermittlung der Gewinne 1986 und 1987 erfolgsneutral an und berechnete die tarifliche Körperschaftsteuer. Gleichzeitig stellte es für beide Veranlagungszeiträume die sog. Ausschüttungsbelastung her. Dabei ergab sich für 1986 sowohl eine Körperschaftsteuerminderung als auch eine Körperschaftsteuererhöhung und für 1987 nur eine Körperschaftsteuerminderung.

Gegen die entsprechenden Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1986 und 1987 erhob die Antragstellerin Einsprüche und später Klagen, über die noch nicht entschieden ist.

Die Antragstellerin beantragte nach Erlaß von Einspruchsentscheidungen beim FA die Aussetzung der Vollziehung der mit den Klagen angefochtenen Bescheide. Diesen Antrag lehnte das FA ab. Deshalb beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG. Dieses lehnte den Antrag durch den eingangs erwähnten Beschluß ab.Mit ihrer Beschwerde rügt die Antragstellerin das Fehlen einer klaren Begründung für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung. Es werde allein aus der Tatsache, daß die Gesellschafter der Antragstellerin und der F-GmbH Brüder seien, auf eine verdeckte Gewinnausschüttung geschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nur zu einem Teil begründet. Sie führt, soweit sie begründet ist, zu einer Änderung des angefochtenen Beschlusses und zur Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1986 in Höhe eines Teilbetrages von . . . DM. Im übrigen war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO kann das FG die Vollziehung eines Steuerbescheides ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen sie sprechende Gesichtspunkte zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatsachenfragen auslösen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung seit dem Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Solche Zweifel sind im Streitfall nur insoweit anzunehmen, als das FA die Ausschüttungsbelastung für das Streitjahr 1986 ohne ausreichende tatsächliche Feststellungen hergestellt hat (§ 27 Abs. 1 KStG 1977).

2. Der Senat hat keine ernsthaften Zweifel, daß die sog. Ergebnisabführungsbeträge die Gewinne der Antragstellerin 1986 und 1987 nicht mindern dürfen.

a) Nach Aktenlage behandelte die Antragstellerin die Ergebnisabführungsbeträge deshalb als Betriebsausgaben, weil sie entsprechende eigene Verbindlichkeiten gegenüber der F-GmbH annahm. Dem steht jedoch entgegen, daß der Unternehmensvertrag vom 2. Januar 1986 nicht von den Geschäftsführern der Antragstellerin und der F-GmbH, sondern von R, H, L und F in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Antragstellerin bzw. der F-GmbH abgeschlossen wurde. Eine GmbH wird im Außenverhältnis grundsätzlich durch ihren Geschäftsführer verpflichtet. Die Gesellschafter können zwar gegenüber dem Geschäftsführer weisungsbefugt sein. Dies ändert jedoch nichts daran, daß nur ein vom Geschäftsführer abgeschlossener Vertrag die Gesellschaft verpflichtet. Ausnahmen gelten bei bestimmten Organisationsakten (Übernahmevertrag bei einer Kapitalerhöhung, Bestellung der Geschäftsführer, Abschluß des Geschäftsführervertrages). Der Abschluß eines Ergebnisabführungsvertrages gehört jedoch nicht zu diesen Ausnahmen (Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, Der Betrieb - DB - 1988, 2623). Dies gilt unbeschadet der Frage, ob der Abschluß eines Ergebnisabführungsvertrages durch den Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Fehlt es aber an dem Abschluß des Unternehmensvertrages durch den Geschäftsführer der Antragstellerin, so besteht objektiv gesehen keine Verbindlichkeit, die in den Bilanzen zum 31. Dezember 1986 und 1987 hätten passiviert werden dürfen.

b) Sollte aus dem Senat in tatsächlicher Hinsicht unbekannten Gründen ein Vertrag zwischen der Antragstellerin und der F-GmbH entsprechend dem Unternehmensvertrag vom 2. Januar 1986 zustande gekommen sein oder sollte die Antragstellerin - was ebenfalls in tatsächlicher Hinsicht ungeklärt ist - eine vermeintliche Verbindlichkeit gegenüber der F-GmbH erfüllt haben, so könnten beide Geschäftsvorfälle nicht gewinnmindernd behandelt werden, weil sie als verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 zu beurteilen wären. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen ausschließlich den Interessen von H und F dienenden Ausschüttung steht. H und F waren aber die Brüder der Gesellschafter der Antragstellerin. H und F waren damit im Verhältnis zu den Gesellschaftern der Antragstellerin nahestehende Personen. Körperschaftsteuerrechtlich sind aber Zuwendungen an Personen, die den Gesellschaftern nahestehen, wie Zuwendungen an die Gesellschafter selbst zu behandeln. Sie sind durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt und deshalb verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977.

c) Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 wäre allerdings unter den Voraussetzungen der §§ 14 und 17 KStG 1977 ausgeschlossen, weil die §§ 14 und 17 KStG 1977 eine dem § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 vorgehende Regelung enthalten (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1989 I R 152/84, BFHE 157, 127, BStBl II 1989, 668, und vom 13. September 1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24). Jedoch fehlt es an allen in §§ 14 und 17 KStG 1977 genannten Voraussetzungen. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, daß die F-GmbH sich durch einen Gewinnabführungsvertrag verpflichtet hätte, ihren ganzen Gewinn an die Antragstellerin abzuführen (§ 14 Satz 1 KStG 1977). Es fehlt außerdem an einem schriftlich zwischen der Antragstellerin und der F-GmbH abgeschlossenen Vertrag (§ 17 Satz 2 Nr. 1 KStG 1977). Schließlich hätte der Vertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen werden müssen (§ 14 Satz 2 Nr. 4 KStG 1977). Außerdem war die F-GmbH nicht i. S. des § 14 Satz 2 Nr. 1 KStG 1977 in die Antragstellerin finanziell eingegliedert.

3. FA und FG haben jedoch aus ihrer Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 auf das Vorliegen von ,,anderen Ausschüttungen" i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 geschlossen, ohne die insoweit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen. Demgegenüber weist der erkennende Senat in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 20. August 1986 I R 87/83, BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75; vom 9. Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460; vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631; vom 14. März 1989 I R 8/85, BFHE 156, 452, BStBl II 1989, 633; vom 26. April 1989 I R 172/87, BFHE 157, 138, BStBl II 1989, 673; vom 24. Mai 1989 I R 90/85, BFHE 157, 168, BStBl II 1989, 800; vom 28. Juni 1989 I R 40/84, BFH/NV 1990, 130, I R 58/84, BFH/NV 1990, 325, I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854) darauf hin, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung nur dann zugleich andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist, wenn die der Vermögensminderung entsprechenden Mittel abfließen. Außerdem ändert sich die Körperschaftsteuer nur für den Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in das die andere Ausschüttung fällt, d. h. in dem sie bei der Kapitalgesellschaft abfließt. Die Ausschüttungsbelastung wäre deshalb auch im Streitfall nur dann rechtmäßigerweise hergestellt worden, wenn die Ergebnisabführungsbeträge bei der Antragstellerin noch in 1986 bzw. noch in 1987 abgeflossen sein sollten. Dazu fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen. Da es im Streitfall um den Ausgleich des Fehlbetrages für die Geschäftsjahre 1986 und 1987 geht, spricht die allgemeine Erfahrung dafür, daß der Ausgleich frühestens vorgenommen wurde, als die Höhe des negativen Jahresergebnisses der F-GmbH jeweils ermittelt war. Dies spricht dafür, daß jedenfalls für 1986 die Ausschüttungsbelastung nicht hergestellt werden durfte. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß ein Vermögensabfluß i. S. des § 27 Abs. 2 KStG 1977 auch in der Verbuchung auf einem Verrechnungskonto gesehen werden kann, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen davon auszugehen ist, daß in Höhe des Saldos des Verrechnungskontos eine eigenständige Darlehensforderung bzw. -verbindlichkeit entstand (Schuldnovation).

4. Die anzunehmenden ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO beziehen sich nur auf die Körperschaftsteuer 1986, weil nur diese gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 erhöht wurde. Bei der Körperschaftsteuer 1987 setzte das FA eine Körperschaftsteuerminderung an, weshalb sich die mögliche Fehlerhaftigkeit des Bescheides nicht zu Lasten der Antragstellerin auswirkt. Der Höhe nach ist der Saldo zwischen der Erhöhung und der Minderung der Körperschaftsteuer 1986 der Steuerbetrag, dessen Vollziehung auszusetzen ist, weil sowohl die Körperschaftsteuererhöhung als auch die Körperschaftsteuerminderung wegfallen würden, wenn die vorhandenen ernstlichen Zweifel durchschlagen sollten.

Auf die Höhe der Gewerbesteuermeßbeträge 1986 und 1987 wirkt sich die Herstellung der Ausschüttungsbelastung nicht aus, weshalb die sich auf die Körperschaftsteuer 1987 und auf die Gewerbesteuermeßbeträge 1986 und 1987 beziehende weitergehende Beschwerde unbegründet ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417210

BFH/NV 1991, 121

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