Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Ablauf der Frist für Antrag auf Urteilsergänzung

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Antrag auf Urteilsergänzung muß binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils gestellt werden. Die Frist beginnt nicht erneut zu laufen, wenn gegen das ergänzungsbedürftige Urteil die Revision nachträglich zugelassen wird.

2. Wird die Frist für einen Antrag auf Urteilsergänzung versäumt, kann unter den Voraussetzungen des § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Dabei gilt kein besonderer Verschuldensmaßstab.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1, § 109 Abs. 2 S. 1; ZPO § 517

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Die Beschwerde ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen. Aus den von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) herausgearbeiteten Rechtsfragen ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn über Rechtsfragen zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und der Handhabung des Rechts berührt und die klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sind (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH --, vgl. z. B. Beschlüsse vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl III 1966, 628; vom 13. September 1989 II B 77/89, BFH/NV 1990, 513, und vom 9. Februar 1996 VIII B 1/95, BFH/NV 1996, 617). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (BFH-Beschluß vom 26. Januar 1978 V B 15/77, BFHE 124, 264, BStBl II 1978, 394) oder die höchstrichterlich bereits entschieden ist, ohne daß zwischenzeitlich neue gewichtige Gesichtspunkte in Erscheinung getreten sind (BFH- Beschluß vom 21. Juli 1977 IV B 16--17/77, BFHE 123, 48, BStBl II 1977, 760).

2. Die Frage, wann die Frist für einen Antrag auf Urteilsergänzung zu laufen beginnt, ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz. Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 FGO muß der Antrag binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils gestellt werden. Aus der Bezugnahme des Abs. 2 auf Abs. 1 des § 109 FGO ergibt sich zugleich, daß mit dem Urteil nur das zu ergänzende Urteil gemeint sein kann. Dafür, daß mit der Zulassung der Revision gegen das ergänzungsbedürftige Urteil die Frist für den Antrag auf Ergänzung erneut zu laufen beginnt, gibt es keinen gesetzlichen Anhaltspunkt. Insbesondere ergibt er sich nicht aus §§ 155 FGO, 517 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Die dortige Regelung betrifft umgekehrt die Frage, ob nach erfolgter Ergänzung des Urteils die Revisionsfrist für das erste Urteil erneut zu laufen beginnt. Einen Schluß auf den Neubeginn der Antragsfrist nach Revisionszulassung kann man daraus schon deshalb nicht ziehen, weil auch §§ 155 FGO, 517 ZPO nicht zum Neubeginn der Revisionsfrist gegen das erste Urteil führen, wenn die Frist bereits ungenutzt verstrichen ist (vgl. für den Parallelfall im allgemeinen Verwaltungsprozeß gemäß §§120 der Verwaltungsgerichtsordnung -- VwGO --; § 517 ZPO; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Januar 1989 4 CB 24/88, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1989, 519).

Entgegen der Auffassung der Kläger führt der endgültige Ablauf der Frist zur Beantragung einer Urteilsergänzung nach zwei Wochen seit Zustellung des Urteils im Finanzprozeß nicht zu einer vom Gesetzgeber unbeabsichtigten Präklusion. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum der Gesetzgeber bei Schaffung der insoweit identischen Regelungen in den Prozeßordnungen für den allgemeinen und besonderen Verwaltungsprozeß (§ 120 VwGO, § 109 FGO, § 140 des Sozialgerichtsgesetzes mit Frist von einem Monat) nicht beachtet haben sollte, daß wegen der Fristgebundenheit von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach gerichtlicher Klärung des Vorliegens eines ergänzungsbedürftigen Urteils meist keine erneute Klage mehr möglich sein dürfte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß um der Prozeßökonomie willen diese Konsequenz bewußt in Kauf genommen worden ist, denn anderenfalls hätte eine dem § 517 ZPO nachempfundene Regelung für die Antragsfrist zur Urteilsergänzung oder auch für die Klagefrist vorgesehen werden können.

3. Ebenfalls aus dem Gesetz beantwortet sich die Frage, ob für die Versäumung der Antragsfrist grundsätzlich Wiedereinsetzung gewährt werden kann. Für den Finanzprozeß kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß § 56 FGO auch auf die Frist des § 109 Abs. 2 Satz 1 FGO Anwendung findet. Dies hat der BFH im übrigen bereits mehrfach entschieden (Urteil vom 12. April 1972 I R 123/71, BFHE 106, 170, BStBl II 1972, 770; Beschluß vom 17. November 1987 VIII R 346/83, BFHE 152, 5, BStBl II 1988, 287).

4. Welche Anforderungen zu stellen sind, damit ein Verschulden i. S. des § 56 Abs. 1 FGO nicht angenommen werden kann, ist höchstrichterlich geklärt. Irrt sich ein Prozeßbeteiligter oder dessen Bevollmächtigter über Verfahrensfragen und war dieser Irrtum vermeidbar, so kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 56 Rz. 32, m. w. N.). Für den Antrag auf Urteilsergänzung gelten insoweit keine besonderen Verschuldensmaßstäbe. Im Hinblick auf die im Einzelfall mitunter schwer zu treffende Unterscheidung zwischen Fallgestaltungen, in denen ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Begründung des Urteils übergangen worden ist, und dem Fall eines nicht entschiedenen selbständigen Antrags müssen ggf. mehrere Anträge nebeneinander gestellt werden, um einen Rechtsverlust zu vermeiden.

Im Streitfall hat das Finanzgericht diese Rechtsgrundsätze zutreffend zugrunde gelegt und ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu seiner revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des Verhaltens der Prozeßbevollmächtigten der Kläger gekommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66431

BFH/NV 1998, 37

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