Leitsatz (amtlich)

Die nach Abschluß des gerichtlichen Verfahrens von den Finanzgerichten zu treffende Kostenentscheidung muß auch die Kosten des außergerichtlichen Vorverfahrens, die den Gerichtskosten entsprechen, mitumiassen.

 

Normenkette

FGO § 139 Abs. 1, § 143; AO § 250

 

Tatbestand

Im Verfahren der Hauptsache stritten die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) und der Beklagte und Beschwerdeführer (FA) über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerveranlagung für die Klägerin für das Jahr 1963. Nach erfolglosen Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt. Der BFH hob im Revisionsverfahren das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück (BFH-Urteil vom 7. Februar 1973 I R 13/71, nicht veröffentlicht). Hierauf erließ das FA einen Änderungsbescheid. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, stellte das FG das Verfahren ein und entschied, daß die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens die Klägerin zu 2/5 und das FA zu 3/5 zu tragen habe. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wurde für notwendig erklärt. Die vom FA beantragte Entscheidung über die Kosten im Vorverfahren traf das FG nicht. Es führte in der Begründung seines Beschlusses aus, die Kosten des Vorverfahrens gehörten nach der gesetzlichen Definition in § 139 Abs. 1 FGO nur insoweit zu den Kosten, über die das Gericht zu entscheiden habe, als es sich um die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (mit Ausnahme der Finanzbehörden) handele. Die nach § 250 AO im Einspruchsverfahren angefallene Gebühr falle nicht unter diese Definition. Wenn das FG auch über die Kosten des Vorverfahrens ohne diese Einschränkung zu befinden hätte, so müßte es bei unterschiedlichen Streitgegenständen von Vorverfahren und Klage entweder über einen nicht anhängig gewordenen Streitgegenstand mitentscheiden oder den Gegenstand des Vorverfahrens teilen und eine Kostenentscheidung nur über den auch bei dem Gericht anhängig gewordenen Teil treffen. Eine Teilentscheidung sei jedoch nicht möglich. Für eine einheitliche Entscheidung über die gesamten Kosten fehle dem Gericht die Befugnis mangels Rechtshängigkeit. Gegen eine Entscheidung über die Gebühr, auch soweit sie durch den nicht anhängig gewordenen Streitgegenstand des Vorverfahrens erwachsen sei, spreche außerdem die Erwägung, daß die Aufwendungen des Klägers für das Vorverfahren nur nach dem Streitwert der Klage erstattungsfähig seien. Die abweichende Ansicht des BFH im Beschluß vom 21. Mai 1971 III B 48/70 (BFHE 102, 454, BStBl II 1971, 714) gründe sich auf die Erwägung, daß andernfalls der Erstattungsanspruch des Klägers um so geringer sei, je größer sein Erfolg im Vorverfahren war. Dabei werde aber nicht beachtet, daß das Gesetz die umgekehrte Regelung getroffen habe. Denn wenn der Steuerpflichtige im Einspruchsverfahren Erfolg gehabt habe, müßte er in Fortführung dieses Gedankens seine Aufwendungen auch ohne Klage voll erstattet erhalten. Aber gerade das schließe das Gesetz aus.

Mit seiner Beschwerde beantragt das FA, die Kosten des Vorverfahrens und des (gerichtlichen) Verfahrens der Klägerin zu 2/5 und dem Beklagten zu 3/5 aufzuerlegen, hilfsweise, den Beschluß des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FA beruft sich zur Begründung seiner Auffassung, daß das FG nach Erledigung der Hauptsache auch über die Kosten des Vorverfahrens in vollem Umfange zu entscheiden habe, auf den (nicht veröffentlichten) BFH-Beschluß vom 25. April 1969 III B 37/68, den es in Fotokopie zu den Akten gegeben hat.

Die Klägerin hat erklärt, sie wolle gegen den Antrag des FA keine Einwendungen erheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde das FA ist begründet.

Das Gericht hat, wenn der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erklärung der Beteiligten erledigt wird, gemäß § 143 FGO durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. Kosten sind Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (§ 139 Abs. 1 FGO). Zwar könnte der reine Wortlaut dieser Vorschrift für die Rechtsauffassung des FG sprechen, daß die im Vorverfahren nach § 250 AO anfallenden Kosten nicht unter den Begirff der Kosten nach § 139 FGO fallen. Indes hat bereits der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66 (BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56) die gegenteilige Auffassung vertreten. Danach gehören zu den "Kosten des Vorverfahrens" nach dem Sinnzusammenhang auch die dem gerichtlichen Verfahren entsprechenden Unkosten, also die Kosten im Sinne des § 250 AO. Für diese Auffassung des Großen Senats, der sich der erkennende Senat anschließt, spricht der enge sachliche Zusammenhang zwischen der Gebühr im außergerichtlichen Vorverfahren und den Kosten, wie sie § 139 Abs. 1 FGO ausdrücklich aufführt. Es wäre kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb neben dem Gericht, auch noch die nach § 254 AO vorgesehene Stelle mit einer gesonderten Kostenentscheidung für das außergerichtliche Vorverfahren behelligt werden sollte. Dies widerspräche dem Grundsatz der Verfahrensökonomie. Der erkennende Senat tritt der vom III. Senat des BFH in seinem Beschluß III B 37/68 vertretenen Auffassung bei, daß das FA nach Einleitung des Klageverfahrens nicht mehr befugt ist, über die Kosten des dem Klageverfahren vorausgehenden Vorverfahrens eine selbständige Entscheidung zu treffen. Er folgt damit zugleich auch der Rechtsansicht des FG München im Beschluß vom 28. November 1968 IV 155/68 (EFG 1969, 199) und des Niedersächsischen FG im Beschluß vom 25. März 1971 I 34/69 (EFG 1971, 394).

Was die Einwendungen des FG gegen den BFH-Beschluß III B 48/70 anbelangt, so ist zwar der VII. Senat des BFH in seinem Beschluß vom 17. September 1974 VII B 25/73 (BFHE 113, 348, BStBl II 1975, 39) von der ursprünglich vertretenen Auffassung des III. Senats abgewichen. Er hat nunmehr entschieden, daß dann, wenn ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren nur teilweise in ein Klageverfahren übergegangen ist, der Streitwert des Klageverfahrens zur Berechnung der erstattungsfähigen Aufwendungen für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren maßgeblich sei. Der III. Senat des BFH hat auf Anfrage des VII. Senats erklärt, daß er an seiner im Beschluß III B 48/70 vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr festhalte. Dem schließt sich auch der erkennende Senat an. Damit ist aber nur das Problem angesprochen, aus welchem Streitwert sich die erstattungsfähigen Aufwendungen für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren berechnen. Dagegen folgt daraus nichts für die Frage, ob die FG nach Erledigung eines Rechtsstreits auch über die den Gerichtskosten entsprechende Gebühr des außergerichtlichen Vorverfahrens (§ 250 AO) mitzuentscheiden haben.

Danach wird der angegriffene Beschluß des FG im Sinne des vom FA gestellten Antrags ergänzt. Eines besonderen Ausspruches, inwieweit das FA die Kosten des außergerichtlichen Vorverfahrens zu tragen hat, bedarf es allerdings nicht.

Da der Beschluß des FG auf unrichtiger Sachbehandlung beruht, werden Kosten gemäß § 140 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 7 des Gerichtskostengesetzes nicht erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71091

BStBl II 1975, 336

BFHE 1975, 459

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