Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung; fehlende höchstrichterliche Entscheidung; Divergenz; Ausschluß weiterer Zulassungsgründe nach Ablauf der Beschwerdefrist

 

Leitsatz (NV)

1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird nicht mit dem Vortrag dargetan, es sei unklar, ob für den Abzug von Refinanzierungszins als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die bei dem Erblasser maßgebenden Kriterien zwangsläufig auch für die Erben gälten oder sich bei diesen ein anderer Finanzierungszusammenhang ergeben könne.

2. Ein allgemeines Interesse an der Klärung einer Rechtsfrage wird nicht bereits durch den Hinweis auf eine fehlende höchstrichterliche Entscheidung dargetan.

3. Eine Divergenz wird schon dann nicht substantiiert bezeichnet, wenn sich der vom FG beurteilte Sachverhalt in einer so bedeutsamen und wesentlichen Weise von demjenigen in der angeblichen Divergenzentscheidung unterscheidet, daß er nicht als durch die Divergenzentscheidung "mitentschieden" angesehen werden kann.

4. Nach Ablauf der Beschwerdefrist können weitere Zulassungsgründe nicht mehr geltend gemacht werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 Sätze 1, 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt weder die grundsätzliche Bedeutung noch eine Divergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen schlüssig dar (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Hierzu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Erfor derlich ist vielmehr die schlüssige und substantiierte Darlegung der bezeichneten Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung. Dazu muß die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. August 1992 II B 100/92, BFH/NV 1993, 662, 663, m. w. N., ständige Rechtsprechung). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschluß vom 21. November 1989 VII S 10/89, BFH/NV 1990, 585, 586, ständige Rechtsprechung).

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben innerhalb der Frist lediglich vorgetragen, im Streitfall sei entscheidungserheblich, ob für den Abzug der Refinanzierungszinsen die beim Erblasser maßgebenden Kriterien zwangsläufig auch für die Erben gälten oder sich bei diesen ein anderer Finanzierungszusammenhang ergeben könne. Hierzu gebe es bislang noch keine höchstrichterliche Entscheidung, weshalb der Rechtssache eine über den Streitfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Mit diesen Ausführungen wird indessen nicht das Vorliegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage schlüssig dargetan.

Tatsächlich hat der Große Senat des BFH in dem von den Klägern selber als Divergenzentscheidung zitierten Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 842) ausgeführt, daß das vom Erblasser zur Nutzung oder zum Gebrauch überlassene Kapitalvermögen nach dem Erbfall seitens der Erbengemeinschaft zu diesem Zweck überlassen werde. Die Miterben bestimmten über die Verwendung des Vermögens, ihnen fließe der Vermögens ertrag zu. Damit verwirklichten sie gemeinsam den Tatbestand des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG), so daß die erzielten Einkünfte ihnen deshalb nach ihren Erbteilen zugerechnet würden.

Ferner hat der BFH im Urteil vom 30. November 1989 I R 19/87 (BFHE 159, 162, BStBl II 1990, 246, 247, m. w. N.) ausgeführt, daß die Einkunftsart in der Person des Rechtsnachfolgers, sofern es sich um natürliche Personen handle, grundsätzlich gleich bleibe (vgl. dazu auch Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 1 Rz. 15, m. umf. N.).

Der bloße Hinweis darauf, wegen einer fehlenden höchstrichterlichen Entscheidung komme der Rechtsfrage eine über den Streitfall hinausgehende Bedeutung zu, ist ebensowenig geeignet, ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis an der Klärung der Rechtsfrage darzutun (vgl. dazu auch BFH-Beschluß vom 5. November 1992 X B 85/92, BFH/NV 1993, 373).

2. Die Bezeichnung einer Divergenz i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt u. a., daß die Beschwerde die angeblich voneinander abweichenden Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der mutmaßlichen Divergenzentscheidung herausarbeitet und gegenüberstellt. Es muß sich jeweils um die Entscheidung tragende Rechtssätze handeln (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672, m. w. N., ständige Rechtsprechung). Zudem darf sich der vom Finanzgericht (FG) beurteilte Sachverhalt nicht in einer so bedeutenden und wesentlichen Weise von demjenigen der Divergenzentscheidung unterscheiden, daß der Sachverhalt des FG nicht als durch die Divergenzentscheidung "mitentschieden" angesehen werden kann (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Januar 1993 X B 14/92, BFH/NV 1993, 667, 669, m. w. N.).

a) Die Beschwerde stellt den Rechtssatz aus dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 843 heraus, wonach für die Vorstellung kein Raum sei, der Miterbe habe das von ihm in der Auseinandersetzung übernommene Vermögen unmittelbar vom Erblasser er halten. Vielmehr erlange er es aus dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft, deren Vorhandensein auch im Einkommensteuerrecht nicht übergangen werden könne.

Im Streitfall hatte das FG indessen nicht über einen Vorgang im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu entscheiden, sondern über den Abzug von Schuldzinsen eines noch vom Erblasser zum Erwerb von Aktien aufgenommenen Darlehens nach Übertragung dieser Aktien durch die Erbengemeinschaft auf Stiftungen.

b) Die weitere angegebene Divergenzentscheidung (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2--3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 826) führt zwar den steuerrechtlichen Grundsatz an, daß die Besteuerung an verwirklichte, nicht hingegen an gedachte Sachverhalte anknüpfen müsse. Die Entscheidung verneint bei der Zuordnung von Schuldzinsen auf ein gemischtes Kontokorrentkonto eine Heranziehung der Gedanken der sog. Entnahmefinanzierung.

Der Streitfall ist mit diesem Sachverhalt in keiner Weise vergleichbar. Denn im Streitfall geht es gerade um die Besteuerung des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts, nämlich den fehlenden wirtschaftlichen Zusammenhang der geltend gemachten Schuldzinsen nach der Übertragung der Kapitalanlage auf Dritte mit einer bestimmten Einkunftsart (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Nicht ersichtlich ist überdies, wieso durch die steuerrechtliche Versagung des Abzugs dieser Schuldzinsen als Werbungskosten ein höherer einkommensteuerpflichtiger Überschuß zu Lasten der Erbengemeinschaft entstanden sein soll. Schließlich weicht in allen Fällen, in denen der Abzug von Betriebsausgaben/Werbungskosten eingeschränkt (vgl. z. B. § 4 Abs. 5, § 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 EStG) oder gänzlich versagt wird (vgl. § 12 Nr. 1 EStG) der tatsächliche Überschuß von dem steuerpflichtigen Überschuß ab.

3. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 22. März 1996 möglicherweise eine weitere Rechtsfrage als entscheidungserheblich geltend machen, kann der Senat nicht mehr prüfen, ob damit ein Zulassungsgrund gegeben wäre. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO zu begründen. Nach Ablauf dieser Frist vorgetragene Zulassungsgründe darf der BFH nicht berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluß vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842).

Der Senat sieht gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421819

BFH/NV 1997, 411

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