Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerbevollmächtigter, der im finanzgerichtlichen Verfahren in eigener Sache tätig war, kann vom Erstattungspflichtigen Kostenersatz verlangen, wie wenn er durch einen anderen Steuerbevollmächtigten vertreten worden wäre.

 

Normenkette

FGO §§ 139, 155; ZPO § 91 Abs. 2 S. 4

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer führte einen Steuerrechtsstreit gegen das FA in einer eigenen Angelegenheit. Die Kosten dieses Rechtsstreits wurden durch Urteil des FG vom 1. Dezember 1967 und durch Beschluß des BFH vom 8. März 1968 dem FA auferlegt. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin, die ihm zu erstattenden Kosten auf insgesamt 46,80 DM festzusetzen, wobei er für das Verfahren vor dem FG eine Prozeßgebühr und für das Verfahren vor dem BFH eine Prozeß- und eine Verhandlungsgebühr berücksichtigt haben wollte. Der Urkundsbeamte des FG setzte die dem Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten durch Beschluß vom 25. Februar 1969 auf 10 DM fest, die zur Abgeltung von Aufwendungen für Schreibpapier, Fahrgeld, Post- und Fernsprechgebühren dienen sollten.

Mit der Erinnerung begehrte der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung eines Streitwerts in Höhe von 151 DM die Erstattung von insgesamt 65,80 DM. In diesem Betrag waren für das Verfahren vor dem FG eine Prozeß- und eine Verhandlungsgebühr in Höhe von je 13 DM sowie für das Verfahren vor dem BFH eine Prozeßund eine Verhandlungsgebühr in Höhe von je 16,90 DM und außerdem Postgebühren in Höhe von 6 DM enthalten. Das FG wies die Erinnerung durch Beschluß vom 21. Oktober 1969 mit der Begründung zurück, daß einem Steuerbevollmächtigten, der in eigener Sache tätig geworden sei, Gebühren und Auslagen nicht zu erstatten seien. Es fehle an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.

Mit der Beschwerde verlangt der Beschwerdeführer nunmehr, die zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung eines Streitwerts von 151 DM auf insgesamt 52,80 DM festzusetzen, wobei er für das Verfahren vor dem FG lediglich eine Prozeßgebühr in Höhe von 13 DM angesetzt haben will.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Ausführungen des FG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde hat Erfolg.

In sinngemäßer Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO (§ 155 FGO) sind dem Beschwerdeführer die Beträge zu zahlen, die er fordern könnte, wenn er einen Steuerbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen in dem Verfahren vor dem FG beauftragt hätte (vgl. Beschlüsse des FG München I 9/67 vom 8. Februar 1967, EFG 1967, 183; und des FG Baden-Württemberg I 217/67 vom 2. Juli 1969, EFG 1969, 459; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Bd. III 9. Aufl., § 139 FGO Anm. 4 Abs. 7; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, V 1. bis 5. Aufl., § 139 FGO Anm. 22; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung Kommentar, 2. bis 4. Aufl., FGO § 139 A 12; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 139 Anm. 18). Der Senat hat bereits durch Beschluß VII B 10/67 vom 29. Oktober 1968 (BFH 94, 113, BStBl II 1969, 81) entschieden, daß § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO zu den Verfahrensvorschriften gehört, die gemäß § 155 FGO sinngemäß anzuwenden sind. Ein Grund, von dieser Entscheidung abzuweichen, ist nicht ersichtlich.

Auf Grund der sinngemäßen Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO steht auch einem Steuerbevollmächtigten, der in einem Verfahren nach der FGO wegen einer eigenen Angelegenheit tätig geworden ist, gegen den Erstattungspflichtigen ein Anspruch auf Zahlung der Beträge zu, die er fordern könnte, wenn er in dem Verfahren nach der FGO durch einen anderen Steuerbevollmächtigten vertreten worden wäre. Wie der Senat in dem genannten Beschluß vom 29. Oktober 1968 dargelegt hat, soll durch die Regelung in § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO erreicht werden, daß der Rechtsanwalt für die bei der Erledigung eigener Angelegenheiten in seinem Beruf geleistete Arbeit die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen erhält und die Gegenpartei nicht deshalb besser gestellt wird, weil der Rechtsanwalt von der Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts abgesehen hat. Entsprechendes wird erreicht, wenn einem auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung über die Auferlegung der Kosten erstattungsberechtigten Steuerbevollmächtigten für die Tätigkeit in einem Verfahren nach der FGO in eigener Angelegenheit das gezahlt wird, was er fordern könnte, wenn ein anderer Steuerbevollmächtigter ihn in dem Verfahren vertreten hätte.

Entgegen der Auffassung des FG ist von der sinngemäßen Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht deshalb abzusehen, weil eine Regelung für Steuerbevollmächtigte entsprechend der in § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht in die FGO aufgenommen worden ist, obwohl die Fragwürdigkeit der Kostenerstattung für die Tätigkeit eines Steuerbevollmächtigten in eigener Angelegenheit bei der Schaffung der FGO bekannt war oder hätte erkannt werden können. Für die Frage der sinngemäßen Anwendung von Vorschriften der ZPO nach § 155 FGO kommt es nicht darauf an, ob Streitfragen durch eine ausdrückliche Regelung hätten vermieden werden können und ob dem Gesetzgeber die Streitfragen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Maßgebend ist nach der ausdrücklichen Regelung in § 155 FGO vielmehr, ob grundsätzliche Unterschiede der Verfahrensarten nach der FGO und nach der ZPO die Anwendung einer Vorschrift der ZPO ausschließen. Derartige Unterschiede stehen der Anwendung der Regelung in § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO im vorliegenden Fall nicht entgegen.

Das Begehren des Beschwerdeführers kann entgegen der Auffassung des FG insbesondere nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß der "Schwerpunkt" der Tätigkeit eines Steuerbevollmächtigten anders als bei einem Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf dem Gebiet der Prozeßführung liege oder daß § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO eine "Ausnahmeregelung" sei, die zur ausdehnenden Anwendung nicht geeignet sei. Eine Beschränkung der Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf Rechtsanwälte würde mit den Regelungen in § 139 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO nicht vereinbar sein. Aus diesen Regelungen ergibt sich, daß die Tätigkeit eines Steuerbevollmächtigten im Verfahren nach der FGO auch kostenrechtlich der eines Rechtsanwalts gleichgestellt werden soll. Es erscheint folgerichtig, diesen Grundsatz auch dann zu beachten, wenn ein Steuerbevollmächtigter in einer eigenen Angelegenheit tätig wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69623

BStBl II 1972, 94

BFHE 1972, 314

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