Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO; Revisionszulassung wegen schwerwiegenden Fehlern des FG; Verfahrensmangel; keine Verpflichtung des FG zur Einholung eines Sachverständigengutachtens

 

Leitsatz (NV)

1. Die Rüge bloßer Subsumtionsfehler und einer Divergenz in der Würdigung von Tatsachen reicht grundsätzlich zur schlüssigen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO nicht aus. Denn nicht schon die Unrichtigkeit des FG-Urteils im Einzelfall, sondern erst dessen Fehlerhaftigkeit im Grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen Divergenz.

2. Nur besonders schwerwiegende materiell-rechtliche Fehler des FG können zur Zulassung der Revision führen. Solche wären in Schätzungsfällen allenfalls dann anzunehmen, wenn nicht nur das Ergebnis der Schätzung, sondern zugleich deren Methode und rechnerische Details als objektiv willkürlich in Frage gestellt würden.

3. Hat das FG seine Entscheidung alternativ auf zwei Begründungen gestützt, kann die angefochtene Entscheidung nur dann auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen, wenn dieser beide Begründungen betrifft.

4. Das FG ist nicht verpflichtet, die ihm obliegende Bestimmung maßgeblicher Schätzungsgrundlagen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vorzubereiten.

 

Normenkette

FGO §§ 76, 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Urteil vom 11.11.2003; Aktenzeichen VII 182/99)

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) kommt nicht in Betracht (vgl. unten 1.). Ebenso wenig rechtfertigt § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) die Zulassung der Revision (vgl. unten 2.). Die erhobenen Verfahrensrügen (Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes --§ 76 FGO--, rechtliches Gehör --§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)-- bzw. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten --§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO--) liegen nicht vor (vgl. unten 3.).

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (zusammenfassend zu dem seit 2001 geltenden Zulassungsrecht Senatsbeschluss vom 10. April 2003 X B 109/02, BFH/NV 2003, 1082, unter 1.a mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Eine Rechtsfrage ist nur dann klärungsfähig, wenn sie in einem künftigen Revisionsverfahren für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich ist (u.a. BFH-Beschluss vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht. Mit ihrem Vorbringen zur unterlassenen Feststellung von Buchführungsmängeln in früheren Außenprüfungen haben die Kläger die Klärungsbedürftigkeit der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage nicht schlüssig dargelegt. Es fehlen (substantiierte) Ausführungen darüber, aus welchen Gründen die vom Finanzgericht (FG) vertretene Rechtsauffassung zweifelhaft und streitig sowie nicht eindeutig aus dem Gesetz abzuleiten sei. Darüber hinaus fehlt es auch an der Klärungsfähigkeit der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage, da das FG die Berechtigung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--), die Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb teilweise zu schätzen, nicht nur auf die insgesamtformell nicht ordnungsgemäße Buchführung, sondern auch auf den Umstand gestützt hat, dass durch die Nachkalkulation der Nachweis erbracht sei, der Kläger habe Mehreinnahmen erzielt.

2. Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz zu Entscheidungen des BFH kommt im Streitfall ebenfalls nicht in Betracht.

a) Rügt der Beschwerdeführer eine Abweichung von einer Entscheidung des BFH, so muss er nach ständiger Rechtsprechung des BFH tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und den behaupteten Divergenzentscheidungen des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2002 XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 42).

b) Daran fehlt es im Streitfall. Mit dem Vortrag, das FG habe die Rechtssätze aufgestellt:

"Die nicht ordnungsmäßige Buchführung wirkt sich deshalb nicht nur auf einen begrenzten Geschäftsbereich aus" und

"Entgegen der Auffassung des Klägers führen die fehlerhaften Kassenaufzeichnungen nicht dazu, dass eine Hinzuschätzung nur auf die Umsätze der sogenannten Privatverkäufe ab Hof erfolgen darf"

rügen die Kläger keine Abweichung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage, sondern einen bloßen Subsumtionsfehler und eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen. Dies reicht grundsätzlich zur schlüssigen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 2003 X B 62/02, BFH/NV 2003, 1087, m.w.N.). Denn nicht schon die Unrichtigkeit des FG-Urteils im Einzelfall, sondern erst dessen Fehlerhaftigkeit im Grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen Divergenz (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 55).

Im Übrigen weicht die Vorentscheidung nicht von den von den Klägern angeführten BFH-Entscheidungen (Urteile vom 26. Februar 2002 X R 59/98, BFHE 198, 20, BStBl II 2002, 450; vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594; vom 12. Juni 1986 V R 75/78, BFHE 146, 569, BStBl II 1986, 721; vom 13. März 1985 I R 7/81, BFHE 145, 502, BStBl II 1986, 318; vom 24. Januar 1996 I R 160/94, BFHE 180, 160, BStBl II 1996, 328; vom 20. Dezember 2000 I R 50/00, BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373; vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226) ab. Vielmehr ging das FG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH davon aus, dass im Verfahren der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Besteuerung von Bedeutung sein können. Ziel einer jeden Schätzung müsse es sein, auf den festgestellten Sachverhalt die zahlenmäßigen Auswirkungen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Die Schätzung müsse in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (vgl. FG-Urteil S. 12 unten).

c) Zur Kassenbuchführung hat das FG festgestellt (Urteil S. 11 unten), dass die Kassenaufzeichnungen "insgesamt formell fehlerhaft" waren, weil sie nicht "einen täglichen Abgleich des Soll- und Ist-Bestandes" ergaben, "der eine ordnungsgemäße und vollständige Einnahmenerfassung nachvollziehbar macht". Es ist nicht ersichtlich, dass sich auf der Grundlage dieser Feststellungen rechtsgrundsätzliche Fragen zur Kassenbuchführung ergeben könnten. Die Darlegung der Kläger, entgegen der Auffassung des FG sei die "Hauptkasse" kassensturzfähig gewesen, richtet sich gegen das Ergebnis der Beweiswürdigung, die der materiellen Rechtsanwendung zuzurechnen ist. Dies vorausgesetzt stellen sich die von den Klägern aufgeworfenen materiell- und verfahrensrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der ihrer Ansicht nach ordnungsgemäßen "Hauptkassenführung" nicht. Auch ist nicht ersichtlich, dass das FG einen von der Rechtsprechung des BFH, namentlich dem Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82 (BFH/NV 1985, 12), abweichenden Rechtssatz zur ordnungsgemäßen Führung eines Kassenbuches aufgestellt hätte.

d) Die gerügte Abweichung vom BFH-Urteil vom 31. Juli 1974 I R 216/72 (BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96) besteht nicht, weil das FG zu den Voraussetzungen einer Schätzung keinen von dieser Entscheidung abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Das FG hat das Ergebnis der Buchführung "aufgrund des Ergebnisses der Nachkalkulation" verworfen. Aus dem Gesamtzusammenhang seiner Urteilsgründe ergibt sich, dass es von der Richtigkeit der Nachkalkulation überzeugt war. Diese Überzeugungsbildung liegt auf der Ebene der dem FG als Tatsachengericht obliegenden Tatsachen- und Beweiswürdigung ebenso --jedenfalls dem Grundsatz nach-- wie seine Annahmen zum Beweiswert und zur Sachdienlichkeit der Kalkulationsunterlagen. Insoweit stellen sich auch keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Unverständlich ist die Darlegung der Kläger, das FG hätte das FA auffordern müssen, "das Betriebsergebnis … auf andere Weise zu schätzen, z.B. durch eine griffweise Teilschätzung (Hinzuschätzung)".

e) Auch wenn die Kläger vortragen, die Hinzuschätzung auf der Basis einer Nachkalkulation führe zu einer existenzbedrohenden Übermaßbesteuerung, so haben sie jedenfalls nicht dargelegt, dass dies auf einen besonders schwerwiegenden materiell-rechtlichen Fehler zurückzuführen wäre, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BTDrucks 14/4061, 9) und der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25, m.w.N.) zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. auch Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 11. Mai 2004 XI ZB 39/03, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2004, 2222). Solches wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn die Kläger nicht nur das Ergebnis der Schätzung, sondern zugleich deren Methode und rechnerische Details als objektiv willkürlich in Frage stellen würden. Dagegen reicht es für die Zulassung der Revision auch nach neuem Recht nicht aus, dass das FG im konkreten Einzelfall unrichtig entschieden und dabei ggf. eine vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung übersehen oder fehlerhaft umgesetzt hat (BFH-Beschluss vom 19. August 2003 I B 1/03, juris, Nr. STRE200351314).

3. Eine Verfahrensrüge genügt nur dann den Anforderungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, wenn die Tatsachen bezeichnet werden, aus denen sich der Verfahrensmangel ergibt, und dargelegt wird, dass das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 96). Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde mangelnde Sachaufklärung des FG wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes gerügt, muss u.a. dargelegt werden, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat und warum der Beschwerdeführer, sofern er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen. Hat das FG seine Entscheidung alternativ auf zwei Begründungen gestützt, kann die angefochtene Entscheidung nur dann auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen, wenn dieser beide Begründungen betrifft (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2000 II B 41/99, BFH/NV 2000, 1102; Gräber/Ruban, a.a.O., Rz. 97). Infolgedessen gehört es zur schlüssigen Darlegung eines derartigen Verfahrensmangels, dass die vorgetragenen Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, beide Begründungen berühren.

a) Eine Sachaufklärungsrüge bezieht sich auf die ausdrücklichen Feststellungen des FG, die Buchführung sei in den Streitjahren mangels ausreichender Kassenaufzeichnungen nicht ordnungsgemäß; auch enthielten die Betriebsprüfungsberichte für vorangegangene Zeiträume weder Angaben zur Art und Weise der Kassenaufzeichnungen noch gar Hinweise darauf, "dass diese Art der Erfassung der Einnahmen und Ausgaben ausdrücklich gebilligt wurde". Um die letztere Feststellung zu verhindern, hätte es den Klägern oblegen, diejenigen Tatsachen unter Beweisantritt vorzutragen, die ihrer Ansicht nach zu den im BFH-Urteil vom 20. Oktober 1971 I R 63/70 (BFHE 104, 154, BStBl II 1972, 273) dargestellten Rechtsfolgen geführt hätten. Denn soweit sie sich darauf berufen, das FA sei aus Gründen von Treu und Glauben daran gehindert, die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu versagen, tragen sie selbst die Darlegungs- und Feststellungslast. Die Ausführungen des FG hierzu sind nicht nur "beiläufig", sondern betrafen einen zentralen Aspekt des Rechtsstreits. Im Übrigen hat das FG die Berechtigung des FA, die Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb teilweise zu schätzen, jedoch nicht nur auf die formell nicht ordnungsgemäße Buchführung des Klägers, sondern auch auf den Umstand gestützt, dass aufgrund der Nachkalkulation der Nachweis erbracht sei, der Kläger müsse Mehreinnahmen erzielt haben.

b) Das weitere Vorbringen der Kläger, das FG hätte die Schätzungsmethode des FA in Frage stellen müssen und habe nicht aufgeklärt, inwieweit der vom FA ermittelte Rohgewinnaufschlagsatz von 40,89 % auf Schätzungsunschärfen beruhe, beinhaltet keine schlüssige Verfahrensrüge, sondern besteht im Kern in Einwänden gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Damit machen die Kläger materielle Rechtsfehler geltend, die nach dem abschließenden Katalog des § 115 Abs. 2 FGO nicht zu einer Zulassung der Revision führen können. Gleiches gilt für die Rüge, das FG habe nicht überprüft, wie das FA die Verkaufspreise ermittelt habe.

c) Die Kläger haben ferner nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass das FG gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung verstoßen habe, weil es keinen Sachverständigen zur Höhe der branchenüblichen Rohgewinnaufschlagsätze gehört hat. Ihr Vorbringen hierzu reicht zur schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels schon deshalb nicht aus, da die Bestimmung der maßgeblichen Schätzungsgrundlagen in erster Linie dem FG obliegt (BFH-Urteile vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854, 855 f.; vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549, 550). Das FG ist nicht verpflichtet, seine Schätzung immer oder in bestimmten Einzelfällen durch ein Sachverständigengutachten vorzubereiten. Deshalb kann darin, dass es im Streitfall von der Hinzuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat, kein Verfahrensmangel liegen (BFH-Beschluss vom 25. November 2002 I B 2/02, BFH/NV 2003, 488).

d) Ebenso unschlüssig ist die weitere Verfahrensrüge der Kläger, das FG habe gegen den klaren Akteninhalt und mithin gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, weil es einen Vermerk des Außenprüfers und ein Schreiben des FA an die Bußgeld- und Strafsachenstelle nicht beachtet habe, da auch diese Rüge die Alternativbegründung des FG-Urteils nicht erfasst. Im Übrigen kann die rechtliche Bewertung des FG, die Kassenbuchführung sei nicht ordnungsgemäß gewesen, nicht durch einen Prüfervermerk in Frage gestellt werden, der insoweit nur eine Rechtsauffassung, aber keine feststehende Tatsache dokumentiert.

e) Auch die Rüge, das FG habe gegen die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, greift nicht durch.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. An einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt vielmehr auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen. Es kommt jedoch im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter --selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen-- nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1991  1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, unter II. 1., mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Dies hat das FG beachtet. Den Klägern und ihren Prozessvertretern wurden nicht nur im Verwaltungsverfahren, sondern --ausweislich der Niederschrift über einen Erörterungstermin am 25. Januar 2002 und der öffentlichen Sitzung vom 11. November 2003-- auch im finanzgerichtlichen Verfahren die Grundlagen der Nachkalkulation ausführlich dargelegt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Einwendungen der Kläger im Einspruchsverfahren haben zu einer erneuten Nachkalkulation und der Herabsetzung der Steuer geführt. Obwohl der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs eine Erörterung der zusammenfassenden Würdigung der Tatsachen und Beweisergebnisse vor der Schlussberatung nicht gebietet (ausführlich BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409, unter 1. d), hat das FG dem Prozessbevollmächtigten der Kläger im Schreiben vom 8. Juli 2003 mitgeteilt, dass und aus welchen Gründen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Nachkalkulation vorliegen.

4. Von einer Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1257767

BFH/NV 2005, 224

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