Leitsatz

1. Eine unverzinsliche, durch eine Wiederaufbauklausel beschränkte Brandentschädigungsforderung ist nicht abzuzinsen.

2. Eine → Rücklage für Ersatzbeschaffung ist bei Gewinnschätzung unzulässig (gegen R 35 Abs. 6 EStR).

 

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BFH, Urteil vom 04.02.1999, IV R 57/97

Anmerkung:

Die Entscheidung betrifft einen Landwirt (Kläger), der trotz Aufforderung zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs.1 EStG) keine Bilanzen aufgestellt hatte. Sein Gewinn wurde daher vom FA geschätzt ( → Schätzung ). Nach einem Scheunenbrand erhielt der Kläger von der Gebäudeversicherung zur Abgeltung aller Ansprüche aus dem Schadensfall eine Entschädigung.

Die Entscheidung befaßt sich zunächst mit der Bewertung der Entschädigungsforderung. Die vom Kläger vertretene Auffassung, wegen der Unverzinslichkeit der Forderung sei deren Abzinsung geboten, teilte der BFH nicht. Bei Unverzinslichkeit einer Darlehensforderung ( → Darlehen ) komme zwar nach der Rechtsprechung des BFH (BFH, Urteil v. 30. 11. 1988, I R 114/84, BStBl 1990 II S. 117) eine → Teilwertabschreibung auf den Barwert in Betracht. Die Zulässigkeit einer solchen Abzinsung liege in der Natur der Darlehensforderung, die darauf gerichtet sei, durch Zinsen Ertrag zu erwirtschaften. Dagegen werde die gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Sachversicherung bestehende Entschädigungsforderung nicht wie eine Darlehensforderung „verzinst”. Denn die Brandentschädigungsforderung sei nicht verkehrsfähig. Sie könne bis zum Wiederaufbau nur an solche Personen übertragen werden, die Arbeiten oder Lieferungen zur Wiederherstellung des Gebäudes übernommen haben. Ein Erwerber des ganzen Betriebs würde die Entschädigungsforderung im Rahmen des Gesamtkaufpreises (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz3 und Nr. 2 Satz 2 EStG) nach Auffassung des BFH mit dem nicht abgezinsten Wert ansetzen.

Ein weiterer Streitpunkt betraf die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung. Scheidet ein Wirtschaftsgut gegen Entgelt oder Entschädigung aufgrund höherer Gewalt oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs (Enteignung) aus dem → Betriebsvermögen aus, so entsteht nach den Grundsätzen der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ein Gewinn, soweit das Entgelt oder die Entschädigung höher anzusetzen sind als der Buchwert des Wirtschaftsguts. Der Steuerpflichtige hat nach der Rechtsprechung des BFH (BFH, Urteil v. 12. 3. 1969, I 97/65, BStBl 1969 II S. 318; BFH, Urteil v. 17. 10. 1991, IV R 97/89, BStBl 1992 II S. 392) und nach der Verwaltungsauffassung (R 35 EStR) in diesen Fällen ein Wahlrecht, die → Gewinnrealisierung in der Weise zu vermeiden, daß er noch im Jahre des Ausscheidens des Wirtschaftsguts in Höhe des entstandenen Gewinns eine Rücklage für Ersatzbeschaffung bildet, die in angemessener Frist auf ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut übertragen oder aufgelöst werden muß. Dieses Bilanzierungswahlrecht kann allerdings nur durch Ausweis der Rücklage in der Bilanz ausgeübt werden (vgl. BFH, Urteil v. 24. 1. 1990, I R 152-153/85, BStBl 1990 II S. 426 zum Bilanzierungswahlrecht gemäß § 6b Abs. 3 EStG). Fehlt es – wie im Streitfall – an einer Buchführung, kommt auch das Bilanzierungswahlrecht nicht in Betracht. Sog. „Schätzungslandwirte” können deshalb keine Rücklagen bilden.

Nach wie vor besteht aber die Möglichkeit, eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 Satz 1 AO) zu beantragen. R35 Abs. 6 EStR sieht nämlich für Schätzungsfälle vor, daß die für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG geltende Billigkeitsregelung (R35 Abs. 5 Satz 3 bis 5) entsprechend angewendet wird. Hiernach könnte sowohl der Schaden als auch die Entschädigungsleistung erst im → Wirtschaftsjahr der Schadensbeseitigung bzw. Ersatzbeschaffung berücksichtigt werden.

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