Rz. 171

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unterliegen Feststellungen anlässlich einer Außenprüfung grundsätzlich einem Verwertungsverbot, wenn der Prüfung keine wirksame Prüfungsanordnung zugrunde lag. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn die Prüfungsfeststellungen im Rahmen einer erstmaligen Steuerfestsetzung verwertet werden oder wenn ein zuvor erlassener Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und nunmehr nach § 164 Abs. 2 AO geändert wird. In beiden Fällen besteht ein Verwertungsverbot nur dann, wenn entweder die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Außenprüfung nicht gegeben waren oder wenn im Rahmen der Prüfung schwerwiegende Verfahrensfehler unterlaufen sind und die Prüfungsfeststellungen hierauf beruhen. Andernfalls sind bei einer Außenprüfung festgestellte Tatsachen mithin auch dann verwertbar, wenn sie durch Prüfungshandlungen aufgedeckt wurden, die nicht auf einer (wirksamen) Prüfungsanordnung beruhen.[1]

 

Rz. 172

Der BFH hält an seiner Rechtsprechung fest, dass im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte Tatsachen bei der Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheids nur ausnahmsweise nicht verwertet werden dürfen, wenn ein sog. qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot zum Zuge kommt.[2]

 

Rz. 173

Sind die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verwertungsverbot erfüllt und ist ein weiteres Beweismittel nur unter Verletzung von Grundrechten oder in strafbarer Weise von der Finanzbehörde erlangt worden, so kann das Verwertungsverbot ausnahmsweise im Wege einer sog. Fernwirkung auch der Verwertung des lediglich mittelbaren, für sich betrachtet rechtmäßig erhobenen, weiteren Beweismittels entgegenstehen.[3]

 

Rz. 174

Eine Verletzung der Belehrungspflicht gemäß § 393 Abs. 1 Satz 4 AO führt im Besteuerungsverfahren zu keinem Verwertungsverbot. Aus dem Zweck des § 393 Abs. 1 AO lässt sich ein steuerrechtliches Verwertungsverbot für den Fall der unterlassenen Belehrung nicht ableiten.[4]

 

Rz. 175

Die Frage, "ob die von einer örtlich unzuständigen Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung getroffenen Feststellungen zu einem in dem Verfahren gegen den aufgrund dieser Prüfungsfeststellungen erlassenen Bescheid zu beachtenden Verwertungsverbot führen können", hat keine grundsätzliche Bedeutung. Im Besteuerungsverfahren besteht kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden. Im Steuerrecht besteht vielmehr nur ein verfahrensrechtliches Verwertungsverbot, auf das sich nur derjenige berufen kann, der die Prüfungsanordnung – oder einzelne Prüfungsmaßnahmen mit Verwaltungscharakter – erfolgreich angefochten hat bzw. der nach Abschluss der Prüfung oder Erledigung des betreffenden Prüfungs-Verwaltungsakts dessen Rechtswidrigkeit nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO hat feststellen lassen.[5]

 

Rz. 176

Die Rechtsfragen, ob ein Verwertungsverbot für die bei einer Außenprüfung gewonnenen Erkenntnisse anzunehmen ist, weil der Zweck der Maßnahme auch durch ein (weniger belastendes) Auskunftsersuchen nach § 93 AO erreicht werden könnte und weil das Finanzamt in einem Auskunftsersuchen den Hinweis nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO unterlassen hat, sind in einem Revisionsverfahren nicht klärbar, wenn die Prüfungsanordnung bestandskräftig geworden ist.[6] Ein Verwertungsverbot zieht Prüfungshandlungen nur dann nach sich, wenn die Ermittlungshandlungen aufgehoben bzw. ihre Rechtswidrigkeit positiv festgestellt worden ist (sog. formelles Verwertungsverbot). Dazu muss die angebliche Rechtswidrigkeit der Prüfungsmaßnahme in einem (außergerichtlichen und/oder gerichtlichen) Verfahren oder durch einen Antrag auf Aufhebung der Prüfungsmaßnahme (§§ 130, 131 AO) gerügt werden.[7] Ein Verwertungsverbot von Prüfungsfeststellungen setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass die Rechtswidrigkeit der Prüfung im Wege der Anfechtung der Prüfungsanordnung festgestellt worden ist, es sei denn, diese wäre nichtig.

 

Rz. 177

Weder die Nichteinhaltung der gemäß § 197 Abs. 1 AO einzuhaltenden Frist (angemessene Zeit) noch ein Verstoß gegen § 199 Abs. 1 AO führt zu einem Verwertungsverbot.[8]

 

Rz. 178

Hat das Finanzamt einen – nach Aktenlage gefertigten – "Betriebsprüfungsbericht" ausgewertet, ohne dass die beabsichtigte Betriebsprüfung stattgefunden hat, stellt sich lt. BFH die Frage, ob dem aus rechtsstaatlichen Gründen zwingend ein Verwertungsverbot entgegensteht, nicht, wenn das Finanzgericht nicht von einer "fingierten" Betriebsprüfung ausgegangen ist, sondern aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts die Voraussetzungen des § 164 AO für die Änderung der ursprünglichen Umsatzsteuer-Veranlagung bejaht hat.[9] Hinsichtlich der Ergebnisse einer Betriebsprüfung im Ausland besteht dann kein Verwertungsverbot, wenn die Botschaft des betreffenden Staates auf Anfrage dessen Einverständnis mit der Prüfungstätigkeit auf seinem Hoheitsgebiet erklärt hat.[10]

 

Rz. 179

Zwar sind an die Sicherstellun...

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