Bei erhöhten Chi-Werten i. V. m. mangelhafter Kassenführung sieht das jedoch etwas anders aus. In mehreren Finanzgerichtsentscheidungen wurden die Folgerungen von Betriebsprüfern der Finanzverwaltung aufgrund von Chi-Quadrat-Tests bestätigt. Zwischenzeitlich wird davon ausgegangen, dass 365 überprüfte Werte zur Anwendung des Chi-Tests als ausreichend angesehen werden. Beanstandet werden können hierbei Chi-Quadrat-Werte über 30.

Das Zusammentreffen mangelnder Kassenführung mit auffälligen Chi-Werten kann in der Praxis z. B. bei den nachfolgend aufgeführten Fällen zu Beanstandungen führen:

  • Auffallend hohe Kassenbestände und der Aufbau der Kassenberichte weisen darauf hin, dass die Kassenbestände nur rechnerisch ermittelt worden sind. Ein einheitliches Schriftbild der Eintragungen lässt darauf schließen, dass die Kassenberichte nicht täglich, sondern jeweils für größere Zeitabschnitte gefertigt wurden.
  • Betriebseinnahmen waren zur Vermeidung von Kassenfehlbeträgen korrigiert worden. Häufig beliefen sich die ausgewiesenen Tageseinnahmen auf glatte Beträge.
  • [1]
  • Eine Abstimmung der aufgezeichneten mit den tatsächlichen Kassenbeständen ist nicht vorhanden.
 
Wichtig

Erhöhter Chi-Wert alleine – nicht automatisch Anzeichen für Manipulation

Auch wenn sich durch einen Chi-Quadrat-Test eine 100-prozentige Manipulationswahrscheinlichkeit ergibt, stellt dieser Umstand für sich allein noch keine Rechtfertigung für eine Zuschätzung dar. So sah es jedenfalls das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 24.8.2011.[2] Der Entscheidung lag ein Fall wie im folgenden Beispiel zugrunde.

 
Praxis-Beispiel

Erhöhter Chi-Wert bei Friseursalon mit ordnungsmäßiger Kassenführung

Durch die Betriebsprüfung der Finanzverwaltung war der Friseursalon der Unternehmerin F geprüft worden. Die Einnahmen ergaben sich fast ausschließlich aus Bargeschäften. Diese wurden elektronisch in einem Kassenbuchprogramm erfasst. Die täglichen Kassenbestände wurden in einer gesonderten Spalte des Kassenbuchs ausgewiesen. Kassenfehlbeträge oder sonstige Unregelmäßigkeiten sind nicht festgestellt worden.

Kunden des Salons konnten vorab Termine vereinbaren. Diese wurden in einem "Terminbuch" festgehalten. Diese Terminbücher konnten bei der Prüfung aber nicht vorgelegt werden. Der Prüfer sah in diesen Büchern eine wichtige Grundlage zur Umsatzverprobung und rechnete sie zu den sonstigen Unterlagen, die nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrt werden müssen. Nach Meinung des Prüfers führte die Nichtvorlage dazu, dass die Überprüfung der Bareinnahmen verhindert wird.

Das Gericht beurteilte jedoch die elektronische Kassenführung als ordnungsmäßig. Durch die Führung des computergestütztes Kassenbuchs, bei dem laufend die Kassenbestände festgehalten und ausgewiesen wurden, hätten nachträglich Änderungen ohne erkennbaren (Storno-)Vermerk nicht vorgenommen werden können. Deshalb wurde aus der Sicht des FG durch die Nichtvorlage der Terminbücher die Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Nach dessen Ansicht handelt es sich bei den Terminbüchern nicht um sonstige Unterlagen, die nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrt werden müssen.

Die Aufzeichnung der Termine habe lediglich organisatorische Bedeutung. Hierdurch würden Leerlaufzeiten für das Unternehmen und Wartezeiten für die Kunden vermieden. Das Terminbuch kann nach Ansicht des FG durchaus auch Bedeutung für die Betriebsprüfung der Finanzverwaltung haben, um die aufgezeichneten Tageseinnahmen abzustimmen. Nach der Rechtsprechung des BFH[3] bestehe eine Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO jedoch nur im Rahmen einer Aufzeichnungspflicht. Da die Kasseneinnahmen im vorliegenden Beispielsfall nicht zu beanstanden waren, sei nach Ansicht des FG das Terminbuch für eine Kassenabstimmung nicht erforderlich gewesen. Somit entfällt in diesem Zusammenhang eine Aufbewahrungspflicht.

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