Leitsatz

Verfügen mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer GmbH und einer Personengesellschaft, ist die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1999, Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Gesellschafter einer KG, A, B und C, waren zu je 1/3 an der (kapitalmäßig nicht an der KG beteiligten) Komplementär-GmbH beteiligt. Geschäftsführer der GmbH war A. Die KG vermietete ein Grundstück an die GmbH. Die Klägerin ging – bestätigt durch das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.02.2009, 16 K 311/07, Haufe-Index 2146336, EFG 2009, 792) – davon aus, es liege eine Organschaft vor.

Das FA verneinte eine Organschaft, weil das Erfordernis eines Über- und Unterordnungsverhältnisses nicht erfüllt sei und auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung fehle.

 

Entscheidung

1. Die Revision des FA hatte Erfolg. Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war.

Zwar kann auch eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein. Die Klägerin war jedoch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

2. Ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten sein könnte, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen, ließ der BFH offen. Gleiches gilt für den – vom XI. Senat in einer älteren Entscheidung (BFH, Urteil vom 20.01.1999, XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136) noch bejahten – Fall, dass eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist, wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist.

 

Hinweis

1. Die – gemeinschaftsrechtlich zulässige – Regelung der Organschaft in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG setzt voraus, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist. Ein Antrag des Unternehmers ist weder erforderlich noch Voraussetzung für deren Vorliegen. Es besteht insoweit kein Wahlrecht des Unternehmers.

2. Die finanzielle Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger so an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Ausreichend ist eine Beteiligung, die mehr als 50 % der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist.

3. Der BFH hatte mit der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handelt, eine finanzielle Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger auch dann bejaht, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern der Personengesellschaft gehalten wurde und daher in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten.

Daran hält der BFH für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, nicht mehr fest. Der Organträger muss in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können. Bei einem Familienunternehmen mit nur wenigen Gesellschaftern mag der Gleichlauf der Interessen noch vorhersehbar sein, bei einer größeren Zahl ist das schon nicht mehr der Fall. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet, kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) nicht entscheidend sein, ob und wann und wie lange im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen ist oder war.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.04.2010 – V R 9/09

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