Kommentar

Die Überlassung von Wirtschaftsgütern an eine Betriebskapitalgesellschaft hat zur Folge, daß sämtliche Einkünfte der im übrigen nicht gewerblich tätigen Besitzpersonengesellschaft als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind ( Betriebsaufspaltung ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.11.1997, IV R 67/96

Anmerkung:

Die Entscheidung betrifft ein Zahnarzt-Ehepaar, das eine kieferorthopädische Praxis in der Rechtsform einer GbR betreibt. Die Praxis- und Laborräume befinden sich in einem den Eheleuten gemeinsam gehörenden Haus. In den Laborräumen führt des Ehepaar Arbeiten für die eigene Praxis aus. Außerdem werden dort auch Leistungen im Auftrag Dritter von einer Labor-GmbH erbracht, an deren Stammkapital das Zahnarztehepaar zu 75% bzw. 25% beteiligt ist. Geschäftsführer der GmbH ist der Ehemann. Die GmbH nutzt die Laborräume und deren Einrichtung aufgrund eines Miet- und Pachtvertrags, den das Ehepaar „als Inhaber der freiberuflichen Praxis” mit der GmbH abgeschlossen hat.

In dieser Vertragsgestaltung sieht der BFH eine Betriebsaufspaltung (vgl. auch Gruppe 4: „Betriebsaufspaltung”) zwischen der Praxis-GbR als Besitzgesellschaft und der GmbH als Betriebsgesellschaft. Die Betriebsaufspaltung hat nach der Entscheidung des BFH gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zur Folge, daß alle Einkünfte der Praxis-GbR – also nicht nur die Einkünfte aus der Vermietung der Laborräume an die GmbH, sondern auch die aus der freiberuflichen Tätigkeit der Eheleute stammenden Einkünfte – als gewerblich anzusehen sind.

Diese Folge läßt sich zwar aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ableiten. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (der sog. Abfärberegelung ) „gilt” die mit Einkunftserzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Die wortlautgemäße Auslegung führt jedoch zu systemwidrigen Ungleichheiten. Während bei Einzelunternehmern „gemischte” – d. h. teils gewerbliche, teils nicht gewerbliche – Tätigkeiten grundsätzlich getrennt behandelt und deshalb nur die ihrer Art nach gewerblichen Einkünfte der Gewerbesteuer unterworfen werden, schließt die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bei Personengesellschaften eine solche Trennungsmöglichkeit aus. Wegen dieser gesetzlichen Ungleichbehandlung von Personengesellschafte n und Einzelpersonen wird die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG von einem Teil des Schrifttums (Schulze-Osterloh in Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, S. 531, Schwendy, Inf 1995 S. 75, Korn, DStR 1995 S. 1249) für verfassungswidrig gehalten.

Der BFH hält die Abfärberegelung dagegen für verfassungskonform. Der I. Senat ( BFH, Urteil v. 10.8.1994, I R 133/93, BStBl 1995 II S. 171 ) sieht zwar durch die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr.1 EStG den „letztlich aus Art. 3 Abs. 1 abzuleitenden Grundsatz der Steuergerechtigkeit berührt”; er hält die Vorschrift gleichwohl nicht für verfassungswidrig, „weil die Steuerpflichtigen die Möglichkeit haben, für trennbare Unternehmenstätigkeiten jeweils gesonderte, auch personengleiche Personengesellschaften zu errichten”. Demnach kollidiert die Norm des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nur deshalb nicht mit dem Gleichheitssatz, weil sich ihre Anwendung durch entsprechende vertragliche Konstruktionen vermeiden läßt. Auf den Streitfall bezogen: Hätte das Zahnarzt-Ehepaar neben der freiberuflich tätigen Praxisgemeinschaft noch eine weitere Personengesellschaft gegründet, die sich auf die Vermietung der Praxisräume und der Gerätschaften beschränkt hätte, so wären seine freiberuflichen Einkünfte nicht von der Gewerbesteuer erfaßt worden (in diesem Sinne auch die Finanzverwaltung; vgl. BMF, Schreiben v. 14. 5. 1997, BStBl 1997 I S. 566).

Etwas anders argumentiert der IV. Senat des BFH in der hier besprochenen Entscheidung: Er hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Abfärberegelung. Er hält die aus der Anwendung dieser Regelung sich ergebende unterschiedliche Behandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften für sachlich gerechtfertigt. Nach seiner Auffassung folgt das Steuerrecht den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, die auf der Vorstellung beruhen, daß Personengesellschaften nur eine einheitliche Tätigkeit ausüben können und diese Tätigkeit insgesamt als kaufmännisch anzusehen ist, auch wenn die Voraussetzungen nur partiell erfüllt sind.

Hier stellt sich allerdings die grundsätzliche Frage, ob eine steuerrechtliche Ungleichbehandlung mit den für die Personenhandelsgesellschaften geltenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ( §§ 105ff. HGB ) gerechtfertigt werden kann. Die als Beleg hierfür vom IV. Senat verwendeten Kommentarstellen und das zitierte BGH-Urteil v. 5. 5. 1960, II ZR 128/58, NJW 1960 S. 1852, sagen dazu wenig aus; auch der vom IV. Senat erwähnte Umstand, daß Personenhandelsgesellschaften als Steuerberatungs- bzw. Wirtschaftsprüfergesellschaften anerkannt werden können, wenn sie wegen ihrer Treuhandtätigkeit im Handelsregister ein...

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