Leitsatz

1. Für Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind (hier für Arbeitslohn eines Flugzeugführers nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-Großbritannien 1964/1970), wird die Freistellung der Einkünfte unbeschadet des in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 angeordneten Besteuerungsrückfalls auch dann gewährt, wenn der andere Vertragsstaat (hier Großbritannien) das ihm abkommensrechtlich zugewiesene Besteuerungsrecht an den Einkünften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des Flugzeugführers nur für einen Teil der Einkünfte wahrnimmt (entgegen BMF-Schreiben vom 12.11.2008, BStBl I 2008, 988; Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 19.12.2013, I B 109/13, BFH/NV 2014, 623, BFH/PR 2014, 173).

2. Vergütungen für Dienstleistungen, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erbracht werden, können nach Art. XI Abs. 5 DBA-Großbritannien 1964/1970 in dem Gebiet besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. An die Stelle der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens kann der Ort einer Zweigniederlassung eines solchen Unternehmens treten, wenn die betreffenden Luftfahrzeuge von dort aus selbstständig in Dienst gestellt werden und dort die entsprechenden Leitungsaufgaben wahrgenommen werden. Für die Zwecke der Freistellung solcher Vergütungen gelten die Dienstleistungen nach Art. XVIII Abs. 3 Buchst. b DBA-Großbritannien 1964/1970 aber nur als in dem Gebiet erbracht, in dem eine dort ansässige Person die Luftfahrzeuge betreibt.

 

Normenkette

Art. XI Abs. 5, Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1 und Abs. 3 Buchst. b DBA-Großbritannien 1964/1970, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2, Abs. 9 Satz 3 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007

 

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr 2008 als Flugzeugführer bei der britischen Zweigniederlassung einer US-amerikanischen Fluggesellschaft angestellt. Sein Arbeitslohn belief sich auf 137.857 EUR. Nach Aktenlage wurde davon in Großbritannien ein Anteil von 27 %, also i.H.v. 38.104 EUR besteuert. Das FA unterwarf den darüber hinausgehenden Arbeitslohn der deutschen Besteuerung; der Betrag von 38.104 EUR wurde nach Abzug von Werbungskosten in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen. Die Einkünfte seien wegen § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 nicht nach Art. XI Abs. 5 i.V.m. Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-Großbritannien 1964/1970 von der Bemessungsgrundlage für die Steuer in Deutschland auszunehmen.

Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (FG München, Urteil vom 29.10.2014, 8 K 369/14, Haufe-Index 7583922, EFG 2015, 733).

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FG in der Sache. Er hob das angefochtene Urteil gleichwohl auf und verwies ­die Sache an das FG zurück, weil möglicherweise ­die Voraussetzungen des Art. XI Abs. 5 i.V.m. Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-Großbritannien 1964/1970 nicht erfüllt sein könnten. Es sei nicht klar, ob die Flugzeuge, auf denen der Kläger Dienst tat, überhaupt einem britischen Unternehmen zuzuordnen wären. Das müsse noch aufgeklärt werden.

 

Hinweis

1. Es geht wieder einmal um einen "Pilotenfall", wie schon so häufig in jüngerer Zeit (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 11.1.2012, I R 27/11, BFH/NV 2012, 862, BFH/PR 2012, 191; BFH, Beschluss vom 19.12.2013, I B 109/13, BFH/NV 2014, 623, BFH/PR 2014, 173; BFH, Beschluss vom 20.8.2014, I R 86/13, BStBl II 2015, 18, BFH/NV 2014, 1985, BFH/PR 2015, 35): Während früher oftmals die Lehrer als die besten Freunde der Gerichte bezeichnet wurden, scheint sich das jetzt zu ändern, jedenfalls im internationalen Steuerrecht, s. dazu auch das zweite aktuelle Beispiel in Gestalt des ­BFH-Urteils vom 20.5.2015, I R 47/14, Haufe-Index 8309254 und in diesem Heft auf Seite 403).

Zumeist geht es darum, ob der im Inland wohnende, aber im Ausland diensttuende Flugzeugführer durch die engen deutschen Besteuerungsmaschen schlüpfen kann, indem er aufgrund der weniger engen Zugriffe im Luftverkehrs-Ausland einer sog. Keinmalbesteuerung unterfällt, oder ob ihn der Eifer des deutschen Gesetzgebers vermittels sog. Treaty overriding einholt und er denn doch zur Steuerkasse gebeten wird.

2. Der BFH verweist nun im ersten Leitsatz sei­nes Urteils auf einen Beschluss vom 19.12.2013, I B 109/13 (BFH/NV 2014, 623). Dabei handelte es sich um einen AdV-Beschluss, der im Maßstab des "summarischen Prüfungsverfahrens" ergangen war. Die Prüfung "mit Tiefgang" in einem veritablen Revisionsverfahren stand also noch aus.

a) Und um es kurz zu machen: Im Ergebnis hat sich insoweit nichts verändert. Der BFH bleibt dabei, dass

"für Einkünfte, die nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, die Freistellung der Einkünfte unbeschadet des in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 n. F./2009 angeordneten Besteuerungsrückfalls auch dann gewährt wird, wenn der andere Vertragsstaat das ihm abkommensrechtlich zugewiesene Besteuerungsrecht...

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