Leitsatz

1. Zinsen, die auf einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines erst fünf Jahre nach dem Tod des Erblassers fälligen betagten Vermächtnisanspruchs beruhen, sind beim Vermächtnisnehmer steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

2. Das bloße Nichtgeltendmachen der Zinsen gegenüber dem Erben bei Fälligkeit begründet beim Vermächtnisnehmer keinen Zufluss i.S.d. § 11 EStG.

 

Normenkette

§ 11, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 2174, § 2176, § 2177, § 271 Abs. 1 BGB

 

Sachverhalt

Die Eltern des Klägers errichteten ein Berliner Testament. In diesem setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben ein. Der Kläger sollte beim Tod des Erstversterbenden als Vermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des geltenden Freibetrags bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer erhalten. Dieser Betrag war jedoch erst fünf Jahre nach dem Tod des zuerst Versterbenden fällig und sollte bis zur Auszahlung mit 5 % verzinst werden. Der Vater des Klägers verstarb im Jahr 2001. Der Vermächtnisbetrag und die Zinsen wurden nach Ablauf der fünf Jahren nicht an den Kläger ausgezahlt. Im Jahr 2007 verzichtete der Kläger in einem notariell beurkundeten Vertrag auf seine Ansprüche aus dem Vermächtnis. Als Gegenleistung verzichtete die Erbin auf ihre Nießbrauchsrechte. Diese wurden mit 205.000 EUR zuzüglich der jährlich seit dem Erbfall angefallenen Zinsen in Höhe von 61.640 EUR beziffert. Das FA berücksichtigte die Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Streitjahr 2006. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.2.2013, 16 K 3701/12 E, Haufe-Index 5500607).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage.

 

Hinweis

1. Auch Erben will gelernt sein. Die Gestaltung des sog. Berliner Testaments mit Freibetragsvermächtnis zielt darauf ab, den Anfall von Erbschaftsteuer dadurch zu vermeiden, dass dem Vermächtnisnehmer ein Geldbetrag i.H.d. schenkungsteuerlichen Freibetrags zugewendet wird. Dies hat gleichzeitig den Vorteil, dass der Vermächtnisanspruch nach § 10 Abs. 5 ErbStG beim Erben als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist.

2. Bei der Bestimmung eines Auszahlungszeitpunkts für das Vermächtnis stellt sich die Frage, ob vom Erblasser ein befristetes oder betagtes Vermächtnis angeordnet werden sollte. Ein befristetes Vermächtnis liegt vor, wenn die Entstehung des Vermächtnisanspruchs abweichend von § 2176 BGB erst mit Eintritt des Termins erfolgt (§ 2177 BGB). Ist dagegen lediglich die Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs hinausgeschoben, liegt ein betagtes Vermächtnis vor. Der BFH ist der Testamentsauslegung des FG gefolgt, dass der Erblasser im vorliegenden Fall lediglich die Fälligkeit der Auszahlung des Vermächtnisanspruchs hinausschieben wollte. Welche ertragsteuerlichen Folgen sich aus der Annahme eines befristeten Vermächtnisses ergeben würden, bedurfte daher keiner Entscheidung.

3. Die im Testament verfügte Verzinsung des betagten Vermächtnisanspruchs führt beim Kläger zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Zwar handelt es sich aufgrund der testamentarischen Anordnung um eine erzwungene Kapitalüberlassung an die Erbin. Legt der Erblasser jedoch zugleich eine Verzinsung des Vermächtnisanspruchs fest, sind die Zinsen bei Zufluss als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig. Dies gilt nach Auffassung des BFH auch dann, wenn die Vermächtnisforderung unverzinslich wäre. Wird die Fälligkeit eines von Todes wegen erworbenen Anspruchs mehr als ein Jahr ab seiner Entstehung hinausgeschoben, sei der Vermächtnisanspruch auch ohne die gesonderte Anordnung einer Verzinsung in einen Zins- und einen Kapitalanteil aufzuteilen. Der im Gesamtbetrag enthaltene Zinsanteil sei nach § 12 Abs. 3 BewG zu ermitteln.

4. Der BFH ist nicht der Auffassung des FG gefolgt, dass dem Kläger bereits im Streitjahr 2006 die Zinsen zugeflossen seien. Zwar habe der Kläger den fälligen Vermächtnisanspruch der Erbin gestundet. Er habe damit jedoch keine Disposition über den Zinsanspruch getroffen. Die Stundung führe auch nicht zu einer Novation. Hierzu hätte es einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Erbin über die Überlassung des Vermächtnisbetrags und der Zinsen bedurft. Für das Vorliegen einer solchen Vereinbarung gebe es keine Anhaltspunkte. Erst mit dem Verzicht auf den Vermächtnisbetrag nebst Zinsen als Gegenleistung für den Nießbrauchsverzicht der Erbin habe der Kläger über die Zinsen verfügt. Sie seien ihm danach erst im Jahr 2007 zugeflossen.

5. Der BFH sah sich an seiner Entscheidung nicht dadurch gehindert, dass das FG im Klageverfahren über die Einkommensteuer des Jahres 2007 den – falschen – rechtlichen Hinweis gegeben hatte, dass der Zufluss im Streitjahr 2006 erfolgt sei. Zwar führte dies zur Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen der Parteien in der Hauptsache. Eine die Beteiligten bindende tatsächliche Verständigung über einen Zufluss der Zinsen im Streitjahr sei h...

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