Leitsatz

Die Besteuerung der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, richtet sich nach der zwischen den Erben maßgebenden Steuerklasse (Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung). Vorerwerbe vom künftigen Erblasser sind nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

§ 16, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 14, § 15 ErbStG 2006

 

Sachverhalt

Der Kläger verzichtete gegenüber seinen drei Brüdern auf die Geltendmachung eines möglichen Pflichtteilsanspruchs gegen die Mutter M und erhielt von den Brüdern jeweils eine Abfindung i.H.v. 150.000 EUR. Das FA besteuerte drei freigebige Zuwendungen der Brüder an den Kläger getrennt.

Hinsichtlich des Freibetrags und des Steuersatzes ging das FA von der im Verhältnis des Kläger zu M geltenden Steuerklasse I Nr. 2 (§ 15 Abs. 1 ErbStG) aus. Dem Erwerb rechnete es Vorerwerbe (Schenkungen) von M hinzu.

Nach erfolglosem Vorverfahren berücksichtigte die Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 26.2.2015, 3 K 3065/14 Erb, Haufe-Index 7745657, EFG 2015, 1108) zwar antragsgemäß die Vorerwerbe von M nicht mehr; gewährte aber noch einen Freibetrag aus der Steuerklasse I.

 

Entscheidung

Der BFH hat auf die Revision des FA die Vorentscheidung aufgehoben und die Schenkungsteuer ohne Vorerwerbe und unter Gewährung der Steuerklasse II berechnet.

Die Abfindung, die ein gesetzlicher Erbe für den Pflichtteilsverzicht erhält, stellt eine freigebige Zuwendung des Zahlenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, da dieser als potenzieller (Mit-)Erbe und nicht der spätere Erblasser zahlt. Nach alter Rechtsprechung des BFH sollte sich jedoch die Steuerklasse nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum künftigen Erblasser richten. An dieser Betrachtung hält der BFH nicht mehr fest. Grund sind unerwünschte Folgewirkungen wie etwa eine Vervielfachung des Freibetrags oder Probleme bei Vorerwerben. Denn Vorerwerbe vom künftigen Erblasser sind nicht nach § 14 ErbStG für die Besteuerung dem Erwerb hinzuzurechnen, weil der Verzichtende die Abfindung nicht vom künftigen Erblasser, sondern von anderen gesetzlichen Erben erhält.

 

Hinweis

Der BFH ändert seine Rechtsprechung bezüglich der Abfindung, die ein gesetzlicher Erbe von seinen gesetzlichen Miterben für den Verzicht auf einen potenziellen Pflichtteilsanspruch erhält.

Da die Abfindung aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen (Mit-)Erben geleistet wird, liegt eine freigebige Zuwendung von diesem Miterben an den Empfänger der Abfindung vor. Nach überkommener Rechtsprechung (vgl. etwa BFH, Urteil vom 25.1.2001, II R 22/98, BFH/NV 2001, 705, BStBl II 2001, 456) richtete sich die Steuerklasse indes nicht nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum Zahlenden, sondern zum künftigen Erblasser.

Grund hierfür war, dass ein Verzicht auf Pflichtteilsansprüche gegenüber einem anderen gesetzlichen Erben hinsichtlich der Steuerklasse vor Eintritt des Erbfalls nicht anders behandelt werden sollte als nach Eintritt des Erbfalls. Beide Male geht es um die wertmäßige Teilhabe des Verzichtenden am Vermögen des Erblassers. Nach Eintritt des Erbfalls aber ist der Verzicht auf die noch nicht geltend gemachten Pflichtteilsansprüche gegen Abfindung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG nach der Steuerklasse zu bestimmen, die im Verhältnis zum Erblasser gilt.

Davon rückt der BFH ab und wendet wiederum – etwa unter Geschwistern – Steuerklasse II an. Denn eine völlige Gleichstellung des zahlenden Miterben mit dem Erblasser ist, wie der Besprechungsfall zeigt, nicht mehöglich und offenbar auch nicht gewollt.

Die Anwendung der Steuerklasse des Abfindungszahlenden könnte künftig zu einer höheren Steuerbelastung führen. Im Besprechungsfall musste auf Vertrauensschutzerwägungen nicht eingegangen werden, da die Steuerbelastung des Klägers trotz Steuerklasse II wegen der Nichtberücksichtigung von Vorerwerben vom Erblasser insgesamt niedriger war.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.5.2017 – II R 25/15

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