6.1 Sachverhalt

Fliesenleger F ist selbstständiger Fliesenleger in Stuttgart. Darüber hinaus ist er Eigentümer eines Mietwohnhauses – ebenfalls in Stuttgart. Im März 2023 beschließt er, in seinem Mietwohnhaus umfangreiche Fliesenarbeiten auszuführen. Er bestellt dazu bei seinem Großhändler die für die Arbeiten benötigten Fliesen und erhält unter Gewährung des üblichen Nachlasses eine Rechnung über 10.000 EUR zzgl. 1.900 EUR gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. Im April und Mai 2023 lässt er die geplanten Fliesenarbeiten in dem Mietwohnhaus ausführen. Nach seiner internen Kalkulation sind bei der Ausführung der Fliesenarbeiten noch ca. 8.000 EUR an Personalkosten angefallen.

6.2 Fragestellung

F möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn aus diesem Sachverhalt ergeben.

Alternativ möchte F wissen, welche Rechtsfolge sich ergeben würde, wenn die bei den Arbeiten verwendeten Fliesen von ihm schon im Dezember 2022 erworben worden wären, um einen Großauftrag für einen Kunden auszuführen, der Kunde dann aber vor Beginn der Arbeiten in die Insolvenz ging und er sich dann im April 2023 entschlossen hätte, diese Fliesen für sein Mietwohnhaus zu verwenden.

6.3 Lösung

F ist als Fliesenleger nach § 2 Abs. 1 UStG unternehmerisch tätig. Im Rahmen der Vermietung des Mietwohnhauses ist er ebenfalls unternehmerisch tätig, da er als Vermieter selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht Leistungen erbringt. Da er als Unternehmer nur ein Unternehmen haben kann, gehört sowohl sein Fliesenlegerbetrieb als auch die Ver­mietungstätigkeit zu seinem einheitlichen Unternehmen.[1]

Im Bereich als Fliesenleger ist F für Eingangsleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt, da er keine vorsteuerabzugsschädlichen Ausgangsleistungen ausführt. Die Vermietung der Mietwohnungen führt zu steuerbaren, aber nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreien Ausgangsumsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen.[2] Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG ist nicht möglich, da die Mieter keine Unternehmer sind.

F erhält von seinem Großhändler eine ordnungsgemäße Rechnung und hat die Fliesen auch für sein Unternehmen erworben. Damit hat F den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Mit dem Verlegen der Fliesen führt F direkt keinen Ausgangsumsatz aus, da es sich um einen nicht steuerbaren Innenumsatz zwischen 2 Bereichen seines einheitlichen Unternehmens handelt. Dieser Innenumsatz begründet weder einen Vorsteuerabzug noch schließt er den Vorsteuerabzug aus. Damit ist zu prüfen, mit welchem Ausgangsumsatz aus dem Unternehmen der Kauf der Fliesen tatsächlich in wirtschaftlichem Zusammenhang steht. Da die mit den Fliesen mittelbar bewirkten Ausgangsumsätze aus dem Unternehmen die Vermietungsumsätze des F sind, steht der Einkauf der Fliesen in einem mittelbaren Zusammenhang mit vorsteuerabzugsschädlichen Ausgangsleistungen. Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Großhändlers ist somit nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Eine Ausnahme vom Vorsteuerabzugsverbot nach § 15 Abs. 3 UStG liegt nicht vor.

Auch die bei der Verlegung der Fliesen anfallenden Personalleistungen werden im Rahmen eines nicht steuerbaren Innenumsatzes ausgeführt und stellen somit keinen Ausgangsumsatz dar. Da im Zusammenhang mit den angefallenen Kosten keine Vorsteuerabzugsberechtigung bestanden hat, ergeben sich hier keine weiteren Rechtsfolgen.

Hätte F die Fliesen – wie in der Alternative dargestellt – im Zusammenhang mit einem geplanten Ausgangsumsatz im Bereich des Fliesenlegerbetriebs erworben, hätte er nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen können. Da zu diesem Zeitpunkt auch keine mittelbare Verknüpfung mit einem vorsteuerabzugsschädlichen Ausgangsumsatz vorhanden war, war der Vorsteuerabzug im Dezember 2022 nicht nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen. F konnte somit im Dezember 2022 zu Recht die Vorsteuer i. H. v. 1.900 EUR geltend machen. Nach der derzeit geltenden Rechtsauffassung zum Sofortabzug der Umsatzsteuer in Abhängigkeit von der jeweiligen Verwendungsabsicht kann die im April und Mai 2023 erfolgte Verlegung der Fliesen im Mietwohnhaus des F nicht rückwirkend zu einem Wegfall der Vorsteuerabzugsberechtigung führen, da es ausschließlich auf die Verwendungsabsicht zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs ankommt. Da zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs eine den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Verwendung geplant war, ist der Anspruch auf die Vorsteuer endgültig entstanden.

 
Praxis-Tipp

Sachgerechte Schätzung

Die Vorsteuerabzugsberechtigung ist grundsätzlich nach den Verhältnissen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des Leistungsbezugs vorliegen. Soweit dies zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht abschließend beurteilt werden kann, muss sachgerecht geschätzt werden, wie die bezogene Leistung später für Ausgangsleistungen verwendet werden soll.

Da der Vorsteuerabzug aus dem Dezember 2022 nicht mehr nach § 15 UStG infrage gestellt werden kann, ergibt sich aber ein Berichtigungsanspruch nach § 15 a Abs....

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