Leitsatz

Eine Berufsausbildung endet nicht bereits mit der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abschlussprüfung, sondern erst mit Ablauf der Ausbildungszeit, wenn diese durch Rechtsvorschrift festgelegt ist.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, § 2 Abs. 2 Satz 1, § 35 Abs. 2 APrOHeil­ErzPfl BW, § 4 Abs. 1 Satz 1 KrPflG, § 4 Abs. 1 Satz 1 AltPflG, § 6 Abs. 1 Satz 1 HebG, § 3 Abs. 1, § 21 Abs. 2 BBiG

 

Sachverhalt

Die Tochter des Klägers absolvierte eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilerziehungspflegerin, die nach der einschlägigen landesrechtlichen Verordnung drei Jahre dauert. Der Ausbildungsvertrag hatte dementsprechend eine Laufzeit vom 1.9. 2012 bis zum 31.8.2015. Im Juli 2015 bestand die Tochter die Abschlussprüfung und erfuhr auch die Prüfungsnoten.

Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2015 auf, weil die Ausbildung spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses geendet habe (und nicht erst mit dem gesetzlichen Ausbildungsende).

Das FG gab der auf Kindergeld für den Monat August 2015 gerichteten Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2016, 7 K 407/16, Haufe-Index 10000609).

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse war unbegründet.

 

Hinweis

Wann endet eine zur Berücksichtigung eines volljährigen Kindes führende Berufsausbildung – kommt es auf die letzte aktive Ausbildungsmaßnahme oder auf das Ende eines formalen Ausbildungsverhältnisses an?

1. Ein Kind befindet sich nach ständiger Rechtsprechung in Berufsausbildung, solange es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber noch ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Maßgeblich sind also grundsätzlich die Ausbildungsanstrengungen. Ein Kind kann sich daher ohne formales Ausbildungsverhältnis (z.B. Au-pair, Abiturvorbereitung durch Nichtschüler) oder nach dessen Ende in Ausbildung befinden (z.B. Vorbereitung auf die Wiederholungsprüfung nach beendeter Lehrzeit). Hat das Kind alle Prüfungsleistungen erfolgreich erbracht und wartet nur noch auf die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, wäre die Ausbildung danach bereits beendet.

2. Seit dem Urteil (BFH, Urteil vom 24.5.2000, VI R 143/99, BFH/NV 2000, 1290, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473) endet eine Berufsausbildung aber spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, wenn die Ausbildung mit einer Prüfung abschließt (also u.U. erst Monate nach der letzten ernsthaften Berufsvorbereitungshandlung und dem Prüfungsabschluss); vor der Bekanntgabe des Prüfungserfolges ist die Berufsausbildung nur dann ­bereits beendet, wenn das Kind nach Erbringung aller Prüfungsleistungen eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt. Begründet wurde dies damit, dass der Eintritt in einen der akademischen Ausbildung entsprechenden Beruf im Regelfall erst dann möglich sei, wenn die zur Feststellung des Studienerfolgs vorgesehene Prüfungsentscheidung vorliegt.

3. Der BFH ist offenkundig bestrebt, den Ausbildungsabschluss auf den spätesten in Betracht kommenden Zeitpunkt fallen zu lassen. Das war in den vorstehend beschriebenen Fällen die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses; die Ausnahme für die vorzeitige Aufnahme einer Vollzeittätigkeit kann als Begünstigung im Hinblick auf die seinerzeitige Einkünfte- und Bezügegrenze verstanden werden. Ist die Ausbildungszeit durch Rechtsvorschrift geregelt, dauert die Ausbildung daher trotz Bekanntgabe der bestandenen Abschlussprüfung bis zu deren Ende an. Dies gilt nicht nur für die Regelung durch Bundesrecht (insofern hat die Dienstanweisung zum Kindergeld die Ausbildungsdauer auch bisher schon nach dem Krankenpflegegesetz, dem Altenpflegegesetz und dem Hebammengesetz bestimmt), sondern auch für landesrechtliche Regelungen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.9.2017 – III R 19/16

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