Verschiedene Varianten

Eine der größten Herausforderungen der Vollkostenrechnung ist die möglichst verursachungsgerechte Zuordnung der Gemeinkosten. Im Rahmen einer klassischen Zuschlagskalkulation auf Ebene eines Einzelprodukts erfolgt diese wie, in Abb. 2 dargestellt, wobei schon an dieser Stelle auf die unterschiedlichen Varianten hingewiesen sei (ausführliche Diskussion folgt). Zur Berechnung der Zuschlagssätze werden dabei zunächst in Vorkostenstellen anfallende Gemeinkosten den Endkostenstellen zugeordnet.

Abb. 2: Kalkulationsschemata

2.1 Abgrenzung von produkttyp- und stückzahlabhängigen Kosten

Abgleich der Definitionen

Im hiesigen Zusammenhang von Einzel- und Gemeinkosten ist es sinnvoll, zwei Betrachtungsebenen zu unterschieden, nämlich:

  • einzelne Erzeugnisse bzw. Einzelobjekte sowie
  • die Produktgattung, verstanden als die Summe aller gleichartigen Erzeugnisse, die von einem Typus produziert werden bzw. werden sollen.

Bezogen auf die Einzelobjekte (wie z. B. im Kalkulationsschema) sind Einzelkosten von der Ausbringungsmenge abhängig und somit immer variabel. Dagegen sind F&E-Kosten als Gemeinkosten zu betrachten. Auf Ebene der Produktgattung sieht es anders aus, hier sind wirklich alle produktabhängigen Kosten als Einzelkosten zu betrachten.

Abbildung 3 zeigt die unterschiedlichen Kostentypen schematisch:

  • Feld 1 zeigt die klassischen variablen Einzelkosten, die nicht nur von der Art des Produkts, sondern auch von dessen Ausbringungsmenge abhängig sind. Diese sind auf jeder Ebene der Produkthierarchie als Einzelkosten zu betrachten.
  • In den Feldern 2 und 3 sind die klassischen Gemeinkosten abgebildet, die unabhängig vom Produkt auftreten. Diese können von der Ausbringungsmenge abhängig und somit variabel (Feld 2) oder unabhängig und somit fix (Feld 3) sein.
  • Feld 4 beinhaltet produktabhängige, aber mengenunabhängige Kosten, die klassisch als Gemeinkosten betrachtet werden. Tatsächlich sind sie dies nur auf Ebene des Einzelobjekts. Auf Ebene der Produktgattung handelt es sich dagegen um Einzelkosten.

Vorleistungs­kosten

An dieser Stelle sollten die von Kilger definierten Vorleistungskosten genauer betrachtet werden: Bei diesen handelt es sich um "Kosten, die dazu dienen, zeitungebundene Nutzungspotenziale zu schaffen, welche die Voraussetzungen dafür bilden, dass in zukünftigen Perioden die Stellung einer Unternehmung am Markt verbessert wird".[1] Als typische Beispiele nennt er Erschließungskosten, F&E-Kosten, Ausbildungskosten oder Kosten für Spezialwerkzeuge. Diese können in Abb. 3 in die Felder 3 und 4 eingeordnet werden. Interessant ist zudem, dass die in Feld 4 eingeordneten Kosten in den Kalkulationsschemata einiger Autoren als Gemeinkosten auftauchen (s. Abb. 2 rechts), in denen anderer Autoren dagegen ignoriert werden (s. Abb. 2 links).

Abb. 3: Einzel- und Gemeinkosten

[1] Kilger u. a. (2007), S. 221.

2.2 Abgrenzung nach zeitlichen Unterschieden bei der Leistungserbringung

Zeitschiene beachten

Insofern scheint ein weiterer Differenzierungsfaktor angebracht: der Zeitpunkt der Erstellung einer Leistung im Verhältnis zum Produktionsprozess. Während die vielen Arten von Gemeinkosten zugrunde liegenden Leistungen (z. B. Verwaltung, Kantine, …) zeitgleich mit dem Produktionsprozess erfolgen, haben wir es bei anderen mit den bereits erwähnten Vorleistungen zu tun (s. Abb. 4).

Wo liegt nun eigentlich das Problem? Wieso sollten Vorleistungen wie Forschung & Entwicklung nicht wie andere Gemeinkosten im Rahmen einer Zuschlagskalkulation den Kostenträgern zugerechnet werden? Ein Blick auf die Auswirkungen auf Kostenträgerstück- und -zeitrechnung gibt Aufschluss.

Kostenträgerstückrechnung

Wenn man dem in Abb. 2 rechts dargestellten Kalkulationsschema folgt, werden F&E-Kosten analog zu den Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten auf Basis der Herstellkosten den Produkten in Form eines prozentualen Zuschlagssatzes zugeordnet. Vor dem Hintergrund der heutzutage teilweise signifikanten F&E-Kosten (s. Abb. 1) ist je nach Branche mit einem nicht unwesentlichen Zuschlagssatz zu rechnen. Aber wo ist der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Produkt und den F&E-Kosten? Die als Basis für die Kalkulation herangezogenen Plan-, Normal- oder Ist-F&E-Kosten einer Periode fallen ja für die Entwicklung zukünftiger, eventuell völlig andersartiger Produkte an. Die F&E-Kosten der in der Periode produzierten Produkte dagegen entstanden oft vor sehr langer Zeit in wahrscheinlich ganz anderer Höhe. Abbildung 5 verdeutlicht die Problematik.

Abb. 4: Kosten in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Leistungserbringung

Abb. 5: F&E-Kosten in der Periodenbetrachtung

Kostenträger­zeitrechnung

Wie sieht es dagegen nun in der Kostenträgerzeitrechnung (Deckungsbeitragsrechnung) aus? Wäre es auf dieser Ebene eventuell sinnvoll, die aktuellen F&E-Kosten als Einzelkosten aktuellen Produkten zuzuordnen? Hier spielt die Produkthierarchie eine entscheidende Rolle: Auf der untersten Ebene der Produkthierarchie, der Materialnummer, auf der ja auch die Kalkulation stattfindet, gilt dieselbe Argumentation wie in der Kostenträgerstückrechnung: Es besteht auf dieser Ebene kein ursächlicher Zusammenhang irgende...

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