Leitsatz

1. Art. 17 Abs. 2 und 5 sowie Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-RL des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass eine Gesellschaft, deren Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat ansässig ist, für die Bestimmung des für sie geltenden Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nicht den Umsatz berücksichtigen kann, den ihre in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Zweigniederlassungen erzielt haben.

2. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a und c sowie Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass eine Gesellschaft, deren Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat ansässig ist, für die Bestimmung des für sie geltenden Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nicht den Umsatz berücksichtigen kann, den ihre in Drittstaaten ansässigen Zweigniederlassungen erzielt haben.

3. Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs für jeden Tätigkeitsbereich einer steuerpflichtigen Gesellschaft eine Regelung vorzusehen, nach der die Gesellschaft den Umsatz berücksichtigen darf, den eine in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat ansässige Zweigniederlassung erzielt hat.

 

Normenkette

Art. 17 Abs. 2, Art. 17 Abs. 5, Art. 19 Abs. 1, Art. 17 Abs. 3 Buchst. a, Art. 17 Abs. 3 Buchst. c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

LCL ist ein Kreditinstitut, das seine Hauptniederlassung in Frankreich und Zweigniederlassungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie in Drittstaaten hat.

LCL machte zunächst den Vorsteuerabzug aus nicht näher bekannten Aufwendungen unter Berücksichtigung von Zinsbeträgen aus Darlehen geltend, die die Hauptniederlassung den Zweigniederlassungen im Ausland gewährt hatte. Dem folgte das FA nicht. Fraglich war dann, ob das Unternehmen den Vorsteuerabzug im Mitgliedstaat der Hauptniederlassung zumindest unter Berücksichtigung der durch die Zweigniederlassungen im Ausland erbrachten Umsätze geltend machen kann.

 

Entscheidung

Nach dem Urteil des EuGH ist die Umsatztätigkeit der Auslandsniederlassungen für den Vorsteuerabzug und die Vorsteueraufteilung im Mitgliedstaat der Hauptniederlassung nicht zu berücksichtigen. Ob dies allgemein zu gelten hat oder ob an einer differenzierenden Betrachtungsweise festzuhalten ist, kann auf der Grundlage dieses Urteils nicht abschließend beurteilt werden.

 

Hinweis

1. Bezieht eine Bank oder ein Finanzinstitut eine Eingangsleistung, die sie sowohl für Ausgangsleistungen verwendet, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Ausgangsleistungen, bei denen dieses Recht nicht besteht, stellt sich die Frage, wie die Vorsteueraufteilung vorzunehmen ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen z.B. eine Bank in der Weise grenzüberschreitend tätig ist, dass sie ihre Hauptniederlassung im Inland und ihre Auslandsniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten der EU und/oder in Drittstaaten unterhält.

Insbesondere die Umsatztätigkeit einer in einem Drittstaat gelegenen Zweigniederlassung kann sich vorsteuererhöhend auswirken. Dies beruht darauf, dass die Kreditvergabe im Inland grundsätzlich steuerfrei ist (§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG), was zu einem Ausschluss vom Vorsteuerabzug führt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Anders ist es bei der Kreditvergabe an einen im Drittlandsgebiet ansässigen Darlehensnehmer. Diese ist nicht im Inland, sondern am Empfängerort im Drittland steuerbar (§ 3a Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG), wobei diese nicht steuerbare Kreditvergabe zum Vorsteuerabzug im Inland berechtigt (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG), um die Tätigkeit inländischer Kreditinstitute in Drittstaaten gegenüber der dort ansässigen Konkurrenz nicht zu benachteiligen.

2. In der Vergangenheit haben insbesondere Banken versucht, den Anteil der abzugsfähigen Vorsteuer dadurch zu erhöhen, dass sie von einer umsatzsteuerrechtlich zu beachtenden Kreditvergabe durch die Hauptniederlassung an die z.B. in einem Drittstaat ansässigen Zweigniederlassung ausgingen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen sollte. Im Hinblick auf den Grundsatz der Unternehmenseinheit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) musste dies scheitern, da eine derartige "interne" Kreditvergabe als nicht steuerbarer Innenumsatz umsatzsteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen ist, wie der EuGH ausdrücklich bestätigt hat (EuGH, Urteil vom 23.3.2006, C-210/04FCE Bank, Slg. 2006, I-2803).

3. Noch nicht entschieden hatte der EuGH demgegenüber, ob die von Auslandsniederlassungen erbrachten Leistungen bei der Vorsteueraufteilung im Inland berücksichtigt werden können. Dabei konnte bislang von einer fallgruppenorientierten Betrachtungsweise ausgegangen werden.

a) Im Bereich der Gemeinkosten (Kosten der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit) kann sich die Frage einer Vorsteueraufteilung z.B. dann stellen, wenn eine Bank bei einer Agentur eine Werbekampagne in Auftrag gibt, mit der lediglich für ...

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